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Einmal Autopleite und zurück

Keine vier Jahre ist es her, da standen die US-Autoriesen GM, Chrysler und Ford am Abgrund. Nur milliardenschwere Hilfen der Obama-Regierung retteten die Branche vor dem Kollaps. Die Rettung der "Big Three" ist eine Erfolgsstory für den Präsidenten im Endspurt des Wahlkampfs.

Von Marcus Pindur | 01.11.2012
    Vor fast vier Jahren stand Barack Obama vor einer schweren Entscheidung. General Motors und Chrysler standen vor der Pleite. Ihnen mit Geld des Steuerzahlers wieder auf die Beine zu helfen, nach der unpopulären Rettung der Banken, das war nicht populär. Es war nach Ansicht der meisten Volkswirte trotzdem die richtige Entscheidung für Amerika. Das schwerwiegendste Argument für die Rettung war ein negatives: Wenn man GM und Chrysler nicht rette, dann sei der volkswirtschaftliche Flurschaden so groß, dass die USA von einer Rezession in eine Depression abrutschen würden.

    In der GM-Zentrale wurde bereits das Szenario durchgespielt. Pleite, Bestandsaufnahme, Versteigern des Bestandes an den Meistbietenden.

    David Green, damals Arbeiter im GM-Werk in Lordstown in Ohio, heute dort Chef der Betriebsgruppe der Automobilarbeitergewerkschaft, erinnert sich:

    "Das war im März 2009, als wir die Maschinen zum Bau des neuen Chevy Cruz installiert haben. Da kam alles zum Stillstand. Wir wussten nicht, ob wir die Kredite bekommen würden oder nicht. Wenn wir die nicht erhalten hätten, dann wäre unser Werk in die Liquidation gegangen. Hubschrauber flogen über dem Werk. Leute mit Schreibblöcken gingen durch die Hallen und machten Inventur. Man sagte uns, und wir glaubten das auch, dass die Maschinen wieder ausgebaut und an den Meistbietenden verkauft würden."

    Die Obama-Administration entschied sich für ein Verfahren nach Kapitel 11 des amerikanischen Insolvenzrechtes. Dieses erlaubt dem zahlungsunfähigen Unternehmen eine Restrukturierung unter gerichtlicher Aufsicht, bietet also einen Ausweg aus der Pleite. Die Gläubiger müssen während der Dauer des Verfahrens ihre Forderungen an das Unternehmen einfrieren.

    GM und Chrysler brauchten Cash, viel Cash, um aus der Pleite zu kommen. Mitt Romney argumentierte, die Kredite müssten private Investoren liefern, aber Kredite waren nicht zu haben auf dem Finanzmarkt, der kurz zuvor selbst implodiert war. So musste die Regierung einspringen. 19 Milliarden Dollar gingen vor der Insolvenz über den Tisch, über 80 Milliarden hinterher. Der Vorstand wurde gefeuert, und die Kredite mussten zurückbezahlt werden. Von den zirka 100 Milliarden Dollar hat die Regierung bis auf 14 Milliarden alles zurückbekommen - und das nur drei Jahre nach der Pleite.

    Heute ist die amerikanische Automobilindustrie wieder zurück: Von 10,4 Millionen verkauften Wagen 2009 auf 12,8 Millionen im letzten Jahr und voraussichtlich 13,8 in diesem. Das ist zwar immer noch ein gutes Stück von der Spitzenproduktion von 17,5 Millionen im Jahr 2006 entfernt, aber es geht diesmal aufwärts, nicht abwärts für die amerikanische Automobilbranche. Neue, spritzige und sparsame Modelle wie der Chevy Cruz verkaufen sich sehr gut, auch wenn amerikanische Marken aufgrund der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte immer noch ein Imageproblem haben, wie der Brancheninsider Dave Sullivan berichtet:

    "In Kalifornien fragen sich die Konsumenten: Möchte ich wirklich ein amerikanisches Auto kaufen? Im Inland bekommt man zu hören, GM sei doch ein Regierungsunternehmen."

    Der Lackmustest für die Zukunftsfähigkeit der amerikanischen Automobilbranche ist internationale Konkurrenzfähigkeit. Und auf den wachsenden Märkten der Zukunft in Asien ist GM nur im einstelligen%bereich vertreten, wenn auch mit starken Wachstumszahlen. GM will auf diesen Märkten vertreten sein. Ab nächstem Jahr wird Chevrolet einen neuen, siebensitzigen Mini-Van in Indonesien produzieren.