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Einsatz am Rande der Wüste

Nach den Vereinten Nationen haben nun auch die EU-Außenminister der Regierung von Mali Hilfe im Kampf gegen muslimische Extremisten zugesagt. Doch nahezu unbemerkt sind die Europäer in der Region längst aktiv.

Von Bettina Rühl | 27.10.2012
    "Wir müssen leider feststellen - und deshalb haben wir uns im Übrigen ja hier auch versammelt - dass die Sicherheitslage im Sahel sehr beunruhigend ist."

    In Niamey, der Hauptstadt des Niger, eröffnet ein Vertreter der Europäischen Union einen Workshop über Sicherheitsfragen mit einheimischen Kollegen. Seit Anfang August sind die Europäer mit der so genannten "EUCAP-Sahel-Mission" im Land. Auf Einladung der Regierung, wie Premierminister Brigi Rafini später in einem Interview betont:

    "Wir haben von uns aus um diese Unterstützung gebeten. Ziel ist es, unsere Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terror und gewaltsame Konflikte zu schulen. Wir haben die Europäische Union vor allem um Berater für unsere Sicherheitskräfte gebeten, die uns helfen, deren Fähigkeiten zu verstärken. Es geht nicht darum, dass Militärbasen oder Posten europäischer Polizisten oder Gendarme errichtet werden. Es geht tatsächlich um Ausbildung. Das ist von zentraler Bedeutung und wird sehr effektiv sein."

    EUCAP-Sahel ist nun auch im Zusammenhang mit einem militärischen Eingreifen in Mali im Gespräch. In Europa wird derzeit darüber debattiert, wie die EU eine mögliche Eingreiftruppe der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS unterstützen kann. Als wahrscheinlichster Weg gilt die Ausweitung der Mission EUCAP-Sahel auf Mali, das Nachbarland des Niger. Tatsächlich umfasst deren Mandat längst die gesamte Region, womöglich würden aber die Inhalte des Auftrags erweitert. Francisco Espinoza Navas leitet EUCAP-Sahel im Niger. Der Oberst war früher beim Geheimdienst der spanischen Guardia Civil.

    "Die hiesige EU-Mission beschränkt sich nicht auf den Niger, sondern wurde auch für Mali und Mauretanien entsandt. Wir haben außerdem Kontakt mit Algerien aufgenommen, weil es in der Region eine wichtige Rolle spielt."

    Wie Oberst Espinoza betont, handelt es sich jedoch um eine rein zivile Mission, die 50 internationale Sicherheitsexperten umfasst. Er selbst ist zwar Militär, habe hier aber keinen militärischen Auftrag.

    "Das Ziel sind Ausbildung und Training der Sicherheitskräfte des Niger. Bevor wir damit anfangen können, müssen wir uns einen Überblick darüber verschaffen, was nötig ist. Wir müssen ja wissen, was die nigrischen Sicherheitskräfte überhaupt brauchen."

    Erst einmal werden die Unterrichtsinhalte entwickelt, dann wird der Kreis der Teilnehmer festgelegt. Es wird also noch eine Weile dauern, bis EUCAP-Sahel mit der eigentlichen Arbeit beginnen kann. Dabei gehen die ersten Planungen bis ins Jahr 2008 zurück, liegen also lange vor dem Ausbruch der jüngsten Krise in Mali. Denn dass islamistische Kämpfer im Sahelraum aktiv sind und die Sicherheit der ganzen Region bedrohen, ist schon seit Jahren bekannt. Der Sturz der libyschen Regierung hat die lange schwelende Krise nur verschärft.
    Der nigrische Premierminister Brigi Rafini fürchtet nun ein Übergreifen des Funkens.

    "Kein Land der Region ist vor dieser Seuche sicher. Die Länder haben nur unterschiedlich gute Möglichkeiten, sich vor den Konflikten zu schützen."

    Auch in im Niger sind bewaffnete Islamisten schon eine Zeit lang aktiv. Sie haben in dem Land bislang aber wohl keine Basis, sondern ziehen sich nach einzelnen Aktionen immer wieder nach Mali zurück. Dennoch sind Entführungen und die anschließende Forderung von Lösegeld auch in im Niger eine reale Bedrohung vor allem für Weiße, weil die erpressbaren Summen in den Vorstellungen der Täter deutlich höher sind.

    Allerdings wurden erst kürzlich sechs nigrische Entwicklungshelfer entführt. Hintergründe und Täter sind völlig unklar, doch die Entführung hat die Bedenken angesichts der Sicherheitslage in im Niger weiter verschärft.
    Die Mitglieder der EU-Mission sollen deshalb anonym bleiben, bis auf die führenden Verantwortlichen, deren Namen ohnehin bekannt sind. Einer der europäischen Ausbilder nennt einige der möglichen Inhalte des künftigen Trainings.

    "Ein wichtiges Ausbildungsziel wird sein, den Rechtsstaat zu stärken, indem wir zum Beispiel die Arbeit der Kriminalpolizei verbessern. Es wird darum gehen, die Ermittlungsmethoden zu verfeinern, die Verhörmethoden, und die Arbeit in kriminologischen Laboren zu verbessern. Außerdem müssen die unterschiedlichen Einheiten vor Ort effektiver kooperieren, und auch enger mit der Justiz zusammen arbeiten. Nur durch die Kooperation aller Institutionen kann der Staat sein Ziel erreichen."

    Währenddessen sind französische Soldaten schon seit einigen Monaten im Niger, ohne dass Details offiziell bekannt würden. Augenzeugen berichten aber immer wieder, sie hätten Männer in französischen Uniformen gesehen. Und am Donnerstag Morgen soll eine französische Transall vom Flughafen in Agadez gestartet sein, nachdem sie offenbar in der Nacht gelandet war.
    Premierminister Brigi Rafini widerspricht der weit verbreiteten Überzeugung, dass Frankreich im Niger längst militärisch präsent sei.

    "Außer militärischen Ausbildern und Beratern gibt es keine französischen Soldaten. Wir haben keine französische Militärbasis hier, und auch keine Basis irgendeines anderen Landes."

    Das mag stimmen oder nicht, die Regierung des Niger ist auf jeden Fall voller Sorge um die eigene Stabilität und hofft deshalb auf weitere Unterstützung aus Europa.