Die biographische Erzählung über Harold Acton ist einer von vier Texten, die in dem Band "Einige bemerkenswerte Männer" versammelt sind. Außer Acton handelt es sich bei den Bemerkenswerten um Jean Cocteau, den Maler Balthus - und um Giacometti, der für James Lord offensichtlich den Inbegriff des genialen Menschen verkörpert und dessen Uneitelkeit, Bescheidenheit und soziale Unambitioniertheit er bewundert - vielleicht, weil er sie selbst nicht besitzt. Auch die anderen drei Protagonisten des Buches entsprechen nicht dem Ideal, im Gegenteil. Das geheime Thema der Texte über Cocteau, Acton und Balthus ist die Geschichte der Selbststilisierung und der Selbstkostümierung als Begleiterscheinung künstlerischer Existenz. James Lord analysiert die Formen manirierter Lebensstile derart genau, daß man annehmen muß, er sei ihnen durch Haßliebe und faszinierte Abwehr verbunden. Da ist Jean Cocteau, den die affige Ruhmsucht künstlerisch behindert. Oder Balthus, der Maler bürgerlicher Herkunft, der vom Adel besessen war, sich und seiner Umgebung so lange suggerierte, blaublütig zu sein, bis diese Legende den Status der Tatsache annahm. Und Harold Acton, der Sohn einer hochkultivierten englischen Familie, der im Paradies einer florentischen Renaissancevilla aufwuchs und aus dem nie ein guter Schrifsteller wurde, da er immer blieb, was er von Anfang an war: ein ängstlicher, am Elternhaus klebender Sohn und Erbe, der in den Bohèmes der Welt zu Hause war und als 50jähriger Mann noch heimlich über die Mauer der Villa kletterte, wenn er nachts von amourösen Abenteuern mit italienischen Soldaten heimkehrte. Aus seiner Homosexualität machte Acton zeitlebens ein Geheimnis. James Lord aus der seinen nicht.
Man erfährt überhaupt so en passant recht viel Autobiographisches über den Autor selbst, sein Leben zwischen Europa und Amerika in den 50er und 60er Jahren, seine Gedanken, in diesen Studien, die eigentlich von anderen handeln, die elegant und unterhaltsam geschrieben und äußerst angenehm zu lesen sind. Auf dem Umweg über das Sachbuch ist James Lord doch noch Schriftsteller geworden.