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"Eine schleichende Enteignung der Sparer"

Insbesondere für Sparer sei die derzeitige Niedrigzinsphase in den USA, aber auch in Europa nicht gut, sagt der Hauptgeschäftsführer Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer. Andererseits sei es dadurch gelungen, die Krise einigermaßen unter Kontrolle zu halten.

Michael Kemmer im Gespräch mit Friedbert Meurer | 19.09.2013
    Friedbert Meurer: Die Zinsen in Deutschland sind so niedrig wie noch nie, und es wird dabei wohl vorerst auch bleiben. Alle Welt hatte gestern Abend damit gerechnet, dass die US-Notenbank die Politik des billigen Geldes aufgeben wird. Aber es ist anders gekommen. Die Fed, wie die Notenbank genannt wird, die Federal Reserve, ändert ihre Politik nicht. Gleichzeitig gibt es ein Comeback sozusagen der Haushaltskrise in den USA.
    Michael Kemmer ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Kemmer.

    Michael Kemmer: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Frei nach Shakespeare: War das viel Lärm um nichts?

    Kemmer: Ach so würde ich das nicht sagen. Die Mehrheit der Beobachter hat zwar erwartet, dass die Fed beginnen wird, ihre Anleihekäufe zurückzuziehen, aber es gab schon durchaus Stimmen, die gesagt haben: Das ist noch zu früh und die sind sich noch nicht sicher, die wollen noch ein paar Daten abwarten. Also es war das Feld geteilt und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir gehen davon aus, da wird in dem Jahr noch etwas kommen. Alle haben gebannt hingeguckt und letztlich muss man sagen, dass der Zinsanstieg, der hier ja ausgelöst worden wäre, ein gutes Stück auch schon vorweggenommen worden ist. Also es ist nichts Dramatisches, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Es wäre auch nicht dramatisch gewesen, wenn die Fed eine Entscheidung getroffen hätte.

    Meurer: Finden Sie diese Entscheidung, jetzt nichts zu ändern, richtig?

    Kemmer: Das ist schwer zu sagen. Es gibt wie gesagt Argumente, die dafür sind, es gibt Argumente, die dagegen sind. Entscheidend ist die Zinsentwicklung, weniger die Liquiditätsversorgung. Die Gefahr, die damit verbunden ist, ist ein Anziehen der Inflation. Das ist eigentlich im Moment nicht zu erwarten. Wenn Sie sich den Immobilienmarkt anschauen, der ist durch den Zinsanstieg, den wir seit Mai gesehen haben, schon wieder etwas abgekühlt. Das heißt, die Erholung des Immobilienmarktes hat eigentlich abgenommen oder ist gestoppt worden. Das heißt, es gibt schon auch gute Argumente dafür, sich so zu verhalten, wie es die Fed getan hat.

    Meurer: Aber gerade diese Entscheidung jetzt könnte ja die Immobilienmärkte wieder ein bisschen in Wallung bringen und Käufer dazu bringen, Immobilien zu kaufen?

    Kemmer: Genau. Das ist das, was durchaus erwartet werden könnte, wobei jetzt die Märkte schon ein bisschen brauchen, um dann wieder deutlich anzuspringen. Also wir sehen da keine massive Inflationsgefahr. Auf der anderen Seite tut es natürlich dem Immobilienmarkt in den USA durchaus gut, wenn er wieder ein bisschen anzieht. Man muss aufpassen, dass es keine Überhitzungen gibt. Aber wie gesagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir gehen davon aus, es wird sich noch etwas tun. Das ist immer eine Frage des Timings, und das ist ganz schwer abzuschätzen.

    Meurer: Die Sparer in Deutschland kriegen im Moment nur Minizinsen. Auch bei den Lebensversicherungen wird es recht eng. Sind die Sparer die Dummen dieser niedrigen Zinsen?

    Kemmer: Ja, das ist natürlich schon so. In dem Moment, wo wir negative Realzinsen haben, so wie im Moment, das heißt, wo die Nominalzinsen unterhalb der Inflationsrate liegen, findet ja schon eine schleichende Enteignung der Sparer statt. Man muss auch sehen, dass ja die Zinsen auch noch zu versteuern sind. Also das ist schon negativ für die Sparer und diese Niedrigzinsphase hat auch negative Auswirkungen für die Banken. Denen geht da schon ein Gutteil ihrer Ertragsmöglichkeiten verloren. Das ist nichts, was man dauerhaft anhalten lassen sollte.

    Meurer: Thema Banken. Knallen bei den Investment-Bankern jetzt nicht die Sektkorken?

    Kemmer: Nein, das wäre völlig überzogen. Natürlich gucken die schon sehr genau hin, was die Fed tut, und die Märkte haben ja auch sofort entsprechend reagiert. Da gab es sofort wieder ein Kursfeuerwerk. Aber die Investmentbanker sind ja jetzt nicht nur auf steigende Kurse fixiert. Die nehmen es letztlich, wie es kommt. Für die ist es wichtiger, dass die Dinge einigermaßen gut vorhersehbar sind, und da, kann man sagen, ist der Fed ja vielleicht sogar eine Überraschung gelungen, die der eine oder andere Investmentbanker nicht erwartet hatte.

    Meurer: Nur insgesamt ökonomisch betrachtet, sollten wir uns nicht langsam wünschen, dass die Zinsen ansteigen, nennenswert ansteigen?

    Kemmer: Im Grunde genommen ist eine solche Niedrigzinsphase nicht gut, insbesondere nicht für die Sparer. Auf der anderen Seite ermöglicht sie es natürlich schon der Wirtschaft, sich sehr günstig zu verschulden. Die Frage ist, ob die Mittel dann in die richtige Richtung gelenkt werden. Wenn man einen Strich drunterzieht, ist es sicherlich zu wünschen, dass diese extreme Niedrigzinsphase irgendwann mal zu Ende geht. Aber wir haben natürlich auch Gefahren von der Konjunkturfront, wir haben Gefahren aus der Staatsschuldenkrise, gerade hier in Europa. Da muss man sehr vorsichtig damit umgehen und man muss sagen, bisher ist es natürlich den Zentralbanken, insbesondere der EZB an dieser Stelle schon gelungen, die Krise einigermaßen unter Kontrolle zu halten, mit dieser reichlichen Liquiditätsversorgung. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die betroffenen Länder ihre Hausaufgaben machen müssen. Wir brauchen hier strukturelle Reformen und die sehen wir halt im Moment nur in Ansätzen. Aber das ist der Schlüssel zur Lösung des Problems.

    Meurer: Die US-Notenbank will weiter Staatsanleihen im beträchtlichen Umfang kaufen, jeden Monat für 85 Milliarden Dollar alles in allem. Das ist ja ein bisschen ähnlich mit der Politik von Mario Draghi in der EZB. Kann sich Draghi bestätigt fühlen durch die US-Notenbank?

    Kemmer: Ich glaube nicht, dass Draghi sich bestätigt fühlt. Die US-Notenbank hat ja auch nicht den gleichen Auftrag wie die EZB. Die EZB ist nur für die Preisstabilität verantwortlich. Die US-Notenbank ist auch für Vollbeschäftigung verantwortlich, sozusagen ein bisschen ein anderer Blickwinkel. Aber natürlich laufen die Dinge hier auch schon ein bisschen parallel und Fed-Entscheidungen sind immer Entscheidungen, die nicht nur für den amerikanischen Binnenmarkt wichtig sind, sondern letztlich für die weltwirtschaftliche Entwicklung insgesamt. So gesehen ist es für die EZB natürlich auch von Interesse.

    Meurer: Der Aufkauf von Staatsanleihen in den USA scheint ja erfolgreich zu sein. Also ist auch gut das, was Draghi macht?

    Kemmer: Ob der Aufkauf von Staatsanleihen tatsächlich auf lange Sicht erfolgreich ist, das bleibt abzuwarten, denn letztlich wird damit ja nur Zeit gekauft. So gesehen gibt es durchaus eine Parallele auch zur EZB. Auch die EZB kauft sich durch diese gute Liquiditätsversorgung und durch die Ankündigung, jederzeit auch europäische Staatsanleihen zu kaufen – gemacht hat sie es ja bisher noch nicht -, auch die EZB kauft sich dadurch nur Zeit. Und es muss so sein, dass in den betroffenen schwierigen Ländern die Reformen durchgezogen werden. Das ist das A und O und da kann die EZB nun gar nichts dazu beitragen. Das muss die Politik machen.

    Meurer: Die US-Notenbank Fed setzt zur allgemeinen Überraschung ihre Politik des lockeren Geldes fort – ich sprach darüber mit Michael Kemmer, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Herr Kemmer, danke und auf Wiederhören!

    Kemmer: Gerne! Auf Wiederhören.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.