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Eine Feldkapelle von Peter Zumthor

Der Schweizer Architekt Peter Zumthor wählt seine Projekte mit großer Sorgfalt aus, es gibt nicht viele Bauten von ihm. Er setzt seine Arbeit immer in Bezug zum Ort, legt Wert auf einen angenehmen Bauherrn, nimmt sich viel Zeit, legt selbst Hand an. Den neuesten Bau von Zumthor darf man wohl als kleines Wunder bezeichnen: Er hat im Eifel-Ort Mechernich-Wachendorf eine Feldkapelle gebaut, auf dem Feld des Bauern Hermann-Josef Scheidtweiler.

Von Dina Netz | 18.05.2007
    "Kapelle gebaut zum Lobe Gottes und der Erde, eingeweiht am 19. Mai 2007, gewidmet dem heiligen Bruder Klaus, Friedensstifter, Mystiker und Einsiedler in den Schweizer Bergen, so steht da geschrieben."

    Auf der dreieckigen Stahltür der Feldkapelle in Mechernich-Wachendorf, die den Eingang ein bisschen aussehen lässt wie den zu einem Indianer-Tipi, nur mit Kreuz drüber.

    Bruder Klaus, das ist Nikolaus von der Flüe. Der Einsiedler hat im 15. Jahrhundert zum Beispiel die zerstrittenen Schweizer Ortschaften wieder zusammengebracht, so dass der 200 Jahre alte Bund der Eidgenossen nicht zerbrach. Und er hat auch nicht unwesentlich zum Einvernehmen zwischen dem Ehepaar Scheidtweiler und Peter Zumthor beigetragen. Bruder Klaus ist nämlich einer der Lieblingsheiligen von Zumthors Mutter. Und als dieser erfuhr, dass die Kapelle, für die er angefragt war, Nikolaus von der Flüe gewidmet werden sollte, war er so gut wie gewonnen.

    Scheidtweilers hatten über den Schweizer Architekten in der Zeitung gelesen, als sich sein Entwurf beim Wettbewerb für den Neubau des Diözesanmuseums in Köln durchgesetzt hatte, und ihm dann einfach einen Brief geschrieben. Nachdem man sich getroffen hatte und einander sofort sympathisch war, sagte Zumthor zu:

    "Ich hab gedacht, ich mach was Kleines. Das wird mich nicht viel Zeit kosten. Ich müsste mich natürlich mittlerweile viel besser kennen. Dann beginne ich eine Arbeit, dann dauert es und dauert es, weil ich merke, ich bin da nicht zufrieden, da stimmt etwas nicht. Und ich will dann einfach meine Arbeit gut machen. Das spielt mir dann einen Streich. Ich hab über Jahre jetzt immer wieder fast so viel wie an diesem großen Kolumba an der kleinen Kapelle gearbeitet."
    Über mehr als acht Jahre, um genau zu sein. Der Kontakt mit den Scheidtweilers begann Ende 1998. Da hatte sich Hermann-Josef Scheidtweiler entschieden, auf seinem Land eine Kapelle zu errichten, zum Dank für ein langes Leben. Das handelsübliche Zumthor-Honorar konnten die Eifelbauern sich natürlich nicht leisten. Und so hat sich der Architekt für "ein Trinkgeld" auf das ungewöhnliche und anrührende Vorhaben eingelassen. Ins Rheinland reiste er ja sowieso immer wieder, wegen des Diözesanmuseums Kolumba. Morgen wird das Ergebnis der jahrelangen Zusammenarbeit am Rande von Wachendorf eingeweiht.

    Peter Zumthor sagt, er hatte am Anfang keine Vorstellung, wie die Kapelle aussehen sollte.

    "Ich finde, die Landschaft ist phantastisch mit diesen weichen, lang geschwungenen Linien, "rolling hills" würde man auf Englisch sagen, und diesen Wäldern. Ich muss es, wie jedes Gebäude, am Ort festmachen. Und es gibt Gebäude, die nisten sich ein in eine bestehende Situation, und es gibt andere Gebäude, die müssen den Ort machen. Und das ist ein Gebäude, das den Ort macht. Das heißt es ist wie ein großer Baum oder wie ein Schloss auf dem Hügel."
    Wachtturm ist auch eine Assoziation, die sich schnell einstellt. Denn die Kapelle ist fünfeckig, fensterlos und zwölf Meter hoch. Der Entstehungsprozess bleibt sichtbar: Die einzelnen Beton-Lagen haben unregelmäßige Linien hinterlassen.
    Innen eröffnet sich unerwartet ein runder, dunkler Raum. Diese Form ergab das Gerüst aus Fichtenstämmen. Sie wurden abgebrannt, und die rußigen Wände vermitteln die Atmosphäre einer Einsiedler-Hütte mit offener Feuerstelle. Licht fällt durch stahlgefasste und mit Glaspfropfen gefüllte Bundlöcher und durch eine Öffnung in der Decke. Der mystische Eindruck verstärkt sich an Regentagen noch. Dann läuft auch das Wasser vom Dach herein und bildet am Boden einen See.

    In der Kapelle steht nur eine hölzerne Bank, im Lichtschacht hängt das Meditationszeichen des Bruder Klaus, ein dreistrahliges Rad-Symbol.

    Das Ehepaar Scheidtweiler hat sich zwar bewusst auf zeitgenössische Architektur eingelassen, aber zwischendurch beschlichen die Landwirte immer wieder Zweifel. Die Größe der Kapelle, ihre schroffe Form - doch im Lauf der Jahre hat sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Bauherren und Architekten entwickelt. Das war Peter Zumthor wichtig, er legt Wert auf eine gute Kooperation. Und das Ehepaar Scheidtweiler kann sich freuen, den erst zweiten Sakralbau des berühmten Architekten auf seinem Feld stehen zu haben:

    "Ich würde mich nicht als klassischen Katholiken bezeichnen, aber ich habe die Erfahrung von spirituellen Momenten in meinem Leben. Es sind schöne Momente, wo ich für ein paar Sekunden über das Konkrete hinaus denke. Das gefällt mir gut. Institutionen - das sind nicht immer die Kirchen, das wissen wir - Institutionen, die uns helfen, das zu tun, ob das jetzt ein Kunstmuseum ist oder ein Konzertsaal oder Volksmusik oder so, Dinge, die das Gegenteil von Aggressionen im Menschen bewirken, die den Menschen gut machen, das Gute im Menschen zum Vorschein bringen - das sind tolle Aufgaben, daran zu arbeiten."