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Einmischung in politische Debatten durch Historiker
Hoeres: Verabschiedete Resolution ist unausgewogen

Der Neu-Historiker Peter Hoeres kritisiert die auf dem diesjährigen Historikerkongress verabschiedete Resolution, die mehr Einmischung von ihm und seinen Kollegen bei politischen Debatten fordert. Die Resolution sei "extrem einseitig", sagte er im Dlf. Es gebe bessere Möglichkeiten, sich einzumischen.

Peter Hoeres im Gespräch mit Michael Köhler | 19.10.2018
    Der Historiker Peter Hoeres
    Der Historiker Peter Hoeres (Heiner Kiesel)
    Michael Köhler: Ende September verabschiedeten die deutschen Historiker auf dem Münsteraner Historiker-Kongress eine "Resolution zu gegenwärtigen Gefährdungen der Demokratie", also zur Lage des Landes und stellten sich der AfD in den Weg.
    Diese Resolution wurde kritisiert. In der "FAZ" äußerte sich dazu auch der Würzburger Neu-Historiker Peter Hoeres und formuliert e seine Einwände. Ihn haben wir gefragt.
    Der Verband spricht sich "für eine historisch sensible Sprache, gegen diskriminierende Begriffe" aus, weiterhin für "parlamentarische Demokratie und pluralistische Streitkultur", sowie für eine "kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, gegen politischen Missbrauch von Geschichte" . Das ist doch zustimmungsfähig. Da kann man doch nicht dagegen sein, oder?
    Peter Hoeres: Ja. Für diese allgemeinen Statements hätte es allerdings eine eigene Resolution nicht bedurft, meines Erachtens. Das sind Selbstverständlichkeiten.
    Was ich und was wir kritisieren, sind einzelne Aussagen in dieser Resolution, wo diese allgemeinen Bekenntnisse zur Demokratie und Wissenschaftsfreiheit untergejubelt werden.
    "Eines wissenschaftlichen Verbandes unwürdig"
    Köhler: Woran denken Sie da? Da gibt es beispielsweise Zwischenüberschriften: "Für Humanität und Recht", "Gegen Diskriminierung von Migranten". Ist Ihnen das schon zu viel zu politisches Lehramt, zu viel moralischer Imperativ?
    Hoeres: Ja. Auch das sind ja Selbstverständlichkeiten. Vor allem wird damit insinuiert, dass möglicherweise auch einzelne Historiker das nicht unterschreiben würden. Das würde ja jeder zivilisierte Mensch unterschreiben in Deutschland, dass man für Recht und Humanität ist und gegen Diskriminierung. Auch dafür hätte es jetzt die Resolution so nicht bedurft.
    Köhler: Eine Aufgabe der Historiker sei es, auf eine aktive, von Pragmatismus getragene Migrations- und Integrationspolitik hinzuarbeiten, die sowohl Menschenrechte als auch Völkerrecht respektiert, heißt es da. Das ist doch jetzt schon ziemlich deutlich, oder (ich glaube auch mit Ihren Worten) fast schon auf Regierungslinie. Spielt ein Fachverband da – und das war immerhin vor der Bayern-Wahl – so ein bisschen auch kleinen Parteitag?
    Hoeres: Ja, das ist ein Grünen-Parteitag, sozusagen dafür geeignet, aber nicht für einen Fachverband. Es ist extrem einseitig und unausgewogen. Es wird überhaupt nicht die deutsche Rechtslage erwähnt, eigenartiger- und auffälliger Weise, Grundgesetz, Asyl-, Ausländergesetz, Aufenthaltsgesetz, und die Kritik, die prominente Verfassungsrichter wie Di Fabio und Papier in der deutschen Rechtspraxis geübt haben, wird auch außen vor gelassen.
    Vollends absurd wird es dann, wenn der extrem pauschale Satz geäußert wird, Migration habe ungeachtet aller Probleme insgesamt die beteiligten Gesellschaften bereichert, auch die deutsche. So steht es in der Resolution, und das ist natürlich ähnlich grotesk wie der gegenteilige Satz, Migration habe immer zu Katastrophen geführt. Man kann für alle Epochen und Kontinente natürlich Gegenbeispiele finden und so eine pauschale Aussage ist eigentlich eines wissenschaftlichen Verbandes unwürdig.
    Gegenseitige Aufschaukelung von links und rechts
    Köhler: Sie halten das für unausgewogen?
    Hoeres: Ja. Die ganze Resolution ist unausgewogen. Sie nimmt überhaupt nicht ins Auge, dass wir eine gegenseitige Aufschaukelung haben von links und rechts. Während die Resolution verabschiedet wurde, wurden vor den Toren denunziatorische Flugblätter gegen einen Kollegen, gegen Baberowski verteilt, und so was kommt überhaupt nicht in den Blick. Ebenso bei der Entgrenzung der Sprache, wenn Sie daran denken, wie häufig mit Wörtern wie "Nazi" oder "Rassist" um sich geschlagen wird.
    Ich habe diesen Antrag gestellt, auch das zu berücksichtigen, weil das ein wichtiger Moment der Entgrenzung ist von historischer Sprache, aber das wurde ziemlich niedergemacht mit dem Argument, wir müssen jetzt hier was gegen rechts tun und können uns Ausgewogenheit nicht leisten.
    Köhler: Sie spielen darauf an, diffamierende Begriffe von rechts wie "Lügenpresse" oder "Volksverräter" wurden geächtet, aber von links "Nazi" oder "Rassist" etwa nicht. Sollten sich Fachhistoriker bei der Gegenwartspolitik vielleicht nicht so schnell äußern - weil sie sind ja darauf abonniert, eigentlich lange Geschichtsräume zu betrachten -, sich damit zurückhaltend verhalten? Oder umgekehrt: Ist es vielleicht gerade geboten?
    Hoeres: Fallhöhe und in Peinlichkeiten oder Fehlprognosen zu landen, ist sehr hoch aus der Wissenschaft. Das wissen wir. Seit Max Weber kann man nicht unmittelbar normative Aussagen ableiten. Und es gab schon viele Resolutionen, die im Nachhinein den Leuten peinlich waren. Denken Sie daran: Zu Beginn des Ersten Weltkrieges haben die deutschen Wissenschaftler Resolutionen gegen die Feinde unterschrieben, auch alles ungeprüft, und da ist eine ungute Tradition da.
    Was ein Verband machen könnte, wäre, zum Beispiel wirklich Expertise ins Feld zu führen - Stichwort Lügenpresse, die allgemein in der Öffentlichkeit als ein Begriff aus der NS-Zeit gilt, was aber nicht der Fall ist, sondern dieser Begriff hatte seine Konjunktur im Ersten Weltkrieg. Aber auch so was fehlt in der Resolution. Expertise aus Historikersicht wird gerade nicht in diese Resolution eingebracht.
    Statt Diskussions-Panels zu veranstalten sollte das Gespräch gesucht werden
    Köhler: Gerade die Neue Rechte profitiert ja, aber profiliert sich auch mit geschichtspolitischen Vorstößen und auch Polemik. Sind Historiker da nicht doch gerade in dem Moment aufgerufen, das Wort zu ergreifen?
    Hoeres: Jeder Historiker kann und soll auch, wenn das gerade in seinen Kompetenzbereich fällt, das Wort ergreifen. Ich bin skeptisch gegen diese Kollektiv-Veranstaltungen. Vor allem hielte ich es jetzt für sinnvoller, eigentlich mal wirklich auch das Gespräch zu suchen, anstatt den hundertsten Diskussions-Panel zu machen über Rechte, was von Linken bestritten wird und wo Rechte nicht eingeladen werden. Da fände ich es viel sinnvoller, selbstbewusst das Gespräch zu suchen und dann auch in einer Diskussion möglicherweise aufzuzeigen, wo die Neue Rechte fehlläuft und wo sie eine Kampagne betreibt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.