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"Eine solche Entschädigung gibt es nicht"

Eines der beliebtesten Urlaubsländer wird von starken Unruhen heimgesucht: Tunesien. Viele Touristen wurden bereits außer Landes gebracht. Kay P. Rodegra, auf Reiserecht spezialisierter Anwalt, erklärt, ob Reiseteilnehmer mit einer Rückerstattung ihres Geldes rechnen können.

Kay Rodegra im Gespräch mit Theo Geers | 17.01.2011
    Theo Geers: Der Urlaub war jäh zu Ende. Da hatte man sich gefreut und stattdessen geriet man mitten in eine Staatskrise, und das auch noch mit dem vollen Programm: Schüsse, Panzer, Tränengas. Die Rede ist von Tunesien. Mit einem Kraftakt haben am Wochenende die großen Reiseveranstalter die deutschen Touristen aus Tunesien zurückgeholt, und da stellen sie jetzt jede Menge Fragen. Fragen für Kay Rodegra, Anwalt in Würzburg und Spezialist für Reiserecht. Guten Tag, Herr Rodegra.

    Kay Rodegra: Guten Tag, Herr Geers.

    Geers: Herr Rodegra, fangen wir an mit den Zwangsrückkehrern vom Wochenende. Zu früh zurück aus dem Urlaub. Gibt es jetzt Entschädigung für entgangene Urlaubstage und Urlaubsfreuden?

    Rodegra: Nein, eine solche Entschädigung gibt es nicht. Der Reiseveranstalter hat hier das Recht, die bislang erbrachten Leistungen voll abzurechnen. Der Urlauber selbst kriegt, wenn überhaupt, nur einen kleinen Teil seines Reisepreises zurück, aber keine zusätzliche Entschädigung.

    Geers: Wie hoch ist denn die anteilige Erstattung in solchen Fällen?

    Rodegra: Das hängt vom Einzelfall ab, nämlich das, was der Reiseveranstalter nachweislich erspart hat, dadurch dass der Reisekunde früher aus dem Urlaub zurückgeflogen ist. Das hängt wirklich vom Einzelfall ab und oft läuft das gegen null.

    Geers: Ist es immer eine Einzelprüfung bei jedem einzelnen Touristen?

    Rodegra: Ja, es ist immer eine Einzelprüfung. Eine pauschale Erstattung kennt das Gesetz hier nicht. Und wenn der Veranstalter nachweisen kann, er hat tatsächlich nichts mehr in der Kasse, dann braucht er auch nichts an den Kunden zurückerstatten bei einer Kündigung wegen höherer Gewalt. So sind nämlich diese Fälle rechtlich zu bewerten.

    Geers: Wie ist das denn mit den Zusatzkosten, Herr Rodegra, etwa für eine Bahnreise? Da wird man dann ausgeflogen, landet aber statt in Hannover zum Beispiel in Köln.

    Rodegra: Theoretisch, so sagt es zumindest das Gesetz, können Mehrkosten der verfrühten Rückreise und zum Zielort hälftig auf beide Vertragsparteien, also Reiseveranstalter und Reisekunde, aufgeteilt werden. Aber wenn der Reisekunde jetzt sagt, er hat Mehrkosten dadurch, dass er mit der Bahn in Deutschland noch fahren musste, kann der Reiseveranstalter sagen, na ja, ich hatte ja auch viel mehr Kosten dadurch, dass ich eine Sondermaschine eingesetzt habe, und dann rechnet sich das auf. Theoretisch ist sogar denkbar, dass der Reisekunde auch noch für den verfrühten Rückflug oben etwas draufzahlen muss.

    Geers: Das heißt, wenn man nichts draufzahlen muss, oder wenn man zum Beispiel eine Bahnfahrt dann erstattet bekommt, oder einen Gutschein bekäme, dann kann man im Grunde froh sein? Das ist dann eine Kulanzregelung des Reiseveranstalters?

    Rodegra: Das ist eine sehr kundenfreundliche Kulanzregelung des Reiseveranstalters, die man dann auch dankend entgegennehmen sollte.

    Geers: Kommen wir zu denen, Herr Rodegra, die auf gepackten Koffern sitzen beziehungsweise saßen. Die Veranstalter haben alle Tunesien-Reisen bis zum 21. beziehungsweise 24. Januar erst einmal abgesagt und bieten nun an umzubuchen. Muss ich mich darauf einlassen?

    Rodegra: Nein. Auf Umbuchungen muss man sich nicht einlassen. Die Reiseveranstalter haben auch hier die Reisen wegen höherer Gewalt gekündigt. Die Rechtsfolge ist da, dass der Reisekunde den vollen Reisepreis ohne Abzüge erstattet bekommt, und diese Umbuchungen, die jetzt angeboten werden, das ist so ein bisschen Kundenbindung von den Reiseveranstaltern. Die wollen ihren Kunden nicht verlieren. Man muss sich darauf aber nicht einlassen, dass man jetzt statt nach Tunesien plötzlich nach Marokko reisen soll.

    Geers: Das heißt, ich muss mir keine Angebote vorsetzen lassen und die dann akzeptieren?

    Rodegra: Nein. Das kann man alles ablehnen. Wenn die Kündigung wegen höherer Gewalt ausgesprochen wird, dann ist die Rechtsfolge, der Reisepreis muss zurückbezahlt werden und beide Vertragsparteien gehen auseinander.

    Geers: Kann ich mein Geld auch zurückverlangen, wenn ich gar keine Reise mehr nach Tunesien antrete?

    Rodegra: Gar keine Reise? Sie meinen jetzt sicherlich in der Zukunft, dass ich im Mai oder Juni fahren wollte?

    Geers: Genau.

    Rodegra: Die kann man noch nicht kündigen wegen höherer Gewalt, denn da kennen wir die Gefahrenlage noch nicht. Derzeit ist es nur möglich, Reisen nach Tunesien aufgrund höherer Gewalt zu kündigen, die diese Woche und nächste Woche stattfinden. Da kann sowohl der Reiseveranstalter wie auch der Reisekunde kündigen. Aber für Reisen im Sommer, da ist die Lage noch zu ungewiss, ob überhaupt noch eine Gefährdung besteht.

    Geers: Das heißt, da komme ich aus der Buchung nicht wieder heraus, selbst wenn ich jetzt es mir anders überlege und sage, na ja, Tunesien ist vielleicht doch ein heißes Pflaster, da will ich nicht mehr hin im Sommer?

    Rodegra: Da kommt man jetzt leider nicht heraus. Die reine Sorge davor, dass es immer noch schlimm sein könnte im Sommer, rechtfertigt noch nicht zur Kündigung. Dann ist es eine Stornierung und eine Stornierung sorgt dafür, dass der Reiseveranstalter Stornokosten geltend machen kann. Das kann er eben bei einer Kündigung wegen höherer Gewalt nicht.

    Geers: Nun gibt es ja auch noch Urlauber, die buchen gar keine Pauschalreise, sondern nur einen Flug. Was machen die denn?

    Rodegra: Die haben schlechtere Karten, denn bei einem Nur-Flug gibt es diese Kündigungsmöglichkeit wegen höherer Gewalt nicht. Gehen jetzt die Flüge ab Frankfurt, ab Düsseldorf nach Tunis los und ich habe ein gültiges Ticket, muss ich quasi mitfliegen. Wenn ich nicht mitfliege, kriege ich den Ticket-Preis nicht erstattet, nur einen ganz kleinen Teil, nämlich nicht verbrauchte personenbezogene Steuern und Gebühren. Das ist aber nur ein minimaler Teil. Ansonsten darf die Fluggesellschaft den Flugpreis einbehalten, weil es eben dieses Rechtsinstrument der höheren Gewaltkündigung beim Nur-Flieger nicht gibt.

    Geers: Letzte Frage, Herr Rodegra, und Bitte um eine kurze Antwort. Generell gefragt: Was mache ich eigentlich als Urlauber, wenn in meinem Urlaubsland die Revolution ausbricht? Muss ich da abwarten mit dem Kofferpacken, bis die Reiseleitung mich dazu aufruft?

    Rodegra: Nein. Man sollte immer sofort Kontakt zum Reiseveranstalter suchen, denn der weiß Bescheid über die Gefahrenlage. Er muss mich sogar auch darüber informieren. Er hat eine Fürsorgepflicht. Und wenn die Medienberichterstattung zeigt, in dem Land ist es wirklich gefährlich, dann hat man hier die Möglichkeit, die Reise wegen höherer Gewalt zu kündigen, und muss dann sofort zurückgebracht werden.

    Geers: Dankeschön! Das waren Antworten von Kay Rodegra zum Reiserecht bei Tunesien-Urlaubern.