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Einkaufswagen aus Bayern
Shopping-Helfer der Zukunft

Von Kinderversionen bis zum Senioren-Modell mit Sitzbank und Bremse: Die Firma Wanzl baut mehr als 300 verschiedene Modelle von Einkaufswagen in Werken in Europa, China und in den USA. 1918 legte Rudolf Wanzl den Grundstein für den heute weltweit größten Hersteller für Einkaufswagen.

Von Torsten Thierbach | 22.07.2016
    Model Dina schiebt am 16.02.2014 am Stand der Wanzl Metallwarenfabrik auf der Handelsmesse Euroshop in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) einen Einkaufswagen-Studio, den sogenannten "Design Trolley".
    Mehr als 350 Millionen Euro Umsatz macht die Firma Wanzl mit ihren Einkaufswagen. (picture alliance / dpa / Marius Becker)
    Das Leben eines Wanzl-Einkaufswagens beginnt hier: Mitten in einer großen Maschinenhalle am Rande von Leipheim. Orangefarbene Roboterarme schwingen Drahtgitter hin und her, verrichten ihre Arbeit hinter mannshohen Absperrgittern. Dann durchzucken grelle Lichtblitze die Halle. In leuchtenden Farben blenden sie den Besucher. Gottfried Wanzl erklärt:
    "Da arbeitet ein Mitarbeiter mit zwei Robotern zusammen. Die machen aus einer vorgeschweißten Matte, aus Griffbügeln und aus einem Rahmen den gesamten Einkaufswagenkorb und schweißen den zusammen".
    Knapp zweieinhalb Minuten braucht es, dann ist ein Einkaufswagen im Grunde fertig, so Gottfried Wanzl, der Enkel des 2011 verstorbenen Firmengründers Rudolph. Was jetzt noch fehlt, sind Feinarbeiten und am Schluss das Zinkbad. Dort bekommen die Shopping-Cars ihre Glanzversiegelung. Danach geht’s raus zum Kunden. Mehr als 300 verschiedene Modelle hat Wanzl im Portfolio: von Kinderversionen mit 22-Liter-Körbchen bis zum Senioren-Modell mit Sitzbank und Bremse. Firmenchef Wanzl zählt auf:
    "Die größten, das sind so bis 300 Liter Inhalt, die werden hauptsächlich in Schweden nachgefragt, wo es dünne Besiedelung hat, im hohen Norden, wo man sehr weit fahren muss, um den nächsten Hypermarkt zu erreichen. Und wenn man eben schon mal dort ist, dann kauft man nicht nur für die Woche, sondern vielleicht auch gleich für den gesamten Monatsbedarf ein und da braucht man eben diese ganz großen Einkaufswagen."
    1949 ging der erste Einkaufswagen an einen Hamburger Supermarkt
    1918 legte Gottfried Wanzls Großvater, Rudolf Wanzl, den Grundstein für das heutige weltweit agierende Unternehmen, die Wanzl Metallwarenfabrik GmbH. Er hatte sich als Wagen- und Hufschmied selbstständig gemacht, in seiner tschechischen Heimat eine eigene Schmiede betrieben. Doch durch die Kriegswirren landete die Familie in den 40er-Jahren im bayerischen Leipheim. Und dort brauchte es eine neue Lebensgrundlage, erklärt der Enkel:
    "Mein Großvater hat dann hier in den Läden die Balance-Waagen, die Waagen mit zwei ‚A‘ geeicht, repariert und eingestellt und kam eigentlich so in die Geschäfte und hatte dann mit meinem Vater einen Mitstreiter an der Seite, mit dem man sich dann ganz mehr oder weniger verschrieben hat, was man in den Geschäften sonst noch braucht."
    Schon vor dem Krieg hatten Amerikaner die Idee von Selbstbedienungsläden. Mitte der 40er kamen dann auch die deutschen Händler drauf. Handkörbe aus Draht mussten her. Und der Wagen- und Hufschmied Rudolf Wanzl lieferte nicht nur die ersten Modelle, sondern verpasste dem Tragekorb wenig später auch gleich noch ein fahrbares Gestell mit Puppenwagenrädern. Der Einkaufswagen war geboren. 1949 gingen die ersten an einen Hamburger Supermarkt. Und Rudolf Wanzl tüftelte an weiteren Modellen, erinnert sich der Enkel:
    "Der hat diese zwei Etagen, wo dann die Handkörbe draufkommen. Und damit man zum unteren Korb hinkommt, kann man die obere Etage wegklappen. Jetzt kann man schön zu dem unteren Korb hinkommen. Oder, wenn er dann voll ist, wird er nach unten gestellt und dann stellt man den Leeren dann da oben drauf. Und man hat auf einen Schlag das Volumen verdoppelt, mit den zwei Handkörben drauf."
    Der Einkaufswagen als Firmenkern
    Mehr als 60 Jahre später Jahre ist Wanzl nicht nur der weltweit führende Hersteller von Einkaufswagen mit 4.000 Mitarbeitern. Das Familienunternehmen hat inzwischen auch Werke in Frankreich, Tschechien, England, China und in den USA. Jährlicher Umsatz im Einkaufswagenbereich: mehr als 350 Millionen Euro.
    Aber Wanzl baut inzwischen nicht mehr nur Einkaufs-, Gepäcktransport und Etagenwagen, sondern entwickelt komplette Shopping-Lösungen, liefert Leit- und Sicherheitssysteme, Paletten-, Regal- und Pfandsysteme. Und auch in diesen Segmenten hat das Unternehmen erfolgreich Fuß gefasst. Im Januar dieses Jahres gab es zum Beispiel zweimal den German Design Award: für ein flexibles Regalsystem und für eine vollautomatische Sicherheitsschleuse.
    Gottfried Wanzl erklärt, dass der Einkaufswagen für die Firma weiterhin 60 Prozent vom Umsatz ausmache:
    "Aber die anderen Sortimente, die rund um den Einkaufswagen unser Programm abrunden, also Regale, Warenpräsentation, Beleuchtung, Eingangsanlagen – das ist immer noch ein wachsendes Segment. Aber rund um den Einkaufswagen haben sich viele andere Produkte und Dinge ergeben. Aber der Einkaufswagen ist noch immer der gesunde, originäre Kern."
    Auch wenn sich Gottfried Wanzl 2015 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat, als Aufsichtsrats-Chef behält er die Entwicklung seines Unternehmens fest im Blick. Einige der Wanzl-Visionen bekommt nur zu Gesicht, wer einmal die Ausstellungsräume in der Leipheimer Firmenzentrale besucht hat. Im Untergeschoss hat das Unternehmen einen kompletten Supermarkt eingerichtet. Shopping-Vision 4.0 könnte man es nennen. Denn Regale, Produkte und Einkaufwagen tauschen Daten miteinander aus, erklärt der Firmenchef:
    "Wenn man, da die Waren drin hat, in diesem Wagen und fährt durch diese seitlichen Antennen durch, dann wird der ganze Warenkorb gescannt und die Produkte nach Stückzahl und Preis aufgenommen. Und dann kann man direkt an eine Bezahlstation weiterfahren und dann mit dem Handy direkt bezahlen und dann durch solche eine elektrische Einkaufsschleuse dann den freien Ausgang haben."
    Shopping-Vision 4.0
    Doch der Handel in Deutschland konnte sich - bislang zumindest - noch nicht für diese Wanzl-Vision entscheiden. Dafür gab es in diesem Jahr neue Aufträge u.a. aus Chile, Argentinien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dorthin wird Wanzl mehr als 7.000 Gepäcktransport- und Duty-Free-Wagen liefern. Die sollen an den Airports zum Einsatz kommen – und Firmenchef Wanzl freut sich auf Reisen über jedes Treffen mit seinen Lasteseln:
    "Besonders freue ich mich immer wieder an den Flughäfen, wenn man dann nicht nur einen Einkaufswagen, sondern auch einen Koffer-Kuli hat. Und man kommt mal auf einer Reise mal irgendwo ganz anders an. Und siehe da, man glaubt es kaum: Es sind Wanzl-Einkaufswagen oder Koffer-Kulis oder Gepäckwagen, die da einen erwarten. Da freut man sich natürlich besonders."