Freitag, 29. März 2024

Archiv

Eine Lange Nacht über Krieg und Traumata
"Sterben ist Erwachen"

"Krieg hat mich schon immer interessiert. Wie und aufgrund welchen Gefühls bringt ein Soldat den anderen um?" Krieg und Frieden - kein Thema hat Lew Tolstoi nachhaltiger beschäftigt. Wie aktuell sein Werk ist, das sich - 150 Jahre alt - immer wieder mit der Extremsituation des Krieges auseinandersetzt, belegt auf beklemmende Art ein Blick auf die Krisenherde der Gegenwart.

Von Michael Farin und Rainer Burchardt | 20.06.2015
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Die Büste von Paolo Troubezkoi zeigt den russischen Schriftsteller Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi (1828-1910). Tolstois bekannteste Werke sind die Romane "Krieg und Frieden" (1868-1869) und "Anna Karenina" (1878). (picture-alliance / dpa / Bifab)
    Vermeintlich zufällige Auslöser entwickeln eine verheerende Eigendynamik. Flüchtlingsströme überfordern die an Leib und Seele verwundeten Menschen wie auch ihre Zufluchtsstaaten. Hektische Diplomatie und ökonomische Sanktionen bestimmen den nervösen politischen Alltag. Darüber diskutieren wir in der ersten Stunde der "Langen Nacht".
    Im Anschluss senden wir das Hörspiel "Wintersoldat" von Michael Farin. Es dokumentiert eine Begegnung von über 100 Veteranen und Zivilisten, unter ihnen der spätere Außenminister der USA, John Kerry, aus dem Jahre 1971. Organisiert von den Vietnam Veterans Against the War markierte dieses Forum einen Wendepunkt der amerikanischen Antikriegsbewegung. Die Teilnehmer berichten von ihren Kriegsverbrechen, aber auch von den erlittenen Traumata. Inzwischen haben die Schauplätze des Grauens gewechselt.
    Eine "Lange Nacht" wider den Wahnsinn des Krieges, getragen von Tolstois Hoffnung auf ein Aufbegehren gegen sinnloses Töten und getötet werden: "Sterben ist Erwachen".
    Einleitende Gesprächsrunde zum Hörspiel "Wintersoldat" mit Michael Farin, Carolin Emcke, Hannes Heer und Peter Schneider. Moderation: Rainer Burchardt
    Hörtipp: Eine Lange Nacht über Krieg und Traumata
    Anschließend:
    Ursendung: Wintersoldat

    Ein Hörspiel von Michael Farin
    Nach Dokumenten des "Vietnam Veterans Against The War" und Auszügen aus dem Dokumentarfilm "Winter Soldier"

    Vom 31. Januar bis 2. Februar 1971 trafen sich im Howard Johnson Motel in Detroit 109 Veteranen und 16 Zivilisten zur ›Winter Soldier Investigation‹, organisiert von den "Vietnam Veterans Against The War" (VVAW). Prominenter Teilnehmer: der spätere US-Außenminister John Kerry. Sie berichteten von ihren Kriegsverbrechen, aber auch von ihren erlittenen Traumata. Dieses beispiellose Forum markiert einen Wendepunkt in der amerikanischen Antikriegsbewegung. Dokumentiert wurde das Hearing in einem verstörenden Film mit dem Titel "Winter Soldier". Die New York Times kommentierte: "Eine Live-Handgranate aus einem fernen Schlachtfeld nach Hause gebracht."
    Die Verschränkung von Text und O-Ton des Films verdeutlicht den Wahnsinn des Krieges, ein Aufbegehren gegen Verrohung und verordneten Hass.
    Regie: Michael Farin
    Ton: Bernd Friebel
    Mit: Jens Harzer, Michael Rotschopf, Ulrich Noethen, Joachim Witt, Rolf-Peter Kahl und Barbara Becker
    Produktion: Deutschlandradio Kultur 2014
    Länge: 87´50

    Materialien und Literatur zum Thema
    Michael Farin, 1953 in Rotenburg (Wümme) geboren, ist Germanist, Verleger, Autor und Hörspielregisseur.
    Michael Farin: "Bücher zu verlegen, bedeutet für mich, Halluzinationen Wirklichkeit werden zu lassen. Bücher zu lesen natürlich auch.“ Belleville Verlag Michael Farin
    Michael Farin bei Wikipedia
    VVAW: It all started in 1967, with six Vietnam veterans marching together in a peace demonstration. Now, forty-eight years later, VVAW is still going strong-- continuing its fight for peace, justice, and the rights of all veterans. Website
    Vietnam Veterans Against the War (VVAW) is a tax-exempt non-profit organization and corporation, originally created to oppose United States policy and participation in the Vietnam War. Mehr bei Wikipedia
    Carolin Emcke, 1967 in Mülheim/Ruhr geboren, ist Publizistin.
    Carolin Emcke: Website. Mehr auch bei Wikipedia
    Carolin Emcke
    Weil es sagbar ist
    Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit - Essays.
    2013 S. FISCHER
    Wie lässt sich von Krieg und Gewalt erzählen? Warum lässt Gewalt die Betroffenen oft verstummen? Was bedeutet das für uns, die Verschonten?
    Carolin Emcke bereist seit Jahren von Krieg und Gewalt versehrte Länder. Immer wieder wird sie gebeten, die schrecklichen Erlebnisse der Menschen aufzuschreiben.
    Gibt es dabei Grenzen des Verstehens? Schwellen des Sagbaren? Welche Bedingungen muss eine Gesellschaft schaffen, damit die Opfer von Gewalt über das Erlittene sprechen können?
    Diesen Fragen stellt sich Carolin Emcke mit ihren Essays in der Überzeugung, dass es nicht nur möglich, sondern nötig ist, vom Leid anderer zu erzählen -- für die Opfer von Gewalt ebenso wie für die Gemeinschaft, in der wir leben wollen. Sie argumentiert gegen das Unbeschreibliche und für das Ethos der Empathie und des Erzählens.
    Hannes Heer, geboren 1941 in Wissen an der Sieg ist Historiker, Regisseur und Publizist.
    Bekannt wurde er insbesondere als einer der inhaltlich prägenden wissenschaftlichen Gestalter der Wehrmachtsausstellung (Originaltitel: "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“), die als Wanderausstellung ab Mitte der 1990er Jahre zum ersten mal auch die Kriegsverbrechen der regulären deutschen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs für eine breite Öffentlichkeit dokumentierte. Heer trug damit – gegen Widerstände von vor allem rechtsextremen und geschichtsrevisionistischen Kreisen – maßgeblich dazu bei, die im geschichtswissenschaftlichen Umfeld bereits nachgewiesene Widerlegung des Mythos der vermeintlich "sauberen Wehrmacht“ auch im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung zu verbreiten. Mehr auch bei Wikipedia und auf seiner persönlichen Website.
    Website des Hamburger Instituts für Sozialforschung: Verbrechen der Wehrmacht
    Gunnar Norda: Die Wehrmachtsausstellung ("Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944") unter fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Aspekten und ihre Resonanz in der deutschen Öffentlichkeit
    Akademische Schriftenreihe Bd.V50391
    2007 GRIN Verlag
    Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte - Didaktik, einseitig bedruckt, Note: 2, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 31 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Wie kaum eine andere Ausstellung weckte die "Wehrmachtsausstellung" Interesse, beschäftigte die Medien und erhitzte die Gemüter sowohl in der historischen Fachwelt als auch in der deutschen Öffentlichkeit.
    Einleiten werde ich mit der so genannten Legende der sauberen Wehrmacht . Die Ausstellung versucht, diesen Mythos, der bereits kurz nach 1945 in Deutschland zum Erzählmodus über den Krieg wurde, zu zerstören. Ursachen zur Entstehung und der jahrzehntelangen Aufrechterhaltung dieser Legende sollen näher erläutert werden. Anschließend werde ich auf die Ausstellung selbst eingehen. Sowohl die Frage nach Entstehung, als auch nach Konzeption, Themen und Thesen sollen beantwortet werden; dabei sollen die Ausstellungsmacher auch selber zu Wort kommen können.
    Der dritte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Besucherreaktionen. Dabei werden Reaktionen sowohl der Kriegsgeneration als auch der nachfolgenden Generationen, sowie ein Einfluss der Ausstellung auf die Beziehungen dieser Generationen untereinander betrachtet.
    Nicht zuletzt waren es heftige Dispute in München und im Deutschen Bundestag, die für den Rummel und die entsprechend hohen Besucherzahlen der Ausstellungen mitverantwortlich waren. Grund genug, im vierten Teil diese Kontroversen und Debatten näher in den Blick zu nehmen.
    Die Ausstellungsmacher waren teilweise heftigster Kritik ausgesetzt. Ein Hauptkritikpunkt war, dass durch die Ausstellung jeder Soldat der Wehrmacht pauschal und völlig zu unrecht diffamiert werde. Dieser und weitere Kritikpunkte bezüglich verwendeter Fotos und Texte sollen aufgezeigt und bewertet werden; dazu werden die Ausstellungsmacher, wie Hannes Heer, auch selbst Stellung nehmen können.
    Nach Ergebnissen von Untersuchungen der Ausstellungsfotos durch Bogdan Musial, Krisztián Ungváry und Dieter Schmidt-Neuhaus, welche Fehler aufdecken konnten, entschloss sich das Hamburger Institut schließlich, die Kritikpunkte durch eine Expertenkommission überprüfen zu lassen. Dessen Ergebnisse werden abschließend vorgestellt, um so insgesamt zu einer objektiveren Bewertung der Ausstellung zu kommen.
    Deutschstunde - Die Wehrmachtsausstellung und ihre historische Bedeutung – Ein Streitgespräch mit Helmut Schmidt, Ausstellungsmacher Hannes Heer und dem Historiker Habbo Knoch
    Peter Schneider, geboren 1940 in Lübeck ist ein deutscher Schriftsteller.
    Peter Schneider
    Die Lieben meiner Mutter
    2013 Kiepenheuer & Witsch
    Jahrzehntelang haben ihre Briefe aus der Kriegs- und Nachkriegszeit ungelesen im Schrank gelegen. Als Peter Schneider sich endlich entschließt, die in Sütterlin geschriebenen Briefe seiner Mutter transkribieren zu lassen, stößt er auf eine unglaubliche Geschichte eine offene Dreiecksbeziehung. Eine aufwühlende Recherche beginnt. Peter Schneiders Erinnerungen an die Jahre, die er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach der Flucht im bayrischen Dorf Grainau unterhalb der Zugspitze verbrachte, sind noch sehr lebendig aber sie kreisen um jemand anderen. Willy, der sieben Jahre ältere Jugendliche, schlug Peter und seine Schwester in seinen Bann, weil er ihnen etwas Großes versprach: Dank seines guten Drahts zum Erzengel Michael würde er sie das Fliegen lehren. Während die Geschwister den Erzengel mit Geld und gestohlenen Naturalien aus dem Vorrat der Mutter gnädig zu stimmen versuchten, bewegte sich ihre Mutter in ganz anderen Sphären. In ihren Gedanken und ihren Briefen war sie beim fernen Ehemann, einem Komponisten und Dirigenten und bei ihrem Geliebten, einem bekannten deutschen Opernregisseur, der in den Nachkriegsjahren mit aufsehenerregenden Inszenierungen Furore machte. Aus ihren Briefen und seinen Erinnerungen rekonstruiert Peter Schneider seine Kindheit und entwirft das vielschichtige Porträt einer faszinierenden Frau, die ohne Rücksicht auf die Konventionen der Zeit ihren Leidenschaften folgte und viel zu früh starb.
    Peter Schneider
    Lenz
    Eine Erzählung.
    2008 Kiepenheuer & Witsch
    "Schneiders Lenz ist ein Meisterwerk huckepack sehen wir mit seinen Augen die Risse im Beton der Nachkriegszeit." Julia FranckFünf Jahre nach Ausbruch der Studentenrevolte macht ein schmaler Band literarisch Furore: Peter Schneiders Neuerzählung von Büchners Novelle avanciert binnen kürzester Zeit zum Kultbuch einer ganzen Generation.
    Lenz, Student in einer Großstadt, irrt durch sein Leben: Seine Beziehung scheitert, politische Aktivitäten erschöpfen sich in fruchtlosen Diskussionen, der Versuch, sie durch die Arbeit in einer Fabrik endlich lebendig werden zu lassen, bleibt ergebnislos.
    Um der drückenden Stagnation zu entkommen, löst er eine Fahrkarte nach Italien. In Rom begeistern ihn die Farben, das Miteinander der Menschen, die Lebenskunst. Aber rasch gerät er an die Kulturschickeria, in der das Politisieren längst dem Psychologisieren Platz gemacht hat. Ein Angebot, sich selbst einem Analytiker anzuvertrauen, lehnt er ab; eine Affäre mit einer Italienerin endet schnell. Wieder bricht er auf diesmal nach Norditalien. In Trento trifft er auf eine Gruppe linker Studenten und Arbeiter, die ihn brüderlich aufnehmen. Dieses andere Italien wird für Lenz zur Befreiung. Peter Schneider erzählt eine beeindruckende Geschichte über den Mut zur Veränderung und die Suche nach einem authentischen Leben. Sie hat bis heute nicht an Kraft und Brisanz verloren. Lenz ist zu einem modernen Klassiker geworden.
    Wikipedia
    Leo N Tolstoi
    Krieg und Frieden
    Die Urfassung. Mit e. Nachw. v. Thomas Grob. Übersetzung: Dorothea Trottenberg .
    2013 FISCHER Taschenbuch
    Krieg und Frieden treffen in diesem meisterhaften Roman als gegensätzliche Kräfte und Welten aufeinander, die das Schicksal ihrer Hauptfiguren in der Zeit der Napoleonischen Kriege bestimmen. Das pralle Leben der "Friedensepisoden" - Familienfeste, Duelle, Geburten und Sterbeszenen -, steht der Mechanik des Krieges mit seinen Truppenschauen, Märschen und Lagebesprechungen gegenüber. Hier wie dort dringt Tolstoi hinter die Oberfläche einer historisch authentischen Abfolge der Geschehnisse und fördert zutage, was den Menschen allein ausmacht: sein Charakter und sein Handeln. Diese Übersetzung folgt der Urfassung von 1867.
    Krieg und Frieden – Volltext beim Projekt_Gutenberg-DE nach der Hauff-Übersetzung von 1893