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"Eine Nichteinsichtsfähigkeit, die mich frösteln lässt"

Er ist Autor der Bücher "Die verlogene Politik" und "Endstation Rücktritt", und Pascal Beucker zerpflückt die "Nichteinsichtigkeit" der Politik an sich in der Plagiatsaffäre - und insbesondere die des neuen Innenministers in spe, Hans-Peter Friedrich.

Pascal Beucker im Gespräch mit Christian Bremkamp | 02.03.2011
    Christian Bremkamp: Wer folgt im Amt des Bundesverteidigungsministers auf Karl-Theodor zu Guttenberg? Gestern war dieser wegen der Affäre um seine Doktorarbeit zurückgetreten. Die Kanzlerin hatte im Anschluss gesagt, ein Nachfolger werde im Laufe der kommenden Tage vorgestellt. Nun verdichten sich die Hinweise, dass bereits heute ein Name präsentiert wird, die Entscheidung schon gefallen ist. Am Telefon begrüße ich jetzt Pascal Beucker, Politikwissenschaftler, Journalist und Autor der Bücher "Die verlogene Politik" und "Endstation Rücktritt". Guten Tag, Herr Beucker.

    Pascal Beucker: Guten Tag!

    Bremkamp: Der Wechsel scheint nun doch schneller über die Bühne zu gehen als gedacht. Überrascht?

    Beucker: Ich bin eigentlich nicht überrascht. Mich hat eher überrascht die Ankündigung, erst am Freitag entscheiden zu wollen. Es geht tatsächlich hier um Schlüsselressorts, man musste ganz schnell handeln und ganz schnell auch tatsächlich zeigen, dass diese Regierung weiter handlungsfähig ist.

    Bremkamp: Bleiben wir bei Ihrem aktuellen Buchtitel. Für wie verlogen halten Sie das, was wir gerade erleben, oder tun Sie es nicht?

    Beucker: Doch. Unser Buchtitel hat sich ja eigentlich durch die Affäre Guttenberg deutlich bestätigt. Wenn man sieht, was der Professor Lepsius über Guttenberg sagt, wir sind einem Betrüger aufgesessen, dann hat sich das ja sehr deutlich bestätigt. Ich muss auch sagen, dass jetzt bei der neuen Wahl, nicht für das Verteidigungsministerium - da stimme ich Ihrem Korrespondenten sehr zu in der Charakterisierung von Thomas de Maizière; das ist, glaube ich eine sehr kluge Wahl -, aber in der Berufung von Hans-Peter Friedrich für das Innenministerium, dass ich da schon einige Bedenken habe. Ich meine, Sie haben sich selber im Deutschlandfunk heute Morgen noch mit Hans-Peter Friedrich unterhalten,und wenn man dann dort hört, dass er die ganze Affäre Guttenberg komplett runterspielt, immer noch nicht bereit ist anzuerkennen, dass es hier um Betrügereien geht, die Guttenberg vorgeworfen werden, sondern nur sich über die angebliche Jagd und den Hass, mit dem Guttenberg von der Opposition bedacht worden wäre, empört, dann sieht man da eine Nichteinsichtsfähigkeit, die mich frösteln lässt.

    Bremkamp: Ja, Durchhalten bis zuletzt. Aber hatte die Regierung überhaupt eine Alternative dazu bei Karl-Theodor zu Guttenberg, dem Hoffnungsträger, der Lichtgestalt der Union?

    Beucker: Na ja, das Problem war, dass sie offenkundig einem Blender aufgesessen sind, der über gerade die yellow press und eine Home Story nach der anderen ja einen Popularitätswert bekommen hat, der, wie ich finde, phänomenal ist, wo aber hinter dieser Lichtgestalt es doch ziemlich dunkel scheint, und da wurde es natürlich schwierig für Angela Merkel, wenn man dann einen Minister hat, der nicht bereit ist, offen zuzugeben, was er falsch gemacht hat.

    Bremkamp: Auffällig ist ja die Unterstützung, Sie haben sie gerade angesprochen, die zu Guttenberg aus den eigenen Reihen erfährt, gerade jetzt nach seinem Rücktritt. Es ist noch nicht lange her, da wurde darüber diskutiert, ob er wegen seiner Popularität anderen nicht gefährlich werden könnte. Wie ernst muss man diese Solidarität nehmen?

    Beucker: Ja, das ist natürlich eine gute Frage. Also für Seehofer, da werden so zwei Herzen in einer Brust geschlagen haben, weil Guttenberg drohte ja tatsächlich, Seehofer gefährlich zu werden. Das war allerdings schon mit Beginn der Affäre quasi vorbei und von daher glaube ich, dass dann die Trauer, dass man einen populären Politiker verloren hat, dann doch überwogen hat. Gleichzeitig hat das die Position von Seehofer jetzt deutlich gestärkt.

    Bremkamp: Der Titel eines weiteren Buches von Ihnen heißt "Endstation Rücktritt". Zu Guttenberg wurde und wird immer wieder als einzigartig bezeichnet, im positiven Sinne. War das Prozedere seines Rücktritts auch einzigartig, oder irgendwie auch typisch?

    Beucker: Es war eigentlich sehr, sehr typisch. Ein Politiker, der ertappt wird bei Verfehlungen, reagiert häufig so, wie es Karl-Theodor zu Guttenberg gemacht hat: immer erst mal abstreiten, dann immer nur das einräumen, was ohnehin schon bewiesen ist, also scheibchenweise aufzuklären, wobei im Fall von Guttenberg es auch noch so ist, dass er selber gar nichts bisher aufgeklärt hat. Er hat ja kein einziges Mal zu einem Detail der Vorwürfe Stellung genommen. Und am Schluss, wenn es dann nicht mehr anders geht, wenn der Druck zu groß wird, tritt man zurück, nicht weil man einen Fehler, ein Fehlverhalten begangen hat, sondern deswegen, um Schaden von der Partei, der Familie und dem Universum abzuwenden. Also das ist schon sehr typisch.

    Bremkamp: Interessant ist ja auch: gestern ist er erst zurückgetreten. Heute ist schon viel die Rede von einem möglichen Comeback. Wie erklären Sie sich das?

    Beucker: Offenkundig vergessen diejenigen, die ihn jetzt plötzlich wieder zum Comeback bewegen wollen, was Karl-Theodor zu Guttenberg dort vorgeworfen worden ist. Ich möchte noch mal an die Worte von dem Professor Lepsius erinnern. Öffentlich sich hinzustellen und zu sagen, wir sind einem Betrüger aufgesessen, das ist ja nun mal eine justiziable Bezeichnung. Da sollten doch diejenigen, die jetzt von einem Comeback reden, ein bisschen nachdenken, ein bisschen vorsichtiger sein, weil natürlich ist Guttenberg sehr schwer beschädigt und die Affäre ist für ihn persönlich auch noch nicht ausgestanden. Es laufen die Strafanzeigen gegen ihn, es läuft das Promotionsverfahren in Bayreuth, das Prüfungsverfahren, und ich kann mir eigentlich schwer vorstellen, wie die Uni Bayreuth zu dem Schluss kommen sollte, dass dort nicht vorsätzlich getäuscht worden wäre.

    Bremkamp: Also Comeback Ihrer Ansicht nach ausgeschlossen?

    Beucker: Ein kurzfristiges Comeback ist meines Erachtens ausgeschlossen. Ein langfristiges Comeback ist selbstverständlich möglich. Ich meine, er hat ja ein großes Vorbild in der CSU. Wir erinnern uns an Franz Josef Strauß, der aufgrund der Spiegel-Affäre Anfang der 60er-Jahre hat zurücktreten müssen. Er hat dann 4 Jahre später wieder ein Comeback gefeiert in der Großen Koalition und war dann nachher noch sehr, sehr lange bayerischer Ministerpräsident. Also von daher hat Herr Guttenberg – er ist ja noch sehr jung – noch glänzende Aussichten.

    Bremkamp: Dennoch genießt er hohe Sympathiewerte in der Bevölkerung. Glauben Sie, dass Herr de Maizière da in seine Fußstapfen treten kann, was die Sympathie angeht?

    Beucker: Ich glaube nicht, dass er diese Sympathiewerte erreichen kann, dafür ist Thomas de Maizière nicht schillernd genug und nicht glamourös genug, er hat auch jetzt nicht wirklich so einen richtigen Adelstitel als jemand mit hugenottischer Abstammung. Aber ich glaube, dass er im Gegensatz zu Guttenberg das Verteidigungsministerium sehr seriös führen wird. Guttenberg war ja vor allen Dingen ein Ankündigungsminister. Die Bundeswehrreform, da ist bis auf die Aussetzung der Wehrpflicht ja noch nichts real geschehen, und das wird jetzt Thomas de Maizière, glaube ich, ganz zielstrebig und sehr seriös in Angriff nehmen. Von daher ist es, glaube ich, eine kluge Wahl, die Angela Merkel dort getroffen hat.

    Bremkamp: Herr Beucker, eine Frage noch zum Schluss. was sagt es eigentlich über die Bevölkerung in diesem Land aus, wenn jemand mit so einem Adelstitel, mit so einem strahlenden Auftreten, mit so einer hübschen, attraktiven Frau an der Seite, dass das auch dazu führt, dass er so populär ist?

    Beucker: Mich haben die Reaktionen innerhalb der Bevölkerung und auch natürlich diese Kampagne der Bildzeitung sehr beängstigt, weil darin steckte so ein bisschen so der Traum nach so einem edlen, über allen Dingen schwebenden Menschen, nach so einer Art fast schon Führerfigur, so einem starken Mann, und das hat, finde ich, was Entdemokratisierendes. Von daher hat auch das mich frösteln lassen. Ich finde das sehr, sehr bedenklich, wie dort jemand in die höchsten Popularitätswerte gehievt worden ist, der tatsächlich bisher in der Politik wenig geleistet hatte und der auch in der freien Wirtschaft – so hat er sich ja damals vorgestellt, als er Wirtschaftsminister wurde, dass er vorher in der freien Wirtschaft tätig war – außer der Verwaltung seines Familienvermögens bisher noch nicht viel geleistet hatte.

    Bremkamp: Der Politikwissenschaftler, Journalist und Buchautor Pascal Beucker war das. Ich danke Ihnen.

    Beucker: Keine Ursache! Gerne.

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