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Eine Stimme der syrischen Opposition

In Syrien gehen die Regierungstruppen immer schärfer gegen Protestierende vor. Barada TV sendet aus London per Satellit und über das Internet Bilder, Informationen und verdeckt aufgenommene Videos über den Protest gegen Präsident Assad. Laut WikiLeaks soll der Oppositionssender mit Geld aus den USA finanziert werden.

Von Ruth Rach | 02.05.2011
    Syrien ist ein sehr reiches Land. Die Rapper singen über das Leben in Syrien. Die Bilder des Musikvideos zeigen, wie Präsident Assad und seine Familie im Luxus leben, während die Bevölkerung ihr Essen auf Müllhalden zusammensuchen muss.

    Ibrahim Almeriy ist Direktor von Barada TV, ein regimekritischer syrischer Fernsehsender. Auch ein Jugendprogramm mit viel Musik sendet Barada von London aus per Internet und über Satellit. Das Flaggschiff ist aber die Politiksendung "Panorama": Zwei Stunden täglich Nachrichten, Interviews und verdeckt aufgenommene Videofilme direkt aus Syrien, jeden Abend von halb sieben bis halb neun.

    Unsere Sendungen können in weiten Teilen des Nahen und im Mittleren Osten empfangen werden, sagt Ibrahim Almeriy. Die Resonanz sei enorm, besonders aus Syrien: E-Mails, Zuschriften, Telefonanrufe. Auf mehrere Millionen schätzt der Direktor die Zahl der Zuschauer.

    "Barada versteht sich als die Stimme der Menschen, die in Syrien eine Revolution begonnen haben, und dort auf friedlichem Weg für demokratische Veränderungen kämpfen. Wir zeigen ihnen, wie Demokratie in verschiedenen Ländern funktioniert. Und wir stellen das syrische Regime bloß, das sein eigenes Volk niedermetzelt."

    Auf ihrer Webseite soll das dokumentiert werden. Der Sender sammelt Beweise: Ibrahim Almeryi klickt die Schaltfläche "for your own eyes" an:

    Schwerverletzte und Tote mit Schusswunden sind zu sehen, dazwischen eingeblendet Kampfrufe von Protestierenden: "Wir lassen uns nicht demütigen".
    Aber: Sind die Bilder echt? Wie überprüfen die Mitarbeiter ihre Quellen?

    "Jeder Syrer erkennt das Straßenbild, die vertrauten Gebäude, die Denkmäler."

    Zehn Mitarbeiter hat der Sender Barada TV. Seit Ausbruch der Proteste machen sie zahlreiche Überstunden. Meist stammen sie aus syrischen Exilkreisen, wie Gahib Al Ah-Rachi ein Student aus Deutschland.

    "Als Syrer fühl ich mich verpflichtet, diese einfachen Menschen, die für ihre einfachen Rechte kämpfen zu unterstützen. Meine Hauptaufgabe ist, die Anrufe entgegenzunehmen, meinen Gast zu interviewen und hoffentlich manche Sachen, die das Regime gerne unter dem Tisch versteckt hätte, herauszubringen durch die zwei Stunden live Show täglich."

    Ibrahim Almeriy spricht in diesem Zusammenhang über eine unheilvolle Allianz zwischen Syrien und dem Iran.

    "Augenzeugen haben uns gemeldet, dass rund 3000 iranische Soldaten in Syrien im Einsatz seien, um die Menschen zu töten. Sie sind besonders leicht zu identifizieren, weil viele nicht einmal Arabisch sprechen."
    Vor Kurzem meldete die amerikanische Zeitung "Washington Post" - unter Berufung auf die Enthüllungsplattform WikiLeaks – Barada TV habe Gelder aus den USA erhalten, möglicherweise sogar von der amerikanischen Regierung. Gerüchte kamen auf, die gesamte syrische Opposition werde von Washington finanziert. Angesprochen auf diese Kritik verweist Ibrahim Almeriy auf die Webseite von Barada TV:

    "Dort steht klipp und klar, dass Barada TV von verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen im Westen und in den USA unterstützt wird, darunter dem Democracy Council Washington. Hinzu kommen Mittel von privaten Spendern innerhalb und auβerhalb Syriens, die anonym bleiben wollen. Woher die NGOs ihre Gelder haben, ist für Barada unwichtig, solange sie bedingungslos vergeben werden."
    Ibrahim Almeriy ist von den arabischen Ländern enttäuscht: Sie schweigen, während die syrische Bevölkerung getötet wird, sagt er. Und er lobt den Westen, der das Vorgehen des syrischen Regimes explizit verurteile. Eines Tages werden die verantwortlichen Politiker, allen voran Präsident Baschir al-Assad vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden, hofft der Exiljournalist.

    "Unsere größte Angst ist, dass noch viel mehr unschuldige Zivilisten getötet werden. Dennoch werden immer mehr Menschen demonstrieren, und letztendlich wird die syrische Bevölkerung gewinnen."

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    Der arabische Aufstand