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Eingeständnis
Weltbank hilft bei Vertreibung

Die Weltbank hat Fehler bei der Umsetzung von Hilfsprojekten eingeräumt. Sie hatte Maßnahmen der vergangenen zwanzig Jahre untersucht, die zu einer Umsiedlung von Menschen geführt hatten. Nichtregierungsorganisationen werfen der Weltbank seit Längerem vor, nicht ausreichend auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.

Von Christoph Heinzle | 05.03.2015
    Jim Yong Kim, im Hintergrund fast alle Landesflaggen der Erde in einem Kreis angeordnet.
    Weltbank-Präsident Jim Yong Kim im Oktober 2014 beim Jahrestreffen von Weltbank und IWF in Washington. (picture alliance / dpa / Shawn Thew)
    Offene Töne aus Washington: Es ist ein massives Eingeständnis, das Weltbank-Präsident Jim Yong Kim da veröffentlichte. In einer schriftlichen Erklärung äußerte er "tiefe Sorge" über Umsiedlungsprogramme der internationalen Entwicklungsbank. Man habe mehrere große Probleme gefunden: unzureichende Überwachung der Projekte und mangelhafte Umsetzung der Programme. Zudem müsse strenger geprüft werden, ob die Vorgaben der Weltbank eingehalten werden, so Kim.
    Der Zeitpunkt des Eingeständnisses war bemerkenswert. Seit vergangener Woche drängten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Journalistenkonsortium ICIJ auf Antworten der Weltbank. Die Medien konfrontierten die Bank mit vorläufigen Ergebnissen aus monatelangen Recherchen auf Grundlage von Weltbank-Dokumenten. Demnach wurden in den vergangenen zehn Jahren durch hunderte Projekte offenbar mehrere Millionen Menschen umgesiedelt und teils gewaltsam vertrieben. Eine Stellungnahme dazu blieb die Weltbank bislang schuldig, Interviewzusagen gab es nicht.
    Menschenrechtler gegen Umsiedlungsprojekte
    Auch Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Umsiedlungspolitik der Weltbank seit Jahren. Die Weltbank habe nicht immer einen Überblick, was mit ihrem Geld für Projekte genau passiere, sagt etwa Knud Vöcking, Weltbank-Experte der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald. Es gebe zwar brauchbare Standards, aber massive und strukturelle Mängel bei deren Umsetzung.
    "Das wichtigste Problem ist, dass sie das eine sagen und das andere tun. Es ist ein großes Problem. Sie haben 10.000 Leute in der Weltbank, und sie haben eine hervorragende Analyseabteilung, die gute Papiere schreiben, die Probleme aufzeigen. Nur das, was sie an Problemen aufzeigen, findet sich im operativen Geschäft absolut nicht wieder. Und da gibt es auch gute Richtlinien, die aber nicht implementiert werden."
    Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien
    Erst im Januar hatte der Internationale Rechercheverbund über Menschenrechtsverletzungen bei einem Großprojekt in Äthiopien berichtet. Mitverantwortung dafür räumte auch ein weltbankinterner Bericht ein.
    Einer der Betroffenen ist der 22-jährige Odoge Otiri. Er floh in den Südsudan, weil er Schutz suchte vor den Soldaten seines Heimatlands Äthiopien. Er hatte sich gegen ein Umsiedlungsprogramm gestellt, bei dem seine Regierung über mehrere Jahre hinweg zehntausende Menschen der Volksgruppe der Anuak umsiedeln ließ. Odoge Otiri ist Anuak.
    "Als sie kamen und ich sagte, das Programm ist nicht in meinem Interesse, nahmen sie mich mit und schlugen mich mit Stöcken. Sie schlugen auf meine Gelenke, bis meine Hände und Beine wie gelähmt waren. Sie haben dann nur von mir abgelassen, weil sie dachte, ich sei schon tot."
    Weltbank will Konsequenzen ziehen
    Wie er sollten knapp zwei Millionen Menschen die abgelegenen, aber fruchtbaren Regionen in Äthiopien verlassen, um - so das Ziel - besseren Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen zu erhalten. Das fördert in der Region auch ein großes Weltbank-Projekt, das mit dem Umsiedlungsprogramm verbunden ist. Von gewaltsamen Vertreibungen, willkürlichen Verhaftungen, Körperverletzungen, Vergewaltigungen und sogar Toten berichtet Human-Rights-Watch-Expertin Jessica Evans:
    "Wir haben eine Menge Probleme gewonnen. Zum einen gewalttätige Übergriffe durch die Sicherheitskräfte, und zum anderen, dass die versprochene Versorgung der Umgesiedelten an ihre neuen Wohnorte einfach nicht sichergestellt wurde."
    Die Weltbank hat sich jetzt nach eigenen Angaben eine ganze Reihe von Projekten angesehen und zieht Konsequenzen. "Wir müssen und wir werden es besser machen", versprach jetzt Weltbank-Chef Kim. Einige Reformen wurden nach seinen Angaben bereits eingeleitet.

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