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Eine Frage der Disziplin und des Zeitmanagements

Bernd Schlömer ist Regierungsdirektor im Bundesministerium der Verteidigung und Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Seine Vorgänger haben unter der Arbeitsbelastung als Piratenchef gelitten – den Anforderungen trotz er mit straffer Organisation.

Von Philip Banse | 24.05.2012
    Bernd Schlömer wird erwartet. Seine Gastgeberin bietet ihre Hilfe an und ein Glas Wasser.

    "Ich bin relativ pflegeleicht und problemlos."

    Bernd Schlömer steht im Atrium der Deutschen Bank, einer edlen Unternehmensrepräsentanz Unter den Linden im Herzen Berlins. Hier feiert der Bundesverband des Deutschen Versandhandels heute seinen 65. Geburtstag, dazu hat man auch den Piratenchef eingeladen, man will ihn befragen, wozu, weiß Bernd Schlömer nicht. Er trägt Jeans und Hemd, steckt seinen roten Helm in die lederne Umhängetasche. Schlömer ist mit seinem weißen Motorroller gekommen, direkt von der Arbeit. Als Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium ist er für die beiden Bundeswehr-Universitäten zuständig.

    "Ich arbeite gerne. Ich habe eine interessante Tätigkeit. Ich mache ja Hochschulsteuerung für zwei Universitäten. Das ist eine Aufgabe des Wissenschaftsmanagements. Man hat mit Forschung und Lehre zu tun. Das sind schöne Aufgaben, und die möchte ich auch weiter machen."

    Nach der Arbeit und am Wochenende ist dann die Partei dran: Telefonkonferenzen, Reden, Termine, Interviews. Zwei Fulltime-Jobs. Wie er die unter einen Hut bekommt, wollen viele wissen.

    "Ich bin ein bisschen erstaunt darüber, weil ich glaube von einem falschen Verständnis ausgegangen wird. Als Parteivorsitzender der Piratenpartei ist man nicht der Leiter einer Aufbauorganisation, der die Leitlinien vorgibt und Briefe unterschreibt. Man ist viel stärker koordinierend in einer Netzwerk-Organisation, in der man vermitteln muss, damit die richtigen Synapsen zueinanderfinden. Und diese Aufgabe ist wesentlich aufwandsärmer, als viele dem Parteivorsitz zuschreiben."

    Dennoch haben seine Vorgänger unter der Arbeitsbelastung gelitten, die politische Geschäftsführerin Marina Weissband hat gar die Segel ganz gestrichen. Entspannt und lächelnd steht Bernd Schlömer am Bistrotisch und deutet an: Es ist alles eine Frage der Disziplin und des strengen Zeitmanagements:

    "Ich stehe zwischen halb sechs und sechs Uhr morgens auf, dann wasche ich mich, man frühstückt. Dann mache ich den Rechner an, schaue, was am Abend an E-Mails aufgelaufen ist, überlege, was am Tag passieren wird, ob ich irgendwas vorbereiten muss, an E-Mails versenden muss. Das mache dann bis sieben Uhr. Dann fahre ich zum Dienst, da bin ich dienstlich, Referent, Regierungsdirektor. Ich bin erreichbar, kann auch sehen, wie die die Timeline aussieht, ob etwas Schlimmes passiert."

    Die Timeline, das sind die Meldungen, die über den Kurznachrichtendienst Twitter eingehen, wo der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer als BuBernd schreibt.

    "Sollte etwas Schlimmes passieren, kann ich mich ausloggen, kann den Angelegenheiten der Piratenpartei nachgehen."

    Ausloggen bedeutet: Schlömer hält eine Chipkarte vor ein Lesegerät auf dem Flur des Ministeriums, eine digitale Stechuhr, seine Arbeitszeit ist unterbrochen. Das komme aber selten vor, sagt er.

    "Es geht ja in der Parteipolitik nicht um Leben und Tod. Man sieht nur, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, aber da lasse ich mich nicht von der Arbeit ablenken, die kann man auch abends treffen."

    Soll die Partei zu einer Demo aufrufen? Soll eine bestimmte Aktion mit Geld unterstützt werden – Piratenchefs sind Verwalter, für den Inhalt ist die Basis zuständig, und so lässt sich vieles auf den Feierabend schieben, sagt Schlömer. Und was antwortet er Journalisten, die sich seinen Arbeitsalltag mal vor Ort im Ministerium mal ansehen wollen?

    "Diese Information bringt Ihnen nichts. Niemand möchte wissen, welche Blümchen ich auf dem Schreibtisch habe oder welche Bilder an der Wand hängen. Es ist einfach Neugier der Presse. Es wird immer gesagt, es bestehe ein hohes Interesse, Sie einmal im Büro zu besuchen. Nein, besteht nicht. - Bei mir schon. Denn wenn Sie sagen: Ja, ja, ich habe die Timline offen, und ansonsten mache ich meinen Job, dann wäre das mal interessant, das zu beobachten. - Nein. Sage ich ganz entspannt: nein."

    Transparenz hat auch bei obersten Piraten also ihre Grenzen. Seine Privatsphäre will er schützen.

    "Und Teil dieser Intimsphäre ist mein Beruf und meine Berufstätigkeit."

    Wenn er die Arbeit für die Partei doch mal unterbrechen muss, heißt es: Urlaub nehmen oder Überstunden abfeiern. Das aber muss sich Schlömer jedes Mal genehmigen lassen. Bisher kommt ihm das Verteidigungsministerium entgegen. Selbst CDU-Minister Thomas de Maizière habe ihm seine Unterstützung angeboten:

    "Er hat mir sowohl schriftlich gratuliert als auch mündlich. Ich habe ihn getroffen am Rande einer Veranstaltung. Und dort hat er mir auch noch mal gesagt, wenn es zeitlich nicht vereinbar ist, müsse ich mich melden. Ich habe keinen schlimmen Arbeitgeber. Insofern ist alles in Ordnung."

    Auch politische Interessenkonflikte kann Schlömer nicht erkennen. Sollte die Piratenpartei einmal beschließen, dass sie Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehne, werde er diese Position vertreten.

    "Wenn Parteien im Bundestag Auslandseinsätze ablehnen, heißt das ja nicht, dass man mit der Bundeswehr nicht mehr zusammenarbeitet. Ich sehe das viel entspannter als manch kritischer Fragensteller."

    Dann beginnt Schlömers Befragung auf der Bühne. Und worum geht es? Um seine Doppelbelastung.

    "Ich selber möchte meine wirtschaftliche Existenz nicht an politische Arbeit koppeln. Ich möchte weiter Vollzeit arbeiten. Ich muss halt auf den einen oder anderen Kinobesuch verzichten."