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Diesel-Skandal
VW will mit Verbraucherschützern über Vergleich verhandeln

Im Diesel-Betrug durch VW warten Hunderttausende Autofahrer in Deutschland auf Schadenersatz. Bisher hatte sich der Konzern gegen einen Vergleich gesträubt. Nun hat das Unternehmen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband Gespräche aufgenommen - auch durch den Druck der Musterfeststellungsklage.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 02.01.2020
Auspuff mit Abgasen eines Verbrennungsmotors
Vier Jahre nach dem Diesel-Skandal macht die rechtliche Aufarbeitung Fortschritte (imago images / Michael Weber)
Dass Volkswagen und der Verbraucherzentrale Bundesverband VZBV nun doch direkt miteinander sprechen werden, dürfte dem Oberlandesgerichts in Braunschweig zu verdanken sein. Seit Monaten hatte der zuständige Vorsitzende Richter für Verhandlungen zwischen VW und den Verbraucherschützern geworben – die nun angekündigten Gespräche hält VZBV-Vorstand Klaus Müller für ein gutes Zeichen:
"Wir werden jetzt sehen, ob wir einen Vergleich erreichen können. Das ist bisher nicht sicher. Aber dass jetzt vier Jahre nach Beginn des Diesel-Skandals auch in Deutschland neue Bewegung in die Sache kommt, ist ein positives Signal."
Vergleich zwischen VW und Verbrauchern als mögliche Lösung
Schon Ende September – gleich zu Beginn des bisher größten Gerichtsverfahrens für Dieselkunden in Deutschland – hatte das Braunschweiger OLG einen Vergleich vorgeschlagen. Volkswagen hatte sich jedoch Monate lang gesträubt, weil jede der rund 440.000 Klagen ein Fall für sich sei und damit gar nicht vergleichbar. Außerdem sei das Klageregister unvollständig gewesen, hieß es aus Wolfsburg. Volkswagen wollte sich bis zum Mittag nur schriftlich äußern und verweist gegenüber unserem Programm auf die gemeinsame Erklärung mit den Verbraucherschützern: Gemeinsam wolle man eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden suchen. Ob es am Ende tatsächlich zu einem Vergleich kommt, bleibt zunächst aber offen – ebenso wann, wo und wer genau mit wem verhandelt: Beide Seiten haben Vertraulichkeit vereinbart. VZBV-Vorstand Klaus Müller ist mit einem aber schon jetzt zufrieden:
"Diese Verhandlungen sind auch ein Zeichen dafür, dass das neue Instrument der Musterfeststellungsklage, einer Sammelklage, in Deutschland funktioniert."
Erst Ende 2018 war die sogenannte Musterfeststellungsklage in Deutschland eingeführt worden: Damit können Verbände – in diesem Fall die Verbraucherschützer – stellvertretend für Kunden oder Verbraucher gegen ein Unternehmen vor Gericht ziehen. Der VW-Dieselskandal ist dafür ein Paradebeispiel.
Verbraucher müssen Ansprüche zudem individuell durchsetzen
Beobachter hatten zu Beginn des Verfahrens mit einem jahrelangen Prozessmarathon vor Gericht gerechnet. Der könnte den betroffenen Diesel-Kunden nun erspart bleiben, falls es zu einem Vergleich kommt, sagt Klaus Müller:
"Das Gesetz sieht explizit die Möglichkeit eines Vergleiches vor und das würde ja bedeuten, dass im Erfolgsfall Geld fließt, ohne dass wir ein höchstrichterliches Urteil abwarten müssen. Dass diese Möglichkeit einer vergleichsweise schnellen Lösung im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher genutzt wird, ist aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes deshalb eine gute Nachricht."
Die Dieselkunden könnten im Falle eines Vergleichs also aller Voraussicht nach direkt entschädigt werden, allerdings müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche nach dem Musterurteil noch individuell durchsetzen. Ein Ende ist also auch nach über vier Jahren nicht in Sicht – im September 2015 hatte Volkswagen eingeräumt, weltweit in Millionen seiner Fahrzeuge eine illegale Software eingebaut zu haben. Stickoxide wurden dadurch nur im Prüflabor gesenkt, aber nicht auf der Straße. In den USA hat VW bereits Milliarden an Entschädigung an seine Kunden gezahlt, in Deutschland war der Autokonzern dazu bisher nicht bereit.