Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Eine Klimaanlage darf unter diesen Umständen einfach nicht ausfallen"

"Das ist ein ganz banaler Ausfall, der grundsätzlich nicht passieren darf." Jürgen Schmid vom Fraunhofer-Institut in Kassel rät der DB, die Abnahmetests für ihre Züge zu verbessern und die verwendeten Materialien genauer zu prüfen.

Jürgen Schmid im Gespräch mit Jule Reimer | 16.07.2010
    Rüdiger Grube: Wir geben uns alle Mühe, dass so etwas nicht vorkommt, aber wenn ich Ihnen heute sage, das kann man völlig ausschließen, dann würde ich lügen, das mache ich auch nicht. Das weiß man nie bei diesen extremen Witterungen. Da gibt es ganz klare Richtlinien, nach denen müssen sich die Lokführer und unser Zugpersonal verhalten. Wenn bestimmte Werte überschritten würden, ja, dann müssen sie selbst entscheiden, dass dieser Zug auch dann im nächsten Bahnhof zum Stillstand kommt.

    Jule Reimer: Rüdiger Grube, der Chef der Deutschen Bahn AG, heute Morgen im Deutschlandfunk zu den Klimapannen bei der Deutschen Bahn. Diese will nicht nur jetzt die kommenden Züge, sondern auch schon die jetzigen mit Klimaanlagen ausrüsten, die für deutlich höhere Temperaturen ausgelegt sind. – Am Telefon begrüße ich Jürgen Schmid, den Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel. Er ist auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Guten Tag, Herr Schmid.

    Jürgen Schmid: Guten Tag, Frau Reimer.

    Reimer: Pleiten, Pech und Pannen bei den Klimaanlagen und gestern bestätigte hier in der Sendung "Umwelt und Verbraucher" auch ein Experte des TÜV Süd, dass Autos immer hitzeanfälliger werden. Setzen wir mittlerweile zu viel auf Technik, setzen wir zu viel Elektronik ein, oder gehen wir vielleicht mit dem, was wir zur Verfügung haben, falsch um?

    Reimer: Ich würde sagen, das letztere ist der Fall. Die Technik hat hier nicht richtig funktioniert. Eine Klimaanlage, die bei 37 Grad völlig ausfällt, entspricht nicht den Regeln der Technik, denn auch wenn sie ausgelegt ist bei nur 32 Grad und wir haben dann 37 Grad, dann darf sie keinesfalls ausfallen, sondern sie darf dann die Temperatur, die sie kühl halten soll, anstelle von 24 Grad um einige Grad erwärmen. Aber laufen muss sie immer noch. Das ist ein ganz banaler Ausfall, der grundsätzlich nicht passieren darf.

    Reimer: Aber ein Hörer hat uns zum Beispiel geschrieben und hat gesagt, früher hatten wir auch keine Klimaanlagen. Warum müssen wir jetzt Klimaanlagen überall haben?

    Schmid: Gut. Bei den Hochgeschwindigkeitszügen darf man keine zu öffnenden Fenster mehr haben. Das ist einfach nicht machbar wegen der großen Windkräfte, die dadurch entstehen. Das bringt es mit sich, dass man in diesem Fall Klimaanlagen, oder zumindest sehr kräftige Belüftungsanlagen installieren muss.

    Reimer: Gibt es denn Alternativen dazu, wenn diese Klimaanlagen so pannenanfällig sind?

    Schmid: Als erste Sofortmaßnahme würde ich der Bahn empfehlen, Sonnenlicht reflektierende Folien auf die Außenscheiben der Züge anzubringen. Das geht sehr schnell und ist eine sehr effektive Maßnahme, die die Wärmelast für die Klimaanlagen deutlich verringert. Das würde sofort dazu führen, dass hoffentlich keine Anlage mehr durch Überlastung ausfällt.

    Reimer: Müssen wir insgesamt bei der Materialfrage stärker ansetzen?

    Schmid: Bei der Systemfrage, würde ich sagen, denn wie ich schon erwähnt habe: eine Klimaanlage darf unter diesen Umständen einfach nicht ausfallen. Wenn das so gehäuft passiert, dann muss man sich fragen, ob die entsprechenden Abnahmetests durch die Bahn wirklich unter diesen Randbedingungen schon stattgefunden haben. Die dürfen nämlich nicht bei 32 Grad aufhören, sondern sollten deutlich darüber gehen.

    Reimer: Sie sind ja auch für das Thema Klimawandel zuständig. Der Gebrauch von Klimaanlagen auch in Gebäuden führt ja dazu, dass der Energieverbrauch entsprechend steigt. Ist das insgesamt die richtige Technik für uns?

    Schmid: Das ist ganz sicher nicht die richtige Technik. In unseren Breitengraden können wir Gebäude so konstruieren, dass sie völlig ohne Klimaanlagen auskommen und trotzdem ein angenehmes Klima gewährleisten. Zum Beispiel das Hauptgebäude unserer Zentrale in München wurde nach diesen Kriterien konstruiert.

    Reimer: Wie machen Sie das?

    Schmid: Durch entsprechende Sonnenschutzmaßnahmen. Das ist die allerwichtigste. Dieser Aspekt wurde eigentlich zu Gunsten der Heizung von Gebäuden lange Zeit vernachlässigt. Dadurch, dass unsere Gebäude jetzt immer größere Verglasungsflächen aufweisen, tritt dieser Aspekt jetzt immer mehr in den Vordergrund. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Sonnenstrahlung nicht in die Gebäude kommt und dort die Gebäude erhitzt, sondern dass durch geeignete Reflexion die Strahlung so in der Form, wie sie ist, wieder zurückgeschickt wird. Dann bleiben die Strukturen kalt und ich brauche dann auch keine Klimaanlage.

    Reimer: Klüger bauen mit klügeren Materialien, das sagt Jürgen Schmid, der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel. Vielen Dank für das Gespräch.

    Schmid: Ja, bitte schön, Frau Reimer.