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150. Geburtstag von Käthe Paulus
Erfinderin des Paketfallschirms

Die Luftschifferin Käthe Paulus konnte mit dem Aufstieg eines Heißluftballons noch Zehntausende anlocken. Mit waghalsiger Luftakrobatik und Fallschirmabsprüngen ließ sie dem Publikum den Atem stocken. Auf ihre Sicherheit bedacht, erfand sie den Paketfallschirm, wie er im Prinzip bis heute verwendet wird.

Von Ulrike Rückert | 22.12.2018
    Anonym: Petin's projektisches Luftschiff, ohne Jahresangabe
    So könnte das Luftschiff ausgesehen haben, von dem Käthe Paulus ihre waghalsigen Sprünge machte. Zur eigenen Sicherheit entwickelte sie einen Fallschirm. (Stiftung Butzweilerhof, Köln)
    "Im Zoologischen Garten zu Frankfurt am Main - Sonntag bei günstiger Witterung - Luftballon-Auffahrt und Fallschirm-Absturz - von Fräulein Käthchen Paulus."
    In den zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg war Käthe Paulus ein Star. 10.000, 20.000 Menschen strömten zusammen, um ihre atemberaubende Show zu sehen.
    "Musik, kommandiert Miss Polly und unter den Klängen derselben besteigt sie den Rand der Gondel. Die rechte Hand am Takelwerk, in der ausgestreckten Linken das Barettchen schwingend, nur noch mit einem Fuße den Rand der Gondel berührend verabschiedet sie sich von der stürmisch applaudierenden Menge. Majestätisch und sicher erhebt sich das Luftschiff in schwindelnde Höhe."
    Sie saß graziös in einer Mondsichel
    So schwärmte die Lokalpresse. Oft stieg sie nicht in einem Korb auf, sondern saß graziös in einer Mondsichel, winkte verwegen von einem Karussellpferd, balancierte stehend auf einem Blechadler oder strampelte auf einem Fahrrad. Der Höhepunkt war der "Doppelfallschirmabsturz": Die Akrobatin stürzte sich in die Tiefe, ein Fallschirm blähte sich auf, dann schien die Leine gerissen, den Zuschauern stockte der Atem, bis sich ein zweiter Schirm öffnete. Käthe Paulus trat in ganz Deutschland auf und auch in Wien und Amsterdam, Paris, Nizza und London.
    "Im vergangenen Jahre wurde Käthchen Paulus bei Scheveningen mit dem Ballon auf die hohe See getrieben."
    "Einmal ist auch die Ballonhülle geplatzt, und ich musste aus einer Höhe von 70 Meter abspringen. Es ist aber gut ausgegangen."
    Das schrieb die Luftschifferin später in einem Artikel für eine Zeitung.
    1868 im hessischen Dorf Zellhausen geboren
    Geboren wurde Käthe Paulus am 22. Dezember 1868 im hessischen Dorf Zellhausen. Sie verdiente sich ihren Unterhalt als Näherin in Frankfurt, als sie Hermann Lattemann kennenlernte.
    "Einer der bekanntesten, geschicktesten und dabei waghalsigsten Berufsluftschiffer Deutschlands." So die "Wiener Luftschiffer-Zeitung".
    "Seine Kühnheit und Unerschrockenheit imponierten mir, und als er mich einlud, eine Fahrt mit ihm zu machen, war mein Entschluss gefasst: Ich musste Luftschifferin werden."
    Schwere Schicksalsschläge treffen Käthe Paulus
    Doch Lattemann ließ sie zunächst nur seine Ballone und Fallschirme nähen. Erst nach drei Jahren traten sie gemeinsam auf.
    "In jenen Jahren spielte die Frau doch im öffentlichen Leben noch nicht die Rolle wie heute. Sie rissen sich um uns. Wir hatten Aufträge über Aufträge. Der Verdienst stieg ganz unerhört."
    Das Glück währte nicht lange: Vor ihren Augen stürzte Lattemann zu Tode. Käthe Paulus wollte nie wieder in einem Ballon aufsteigen. Aber als sie bald danach auch ihren kleinen Sohn verlor, ging sie doch wieder in die Luft. Jetzt tüftelte sie auch an technischen Verbesserungen. Astrid Venn vom Deutschen Technikmuseum in Berlin sagt dazu:
    "Sie hat sich also während ihrer gesamten aktiven Luftschifferzeit immer sehr damit beschäftigt: Wie kann man den Fallschirm sicherer machen? Das war natürlich in erster Linie erst mal Eigeninteresse, weil sie natürlich auch sicher wieder zur Erde zurückkommen wollte. Und hat dann dieses Patent des sogenannten Paketfallschirmes entwickelt."
    "Bisher konnte man den Fallschirm nicht zusammenklappen. Die Gefahr bestand also immer, dass sich Schnüre verwickelten und der Springer abstürzte. Alle Fallschirme werden heute nach meinem Patent gebaut."
    Tüfteleien dem Militär angeboten
    Käthe Paulus bot ihren Paketfallschirm auch dem preußischen Militär an, doch dort war man nicht interessiert.
    "Teilweise ging das auch von den Heeresführungen aus, die einfach auch ein bisschen Sorge hatten, wenn also die Piloten Fallschirme in ihren Flugzeugen haben, dass sie dann vorzeitig abspringen und damit dann eben auch den Verlust der Maschine riskieren, obwohl sie sie möglicherweise auch noch hätten sicher zur Erde bringen können."
    Anders verhielt es sich bei den Feindbeobachtern, die im Ersten Weltkrieg in Fesselballons über den flandrischen Schützengräben schwebten. Sie wurden mit Paulus-Fallschirmen ausgerüstet.
    "Ich habe Tag und Nacht gearbeitet. 40 Frauen verarbeiteten die Fallschirme, die ich zuschnitt. Allerdings hatte ich auch die Genugtuung, dass Unzählige durch meine Erfindung am Leben blieben."
    Die Zeit der Ballonakrobaten aber war endgültig vorbei, nach dem Krieg wollte das Publikum Flugzeugkunststücke sehen. Als Käthe Paulus 1935 in Berlin starb, schickte die Stadt Frankfurt einen Vertreter mit einem Kranz zu ihrer Beerdigung. Sonst waren wenige Menschen da.