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Einreisedekret
Merkel lehnt Trumps Einreiseverbot für viele Muslime ab

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält das von der US-Regierung verhängte Einreiseverbot gegen Flüchtlinge und Bürger einiger mehrheitlich muslimischer Staaten für falsch. Der Kampf gegen den Terror rechtfertige keinen Generalverdacht. Zuvor hatte ein Gericht in New York den Einreisestopp bereits teilweise gekippt.

29.01.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beobachtet am 27.01.2017 in Berlin im Schloss Bellevue die Ernennung und Entlassung ihrer Kabinettsmitglieder.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Schloss Bellevue (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Merkel sei überzeugt, "dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
    Die Bundesregierung werde "nun prüfen, welche Folgen die Maßnahme der US-Regierung für deutsche Staatsbürger mit doppelter Staatsangehörigkeit hat, und deren Interessen gegebenenfalls gegenüber unseren amerikanischen Partnern vertreten". Seibert teilte weiter mit, dass Merkel die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump "bedauert" und diese Haltung auch am Samstag in ihrem 45-minütigen Telefonat mit dem neuen Amtsinhaber im Weißen Haus ausgedrückt habe.
    Die Genfer Flüchtlingskonvention fordere die internationale Staatengemeinschaft auf, Kriegsflüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. "Alle Unterzeichnerstaaten sind dem verpflichtet. Die Bundeskanzlerin hatte diese Politik dem US-Präsidenten in ihrem gestrigen Telefonat erläutert", erklärte Merkels Sprecher.
    Proteste am New Yorker Flughafen gegen das von Trump verhängte Einreiseverbot für viele Muslime
    Proteste in New York gegen das von Trump verhängte Einreiseverbot für viele Muslime (afp / Bryan R. Smith)
    US-Bürgerrechtler erzielen Teilerfolg gegen Einreiseverbot
    Zuvor hatte ein Gericht in New York geurteilt, dass trotz des von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreiseverbots für viele Muslime die seit gestern an den Flughäfen festgehaltenen Menschen nicht in ihre Länder zurückgeschickt werden dürfen. Die Entscheidung gilt landesweit und schützt alle Betroffenen vor der Ausweisung, sofern sie ein gültiges Visum für die USA haben. Richterin Ann Donnelly argumentierte, vieles spräche dafür, dass die Rechte der festgenommenen Reisenden verletzt worden seien. Bürgerrechtler der American Civil Liberties Union waren wegen Trumps Verfügung vor Gericht gezogen und freuten sich über die Entscheidung - Demonstranten brachen vor dem Justizgebäude in Brooklyn in Jubel aus.
    Die Bedeutung des Gerichtsentscheids im Einzelnen:
    • Wer aufgrund des Dekrets festgehalten wird, darf zunächst nicht mehr in sein Ursprungsland zurückgeschickt werden. Das gilt für alle, die im Besitz eines gültigen Visums oder einer Greencard sind, die Teil des Flüchtlingsprogramms der USA oder anderweitig offiziell berechtigt sind, in die USA einzureisen.
    • Trumps Dekret ist in Teilen eingefroren, bis die Einzelheiten geklärt sind. Der Gerichtsentscheid legt nahe, dass es sehr wahrscheinlich gegen die Verfassung verstößt. Die Klärung soll wahrscheinlich im kommenden Monat erfolgen.
    • Es war unklar, ob alle Festgehaltenen auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Die Kläger bestehen darauf, aber dieser Punkt war zunächst offen.
    • Das Gericht urteilte in New York, aber sein Spruch gilt landesweit.
    • Die Richterin hat die Regierung in Washington angewiesen, eine Liste aller Festgehaltenen zu veröffentlichen. Vermutlich sind es etwa 200 Menschen.
    • Weiterhin Bestand hat der Teil des Dekrets, der Ankünfte aus bestimmten Ländern für einen zunächst befristeten Zeitraum verbietet.
    Nach Angaben der US-Behörden wurde in den 24 Stunden seit Inkrafttreten des Dekrets bereits 109 Menschen die Einreise verweigert. Sie befinden sich an Flughäfen des Landes und dürfen die Transitbereiche nicht verlassen. An einigen Flughäfen demonstrierten hunderte Menschen gegen das von Trump verhängte 90-tägige Einreiseverbot für Staatsbürger aus dem Irak, dem Iran, Syrien, Libyen, Somalia, Sudan und dem Jemen. Flüchtlingen aus Syrien wird auf unbestimmte Dauer der Zugang zu den USA verwehrt. Trump begründete das damit, dass radikale islamische Terrorsiten daran gehindert werden solltem, in die USA zu kommen.
    Wie die US-Behörden ebenfalls mitteilten, wurden zudem bereits mehr als 170 Personen von Fluggesellschaften in mehreren Ländern daran gehindert, in die USA zu fliegen. Vom Einreisestopp sind auch europäische Parlamentarier mit doppelter Staatsangehörigkeit betroffen. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte "Spiegel Online", er dürfe als in Teheran geborener Deutscher nicht in die USA einreisen, ebenso wie alle anderen Doppelstaatler. Ein britischer Abgeordneter, der im Irak geboren wurde, sagte in London, ihm sei bestätigt worden, dass er und seine Frau nicht in die USA fliegen dürften.
    Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau sagte zu, sein Land werde weiterhin unabhängig von der Religionszugehörigkeit Flüchtlinge aufnehmen. Auf Twitter schrieb er, Vielfalt sei die Stärke Kanadas.
    Indonesiens Außenministerin Retno Marsudi bedauerte Trumps Entscheidung. Der Iran teilte mit, er werde seinerseits nun keine US-Bürger mehr ins Land lassen.
    (hg/tj)