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Eine Sache der Definition

Eine vierköpfige Familie fällt unter die Armutsgrenze, wenn sie 1640 Euro netto unterschreitet. Doch Armut ist nicht nur gleichbedeutend mit einem niedrigen Einkommen. Vielmehr trifft die Benachteiligung durch Armut gleich mehrere Lebensbereiche. Wenig Geld zu haben hat Einfluss auf den Gesundheitszustand, die Wohnverhältnisse und die Bildungssituation.

Von Philipp Krohn | 24.06.2008
    150 Eltern und noch einmal so viele Kinder füllen den Saal. Hier im Duisburger Kulturzentrum "Alte Feuerwache".

    Auf der Bühne: aufwändig gebastelte Meeres-Requisiten vor einem schweren schwarzen Vorhang. Gleich beginnt "Der Held der See", das mittlerweile dritte Musical, das eine Projektgruppe an der Grundschule Friedenstraße aufführt. Der Arbeiter- und Samariterbund Nordrhein-Westfalen will Kinderarmut nicht nur beschreiben, sondern auch betroffene Kinder stärken, erklärt dessen Präsident Michael Stricker:

    "Ziel war es eben, ein Projekt zu initiieren, bei dem wir nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht das sehen, sondern uns zunächst einmal am grünen Tisch überlegt haben, was können wir gegen Armut, gegen Situationen, die mit Armut verbunden sind, machen. Und wir haben dann die Stiftung Wohlfahrtspflege gewonnen, das Projekt wissenschaftlich zu evaluieren - also zu gucken, bringt das etwas, was wir machen. Und uns andererseits am grünen Tisch überlegt, wie kann man Kinder, die in schwierigen Lebenssituationen leben, wie kann man diese Kinder einfangen und wie kann man ein Programm machen, das sinnvoll ist."

    Mit dem Projekt sollen Kinder aus sozial schwachen Familien eine erste Begegnung mit Musik, Tanz oder Instrumentenbau erfahren. Denn immer klarer ist in den vergangenen Jahren geworden, dass Armut nicht nur gleichbedeutend mit einem niedrigen Einkommen ist. Vielmehr trifft die Benachteiligung durch Armut gleich mehrere Lebensbereiche.

    So berücksichtigt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, den das Bundeskabinett morgen verabschieden will, auch den Gesundheitszustand, die Wohnverhältnisse und die Bildungssituation.

    Vier Kinder sitzen vor ihren Xylophonen. Sie tragen bunte Kostüme aus hochwertigen Stoffen. Mehrere hunderttausend Euro hat die Stiftung Wohlfahrtspflege für das Pilotprojekt bewilligt: ein Armutsprojekt dürfe nicht ärmlich aussehen und soll langfristig angelegt sein, dachten sich die Initiatoren. Mit Hilfe der Universität Duisburg-Essen entsteht ein Leitfaden. Er soll wichtige Erkenntnisse über Projekte gegen Kinderarmut bündeln.

    Die Hauptrolle des Stücks spielt Milian, ein Achtjähriger aus dem Brennpunkt Duisburg-Hochfeld:

    "Ich habe mich einfach für Gesang eingetragen. Und weil ich eine der schönsten Stimmen war, habe ich eben die Hauptrolle gekriegt. Die haben für mich abgestimmt. Ich habe nicht damit gerechnet. Spaß hat es mir schon sehr doll gemacht, und wir haben uns auch alle sehr Mühe gegeben."

    Hochfeld ist ein lebendiger Stadtteil: Grün, Altbauten und Geschäfte. Aber auch: Viele Ausländer; mehr als die Hälfte der Bewohner lebt von staatlichen Sozialleistungen.

    Viele Bewohner haben schon lange keine Arbeit mehr. Wer spüren will, wie Armut aussieht, wird hier fündig: In einer Straße parkt ein Wagen der "Duisburger Tafel", das Schild eines Rechtsanwalts weist auf seine Spezialität hin: "Insolvenzrecht und Schuldnerberatung". Ein-Euro-Geschäfte buhlen um die Gunst der Kunden.

    Überall in Deutschland lasse sich das Problem in ähnlichen Vierteln beobachten, sagt Pfarrer Wolfgang Gern, der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, einer Sammelorganisation der Wohlfahrtsverbände und der Gewerkschaften:

    "Armut begegnet uns natürlich zuerst und zuvörderst in den sozialen Brennpunkten der Städte und Großstädte. Und auch da ist es ja in den letzten Jahren so gewesen, dass die Mittel von Ländern und Kommunen heruntergeschraubt wurden. Wir haben das in Hessen leibhaftig erlebt durch das Plattmachen der Landesarbeitsgemeinschaft für soziale Brennpunkte im Jahre 2003. Wir haben also erfahren, dass das Bundesland selbst nicht mehr dafür garantieren will, dass in sozialen Brennpunkten gute Gemeinwesenarbeit und präventive Maßnahmen praktiziert werden."

    "Bitte Sir, ich möchte noch mehr." "Was, noch mehr? Habe ich das zu verstehen, dass er noch mehr wollte, nachdem er sein Essen erhalten hatte?" "So ist es, Sir. Mit dem Jungen wird es noch bös enden."

    Wie in Charles Dickens Roman "Oliver Twist" stellt sich Armut heute nicht mehr dar. Seit Beginn der Industrialisierung hat der allgemeine Wohlstand bekanntlich zugenommen.

    Die Armuts-Definition in Industrieländern ist somit eine relative geworden: So bezeichnet die Europäische Union heute jemanden als arm, wenn er weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Für Alleinstehende sind das weniger als 781 Euro netto monatlich.

    Umgekehrt gilt als reich, wer als Lediger mehr als 3418 Euro verdient. Eine vierköpfige Familie fällt unter die Armutsgrenze, wenn sie 1640 Euro netto unterschreitet.

    Das war gewiss kein Trost für Oliver. Aber trotz seiner Jugend hatte er Grütze genug, sich zu stellen, als verließe er das Haus nur ungern. Und überdies waren ihm die Tränen in Folge des ewigen Hungerleidens und der erst vor kurzem erfahrenen Züchtigung näher als das Lachen.

    Sprecher:
    Mit der absoluten Armut in Entwicklungsländern oder zu Beginn der Industrialisierung ist die Armut hierzulande beileibe nicht gleichzusetzen. Dennoch hat auch sie unerfreuliche Folgen: Erzieherinnen in Kindergärten und Lehrer in Grundschulen klagen darüber, dass zu viele Kinder ohne Frühstück kommen. Suppenküchen werden inzwischen nicht mehr nur von Obdachlosen in Anspruch genommen, sondern zunehmend auch von Familien. Gute Bildungsabschlüsse sind unter den sozial Schwächeren seltener. Und ihr Gesundheitszustand ist im Schnitt deutlich schlechter als in höheren Einkommensgruppen, wie Wolfgang Gern von der Nationalen Armutskonferenz besorgt feststellt:

    "Natürlich ist Armut zuerst und zuvörderst als Einkommensarmut spürbar in unserer Gesellschaft. Armut bedeutet natürlich auch, Ausgrenzung zu erfahren am Ort, wenn man mitbekommt, dass man in bestimmten Dingen nicht mithalten kann. Wir in der Nationalen Armutskonferenz machen das natürlich zuerst an den Kindern fest, weil wir sagen, Kinder erfahren zuerst, dass sie nicht mithalten können: meinetwegen bei einer Schulparty etwas zu investieren, bei einer Geburtstagsparty auch mal selbst einzuladen, bei der Hausaufgabenhilfe selbst auch Unterstützung zu erfahren."

    So konkret stellt sich das Armutsproblem für Kinder. Wenn in den vergangenen Monaten auch viel die Rede war von Altersarmut, hält der Ökonom Richard Hauser fest: Kinder sind weitaus häufiger von Armut betroffen als Rentner.

    Nach der Datensammlung "Sozioökonomisches Panel" waren im Jahr 2004 mehr als 18 Prozent der unter 20-Jährigen von Armut betroffen, bei den über 60-Jährigen waren es nur etwa halb so viele.

    "Das Problem der Kinderarmut ist eindeutig das schärfere Problem, weil diese Kinder ja noch am Beginn ihres Lebens- und ihres Berufsweges stehen. Da sollten keine Schädigungen vorweg eintreten. Das Problem der Altersarmut ist ein kommendes Problem, das in zehn oder fünfzehn Jahren gravierend wird. Und da muss man natürlich vorsorgen."

    Seit mehr als dreißig Jahren befasst sich der Professor für Verteilungs- und Sozialpolitik an der Frankfurter Universität mit dem Phänomen. Hauser ist Mitverfasser des ersten Armutsberichts, der Ende der siebziger Jahre im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt wurde.

    "Ursprünglich hat man in Deutschland das Armutsproblem nicht wahrgenommen. Es war allerdings in den 70er Jahren auch noch wesentlich kleiner. Der erste Anstoß kam wohl von dem "War on Poverty" - also Krieg gegen die Armut - den Präsident Johnson Mitte der 60er Jahre eingeleitet hat. Und das hat dann die EU 1974 aufgegriffen und dann einzelne Projekte gegen Armut gemacht und dann auch einen ersten Armutsbericht für die damaligen Mitgliedsländer. Es gab dann später ein zweites und ein drittes Armutsprogramm."

    Dennoch hat es mehr als ein Vierteljahrhundert gedauert, bis das Armutsproblem auch zu einem öffentlichen Thema in Deutschland geworden ist. Insbesondere die Unionsparteien haben jahrelang vermieden, von sogenannten Verteilungsunterschieden zu sprechen. Auch haben sie sich gegen eine gezielte Berichterstattung gewehrt. Die deutsche Sozialpolitik gleiche schließlich Härten aus, und somit könne von Armut keine Rede sein, so lautete das Argument.

    Die damalige Familienministerin Claudia Nolte stellt sich sogar gegen die eigenen Fachleute, als sie 1998 den Jugendbericht präsentiert:

    "Die Aussagen der Jugendberichtskommission über einen Anstieg von Kinderarmut, so wie er in diesem Bericht getroffen worden ist, weise ich im Namen der Bundesregierung entschieden zurück. "

    Erst im Jahr 2000 lässt sich die damalige rot-grüne Bundesregierung vom Bundestag mit einer regelmäßigen Armuts- und Reichtumsberichterstattung beauftragen. In jeder Legislaturperiode muss der Sozialminister seitdem eine ausführliche Bestandsaufnahme vorlegen. Als erster stellt Sozialminister Walter Riester, SPD ein Jahr später seine Ergebnisse vor:

    "Die wichtigsten Armutsrisiken liegen in der Erwerbssituation, im Bildungsstatus, in den Familiensituationen. Und betroffen sind vor allem Arbeitslose, Geringqualifizierte, Alleinerziehende, Paare mit drei oder mehr Kindern und Zuwanderer."

    Diese zentralen Aussagen des ersten stimmen genau überein mit denen des dritten Berichts, den Bundesminister Olaf Scholz im Mai dieses Jahres vorgestellt hat. Dass die Politik untätig sei, wollen Armutsexperten aber nicht behaupten. Insbesondere eine bessere Kinderbetreuung komme sozial Schwachen sehr zugute und vermindere das Risiko, unter Armut leiden zu müssen.

    Zwar liegt die aktuell ausgewiesene Armutsquote wie vor drei Jahren weiterhin um die 13 Prozent. Aber der CDU-Politiker Gerald Weiß vermutet, die Zahl werde sich schon im kommenden Bericht verbessern. Denn diesmal seien Daten aus dem Jahr 2005 ausgewertet worden, also noch vor der Besserung auf dem Arbeitsmarkt. Bundeswirtschaftsminister Glos warnt deshalb davor, zu weitreichende Schlussfolgerungen aus dem Bericht zu ziehen. So sieht es auch Gerald Weiß, der dem Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestags vorsitzt.

    "Die Rückführung der Arbeitslosigkeit, die Beteiligung der Menschen an Arbeit, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir dem Ziel "Wohlstand für alle", wie es mal Ludwig Erhard gefordert hat, wieder ein Stück näher kommen. Wir haben jetzt 1,6 Millionen Arbeitslose weniger als vor drei Jahren. Wir haben eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr als vor drei Jahren. Die Menschen haben bereits etwas vom Aufschwung, und sie sind gegen den Absturz in Armut besser gesichert, als würden sie noch in der Arbeitslosigkeit verharren müssen."

    Um mehr Menschen vor dem Abrutschen in prekäre Verhältnisse zu bewahren, tritt Weiß als Sprecher der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion für spürbare Steuersenkungen ein. Sein Modell: höhere Freibeträge und ein Steuertarif, der an die Inflation angepasst wird. Davon profitiere allerdings vor allem die Mittelschicht, kritisieren Armutsforscher. Gleichsam räumen sie ein, es sei wichtig, auch die mittleren Einkommensgruppen im Auge zu behalten und nicht nur die ärmeren.

    Die SPD dagegen spricht sich in ihrem eigenen, vor kurzem vorgestellten Steuermodell vehement gegen einen Steuersenkungswettbewerb aus. Entlastungen sollten eher durch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge erreicht werden. Zudem denken die Sozialdemokraten über eine Wiedereinführung der Vermögensteuer nach. Mit den Einnahmen wollen sie Investitionen in die Bildung finanzieren. Kostenfreie Bildung sei nötig, um das Armutsrisiko zu mindern, sagt Christel Humme. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion meint, auch ein Mindestlohn würde den Betroffenen helfen und gleichzeitig die Sozialkassen entlasten.

    "Zurzeit kann man sagen, dass der Sozialstaat sehr gut funktioniert. Wir vermindern mit Transferleistungen das Armutsrisiko um die Hälfte. Das ist sehr gut. Aber es kann nicht sein, dass niedrige Löhne aufgestockt werden müssen, um das Armutsrisiko zu senken. Löhne müssen von den Arbeitgebern ordentlich bezahlt werden, denn wir brauchen das Geld, das wir sonst in die Transferleistungen stecken vorrangig für Bildungseinrichtungen, für Zukunftsinvestitionen, um auch unseren Standort zu sichern."

    Kanzlerin Angela Merkel hat die Aufgaben ihrer Familienministerin bereits vor zwei Jahren auf einer Tagung zum Thema Kinderarmut in Berlin so beschrieben:

    "Wir wollen mal alle Familienförderinstrumente auf den Prüfstand stellen. Nicht weil wir sie abschaffen wollen, sondern weil wir den Eindruck haben, dass das sehr unübersichtlich ist und weil wir den Eindruck haben, dass die Lenkungswirkungen nicht immer diejenigen sind, die wir unbedingt brauchen. Und dann hätten wir vielleicht, ohne jetzt zusätzliches Geld unbedingt in die Hand zu nehmen, die Möglichkeit, hier bei denen, die am größten in Gefahr sind, der Armut zu verfallen, besser anzusetzen und auch bessere Maßnahmen zu ergreifen."

    Den Ausbau der Kinderbetreuung hatte die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen. Nicht viel weiter gekommen ist sie damit, die Leistungen für die Familien zu überprüfen. Zwar sind sie im europäischen Vergleich verhältnismäßig hoch, aber auch relativ wirkungslos.

    Momentan denken Union und SPD darüber nach, den Kinderzuschlag auszuweiten, Bis zu 400.000 Kinder könnten davon profitieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Hauser schlägt noch eine weitere Maßnahme vor - einfach zu finanzieren und effektiv, wie er glaubt.

    "Beim Kindergeld würde ich meinen, dass die verfügbaren Mittel konzentriert werden müssen auf die Niedrigeinkommensbezieher. Und das würde bedeuten, dass man einen Kindergeldzuschlag einführt, der mit steigendem Einkommen der Eltern abnimmt: anfänglich etwa 150 Euro zusätzlich zum Kindergeld von 154 Euro und dann mit einer Abnahmerate von 50 Prozent, wenn das Einkommen steigt, ausläuft beim normalen Kindergeld. Das würde wesentlich weniger kosten als eine allgemeine Kindergelderhöhung, die auch Personen begünstigen würde, die das nicht so dringend brauchen."

    Drei bis vier Millionen Kinder kämen in einen solchen Genuss, hat Hauser ausgerechnet. Unterstützung erhält er für diesen Vorschlag von Wolfgang Gern von der Nationalen Armutskonferenz. Der will nicht so recht einsehen, warum er als Gutverdiener genauso viel Kindergeld beziehen soll wie eine Alleinerziehende mit einem Niedriglohnjob.

    Mehr Kindergeld - dafür sprechen sich auch Union und SPD aus. Eine Reform steht schon für diesen Herbst auf der Tagesordnung. Dann wird die Bundesregierung ihren neuen Bericht zum Existenzminimum vorlegen, erläutert SPD-Fraktionsvize Christel Humme.

    "Natürlich werden wir, wenn der Existenzminimumbericht veröffentlicht wird, auch das Kindergeld erhöhen müssen, das ist gar keine Frage. Und ich glaube, wir müssen langfristig ein Ziel verfolgen, dass wir arme und reiche Kinder gleichermaßen fördern und nicht wie jetzt über Freibeträge reiche Kinder besser stellen, also die Schere zwischen Arm und Reich schließen. Und gleichzeitig müssen wir ein Ziel verfolgen, alle Kinder gleich zu behandeln bei der Förderung. "

    Spätestens Anfang 2009 soll es mehr Kindergeld geben. Darüber lässt sich wohl Einigkeit zwischen den Koalitionspartnern erzielen. Den Freibetrag zu senken und damit Besserverdiener zu benachteiligen - das allerdings hält die Union für verfassungswidrig.

    Noch nicht ausgestanden ist ein grundlegender Streit mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Er besteht nach wie vor darauf, größere Geldbeträge für direkte Hilfen bereitzustellen, als allen Eltern pauschal mehr Geld auszuzahlen. So plädieren seine Sozialdemokraten dafür, Zuschüsse für den Mittagstisch an Ganztagsschulen zu gewähren. Gerald Weiß von der CDU wehrt sich dagegen. Seine Partei berufe sich auf die katholische Soziallehre, die den Einzelnen gegen Eingriffe des Staates verteidige, um ihm ein eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen. Dieser Konflikt breche immer wieder in der Arbeit der Großen Koalition auf.

    Was auch immer der richtige politische Weg sein könnte: schon die verstärkte Armuts- und Reichtumsberichterstattung seit acht Jahren habe dazu beigetragen, das Problem sichtbarer zu machen - ist Pfarrer Wolfgang Gern von der Nationalen Armutskonferenz überzeugt.

    Auch wenn die Zahlen zur Kinderarmut im Bericht der Regierung heftig umstritten sind. "Extrem untertrieben und beschönigt" - bewertet der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge die angegebene Quote von zwölf Prozent armer Kinder in Deutschland.

    Auch das Duisburger Musicalprojekt "Der Held der See" ist ins Leben gerufen worden, als das Thema Kinderarmut die Öffentlichkeit zu beherrschen begann. Strahlend erzählt die zehnjährige Anastasia, Tochter griechischer Eltern, was ihr Auftritt bei ihnen auslöst:

    "Die kommen hier hin, gucken sich das an. Und die sind stolz auf mich. "

    Atmo Lautes Kindergemurmel

    Kinder und Eltern diskutieren über das Stück. Sie loben die kleine Krake, die ihren Freund, eine Qualle, aus den Fängen einer Alge befreien konnte.

    Und während der Saal sich leert, gibt Hauptdarsteller Milian sein erstes Zeitungsinterview. Für ihn hat das alles nur wenig mit Armut zu tun.