Samstag, 20. April 2024

Archiv


Eine Schreckensvision mit schwer verdaulicher Pointe

Als Hoimar von Ditfurth 1985 den Untergang der Welt prophezeite, dachte er an Überbevölkerung, Umweltzerstörung und Atomkraft. Sein Buch wurde schnell ein Bestseller, obwohl es einen fatalistischen Blick auf die Welt offenbart.

Von Martin Hartwig | 06.08.2012
    Es steht nicht gut um uns. Die Hoffnung, dass wir noch einmal, und sei es nur um Haaresbreite, davon kommen könnten, muss als kühn bezeichnet werden. Wer sich die Mühe macht, die überall schon erkennbaren Symptome der beginnenden Katastrophe zur Kenntnis zu nehmen, kann sich der Einsicht nicht verschließen, dass die Chancen unseres Geschlechts, die nächsten beiden Generationen heil zu überstehen, verzweifelt klein sind.

    Schon die ersten Sätze des Buches machen klar, dass dem Leser eine beunruhigende Lektüre bevorsteht, zumal der Ausgang der Geschichte schon im Titel verraten wird.

    So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen: Es ist soweit!

    In Anlehnung an das Martin Luther zugeschriebene Wort vom Apfelbäumchen, das er angesichts des Weltuntergangs noch pflanzen würde, prognostizierte Hoimar von Ditfurth 1985 das baldige Ende der Menschheit - womit sie sich, wie er stets betonte, nahtlos in die Evolutionsgeschichte einfügen würde.

    "Auch Arten sind selbstverständlich nur beschränkt lebensfähig. Dass 99,9 Prozent aller Tier und Pflanzenarten, die es auf der Erde je gegeben hat, zu den ausgestorbenen Arten gehören, belegt dass. Uns selbstverständlich gilt das grundsätzlich auch für unsere Art, weil wir auch noch immer Mitglieder einer biologischen Spezies sind, für die alle die Gesetze gelten, die für die gesamte belebte Natur gelten. Also das steht fest, die Frage ist also nur: ob es so weit ist? "

    Der ruhige Ton, den er anschlug, ist auch typisch für das Buch. Der bekannte Wissenschaftsjournalist war kein Apokalyptiker, der sich an lustvoll ausgemalten Schreckensvisionen weidete, sondern leitete sachlich und mit einem fast schon empörenden Mangel an Empathie unser aller Ende her. Verantwortlich für den Zusammenbruch machte er zum einen die angehäuften Atomwaffen der Supermächte, an deren baldigem Einsatz er nicht zweifelte. Zum anderen war er davon überzeugt, dass der zerstörerische Umgang der Menschheit mit ihrer natürlichen Umwelt sicher und in absehbarer Zeit zum Zusammenbruch der Biosphäre führen würde - wobei er die ökologischen Probleme im Wesentlichen als Folgen der "Überbevölkerung" der Welt ansah.

    "Es verhungern heute schon jährlich 40 Millionen Menschen. Das ist mehr als Stalin und Hitler gemeinsam im vergleichbaren Zeitraum zustande gebracht haben an Menschopfern und wenn hier die alle auf menschenwürdiges Dasein hieven würden, dann würden schon heute Biosphäre und Wasser und Böden und Klima zusammenbrechen. Das ist die nüchterne Situation."

    "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit!" war, wie alle Titel des Autors, ein echter Bestseller und über zwei Jahre lang auf den vorderen Plätzen der Verkaufslisten zu finden. Und das, obwohl das Buch eine wirklich schwer verdauliche Pointe hatte.

    In der Hand haben wir die Atombombe und im Herzen die Instinkte der steinzeitlichen Ahnen.
    So zitiert Ditfurth Konrad Lorenz. Ihm folgend kommt er zu dem Schluss, dass genau die Eigenschaften und Verhaltensmuster, die die Gattung Mensch im Laufe der Evolution vorangebracht haben, heute dafür verantwortlich sind, dass sie nicht von einem bereits als falsch erkannten Weg abweicht. Als Beispiel nennt er das "Revierverhalten", das letztlich zum Atomkrieg führen wird, oder das "Expansionsstreben", das alle Ressourcen verbraucht und vernichtet.

    Der Gedanke erscheint somit nicht abwegig, dass es letztlich die genetische Beschränktheit unseres kognitiven Horizonts ist, die unaufhebbare Unzulänglichkeit unseres die Welt abbildenden Erkenntnisapparates, die unserem hoffnungslosen, unbelehrbaren Versagen gegenüber allen ökologischen Erfordernissen als zentrale Ursache zugrunde liegt.

    Wegen dieser resignierten Analyse wurde das Buch trotz seines Erfolges kein Klassiker der Ökobewegung. Die brauchte Kampfschriften für eine bessere Zukunft und keine Untergangspropheten, die Überlegungen anstellen, wie man sich mit dem nahenden Ende versöhnen kann - so wie es Ditfurth im letzten Kapitel seines Buches tut. Aus heutiger Sicht sind dennoch vor allem die Abschnitte des Buches interessant, in denen es um unsere kognitive Fähigkeiten und dem daraus abgeleiteten Umgang mit der Umwelt geht. Hier zeigt der frühere Professor für Psychiatrie und Neurologie, wie gute Populärwissenschaft aussehen kann, gerade weil seine Ausführungen etwas Spekulatives haben. Dagegen fallen die Passagen, in denen er sich damals am sichersten wähnte, deutlich ab. Bei den Prognosen zum Atomkrieg und zum Zusammenbruch der Biosphäre lag er, nicht nur, was den Zeithorizont angeht, daneben - was immerhin seine These stützt, dass Menschen die Dynamik und Komplexität von Ökosystemen nicht erfassen können. Das konnte auch Hoimar von Ditfurth, der im November 1989 starb, nicht. 25 Jahre nach Erscheinen des Buches lässt sich sagen, dass Systeme - auch soziale und ökologische - nicht einfach in ein Chaos oder eine Apokalypse hinein kollabieren. Sie haben sich als deutlich stabiler und anpassungsfähiger erwiesen als von Ditfurth angenommen hatte. Und wer heute ein Apfelbäumchen pflanzt, darf nach wie vor hoffen, auch noch dessen Früchte genießen zu können.

    Hoimar von Ditfurth:
    So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit. Originalausgabe 1985, Rasch und Röhring Verlag, Hamburg, 432 Seiten
    (nur noch antiquarisch zu erwerben)

    ISBN: 978-3-891-36033-0