Mittwoch, 24. April 2024

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"Eine tolle Leistung der Großen Koalition"

Das vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte umfassende Maßnahmenpaket zum Klimaschutz hat der Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Europäischen Wirtschaftshochschule in Berlin, Professor Lutz Wicke, als hervorragende Leistung der Großen Koalition gewürdigt. Zwar müsse der Bundestag noch zustimmen, aber wenn diese Maßnahmen wirklich auf den Weg gebracht würden, dann hätte die Regierung ihre klimapolitischen Hausaufgaben hervorragend gemacht.

Moderation: Dirk Müller | 05.12.2007
    Müller: Das Ziel ist sehr ehrgeizig. Den CO2-Ausstoß reduzieren bis zum Jahr 2020 und das um 40 Prozent. Dies hat sich die Bundesregierung fest vorgenommen. Wie das allerdings gehen soll, war lange Zeit in der Großen Koalition sehr umstritten. Da standen die Interessen des Umweltministers gegen die Interessen des Wirtschaftsministers. Heute hat sich das Kabinett geeinigt und die ersten Maßnahmen vorgestellt.

    Bei uns am Telefon begrüße ich nun Professor Lutz Wicke, Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Europäischen Wirtschaftshochschule in Berlin. Guten Tag!

    Wicke: Schönen guten Tag!

    Müller: Herr Wicke, das sind viele Einzelmaßnahmen. Versuchen wir, das Ganze zu betrachten. Verdient dieses Maßnahmenpaket, was wir bislang kennen, das Prädikat "clever"?

    Wicke: Das ist sowohl clever. Es ist auch eine tolle Leistung der Großen Koalition. Das muss man klar sagen. Ich kritisiere häufig, aber dieses ist wirklich hervorragend. Allerdings zunächst einmal steht es auf dem Papier. Die Frage ist, wie wird es durch den Bundestag durchgehen und wie wird es dann tatsächlich umgesetzt. Aber insgesamt macht Deutschland mit diesem Programm, wenn es denn vollständig umgesetzt wird, seine klimapolitischen Hausaufgaben wirklich hervorragend.

    Müller: Das kann man heutzutage 2007 vor dem Hintergrund der Haushalts-, Finanz- und Steuerdiskussion immer noch so einfach sagen? Maßnahmenpakete, die Geld kosten, sind clever?

    Wicke: Ich denke schon. Das Umweltbundesamt hat hier entsprechend ausrechnen lassen, dass unabhängig vom klimapolitischen Effekt oder von dem Effekt auf das Klima selber die Maßnahmen sich rechnen. Das heißt, dass durch Ersparnisse mehr gewonnen wird als aufgewandt wird. Von daher ist das in der Tat gut. Man muss allerdings feststellen, dass natürlich die Hauptschlacht in Bezug auf den Klimaschutz an der internationalen Front geschlagen wird. Wenn dort nicht weiteres passiert, werden wir keine Chancen haben, das Klimaproblem tatsächlich in den Griff zu bekommen.

    Müller: Kann der Bundesbürger nur davon profitieren und verdienen, wenn er viel Geld hat, was er ausgeben und investieren kann?

    Wicke: Nein, nein. Auch die Mieter werden letzten Endes davon profitieren, wenn insgesamt weniger Geld dafür verwendet wird, beispielsweise die Häuser heizen zu müssen, oder weniger ausgegeben wird. Von daher profitieren letzten Endes alle durch die Einsparung an Energie.

    Müller: Aber, Herr Wicke, fast jeder muss zunächst einmal in die Tasche greifen?

    Wicke: In der Tat ist es so, keine Frage. Die Beiträge beim Strom beispielsweise werden höher werden, weil die Einspeisung von erneuerbaren Energien teuerer wird, keine Frage. Das ist in der Tat etwas, was Deutschland als Vorleistung erbringt. Aber nochmals betont: diese Vorleistung ist okay, aber sie bringt auf Dauer nur etwas, wenn tatsächlich weltweit das Klimaproblem ernsthaft geregelt wird und wenn nicht dann die deutschen Maßnahmen ein Tropfen auf dem heißen Stein sind.

    Müller: Dann könnte man auch böswillig sagen, es ist im Grunde blauäugig, weil die anderen sich nicht darum scheren werden?

    Wicke: Ich denke Angela Merkel hat mit dem Ansatz, dass man eine Gleichverteilung der Rechte auf die Atmosphärenbelastung durchführt, inzwischen begriffen, dass nur auf diese Art und Weise die Entwicklungs- und Schwellenländer und damit dann später auch andere Länder für den Klimaschutz gewonnen werden können, dass man mit diesem Weg tatsächlich noch eine Chance hat, weltweit den Durchbruch zu erreichen. Aber da muss ganz schnell gehandelt werden.

    Müller: Herr Wicke, Sie haben den Horizont jetzt größer gezogen. Wir machen ihn nicht so groß, gehen nach Frankreich, gehen nach Tschechien. Kommen wir da einen Schritt weiter?

    Wicke: Gerade die Europäische Union hat sich ja bei ihren Beschlüssen auf ein gemeinsames Ziel geeinigt, als Angela Merkel und Deutschland die G8-Präsidentschaft durchgeführt hat. Von daher können wir Europäer wirklich erhobenen Hauptes nach Bali fahren und hoffentlich dann auch andere überzeugen. Es müssen aber wie gesagt auch weitergehende Maßnahmen und weitergehende Schritte dann erfolgen.

    Müller: Ist es mit Blick auf den CO2-Ausstoß denn clever, nach wie vor auf Kohlekraftwerke zu setzen?

    Wicke: Es ist dann clever, wenn wir vorsehen, dass diese Kohlekraftwerke nachgerüstet werden müssen, denn keinesfalls dürfen wir in den nächsten 30, 40 Jahren weiterhin Kohle ohne CO2-Abscheidung verbrennen und dann in die Atmosphäre pusten. Weltweit muss es interessant sein, mit CO2-armen oder CO2-freien Kohlekraftwerken zu operieren. Das funktioniert aber nur, wenn weltweit der CO2-Ausstoß einen Preis erhält.

    Müller: Herr Wicke, gehen wir auf einen anderen konkreten Punkt ein. Die KFZ-Steuer soll sich künftig am CO2-Ausstoß eines jeden Fahrzeuges orientieren. Wird das wiederum die Branche, die Produktion verändern?

    Wicke: Das soll in der Tat die Branche verändern. Es sollen weitere Anreize entstehen, dass man mit CO2-armen, energieeffizienten Fahrzeugen fährt. Dies ist in der Tat sehr wichtig und auch der Ansatzpunkt der Europäischen Union, dass man bei der Kraftfahrzeugflotte einen Durchschnittsausstoß an CO2 haben sollte, ist von ganz großer Bedeutung.

    Müller: Wir reden ja insgesamt über dieses erste Paket, über die ersten Vorschläge von insgesamt 29 Eckpunkten. So wird das jedenfalls von der Bundesregierung formuliert. Das ist ja schwer, das einzeln zusammenzurechnen und zu sagen, wir sind da auf dem richtigen Weg beziehungsweise wir können diese Zielvorgabe auch erreichen. Reden wir realistischerweise tatsächlich darüber, dass diese Zielvorgabe bis 2020 - ob das nun 35 Prozent oder 40 Prozent Reduzierung sind - tatsächlich erreicht werden kann?

    Wicke: Darüber gibt es natürlich Diskussionen, ob es dann in der Realität so umgesetzt werden kann. Aber alleine die Tatsache, dass man sich ein konkretes Maßnahmenpaket vorgenommen hat, dieses konkret unterlegt und es dann auch wirklich umsetzen will, ist ein unglaublicher gewaltiger Fortschritt gegenüber früher. Ich darf erinnern, ohne dabei parteipolitisch zu werden, dass in den sieben Jahren rot/grüne Koalition wir in Deutschland gerade mal 4 Prozent CO2 gemindert haben. Wenn dies umgesetzt werden sollte, was die Große Koalition gegenwärtig auf den Weg gebracht hat, dann kommen wir sehr viel weiter als in der Vergangenheit.

    Müller: Jetzt müssen Sie uns, Herr Wicke, noch verraten, was Ihnen fehlt.

    Wicke: Was mir fehlt ist die klimapolitische Komponente auf dem internationalen Sektor. Wenn der Ansatz, den Frau Merkel macht, dass wir weltweit die Rechte am Klimagasausstoß gleich verteilen, damit verbunden und umgesetzt werden sollte, haben wir eine Chance, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer aktiv mit teilnehmen. Das geht nicht von jetzt auf gleich, aber es muss vorbereitet werden und wenn wir das schaffen, dann haben wir auch eine Chance, die anderen zögernden Länder, Industrieländer mit in das Klimaschutzsystem einzubeziehen. Kopenhagen 2009 oder die Nachfolgekonferenz muss dann tatsächlich ein Folgeabkommen von Kyoto bringen.