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Einsatz vor Russlands Tür

Seit 2004 sichern die NATO mit der Mission "Air Policing Baltikum" den Luftraum über dem Baltikum. Seit Jahresbeginn waren Kampfpiloten vom Jagdgeschwader "Richthofen" in Litauen stationiert. Heute ist Stabsübergabe an die Franzosen.

Von Roman Goncharenko | 28.04.2011
    Das Bild hat es in sich. In der Mitte sind die Umrisse der drei baltischen Staaten, links ein kleines Jagdflugzeug und rechts der Kopf eines Bären, der seine Tatze nach Estland, Lettland und Litauen ausstreckt. Gemeint ist der große Nachbar Russland. Dieses angebliche Emblem der NATO-Mission in Baltikum sorgte zum Jahresbeginn in der russischen Presse für Aufregung.

    Damals hat das Jagdgeschwader "Richthofen" aus Niedersachsen den NATO-Einsatz im Baltikum von den USA übernommen. Auf dem offiziellen Missions-Emblem, das von ca. 100 deutschen Soldaten getragen wurde, ist jedenfalls kein Bär zu sehen. Stattdessen ist ein Jagdflugzeug vom Typ PHANTOM abgebildet. Insgesamt sechs solche Maschinen wurden aus dem niedersächsischen Wittmund nach Siauliai im Norden Litauens verlegt. Der Vorfall mit dem Emblem zeigt aber, wie sensibel die Lage ist: Der NATO-Einsatz findet direkt an der Grenze zu Russland statt. Der Kommandeur, Oberstleutnant Rupert Ficker-Reißing wählt seine Worte sorgfältig.

    "Das NATO-Kontingent "Air Policing Baltikum 2011" hat als Auftrag den Schutz und die Sicherung des Luftraumes des Luftraumes der drei baltischen Staaten - Litauen, Lettland und Estland. Dazu haben wir zwei Maschinen ständig auf Status, das heißt innerhalb von 15 Minuten müssen diese Flugzeuge in der Lage sein, nach Alarmierung in der Luft zu sein."

    Fast jeden Morgen steigen zwei Kampfjets in den baltischen Himmel. "Tango Scramble" heißen solche Manöver im Militärjargon. Übungsflüge, bei denen das Abfangen trainiert wird. Doch es gibt immer wieder auch "Alpha Scramble" - tatsächliche Schutzflüge. Sie werden dann angeordnet,

    "Wenn entweder eben Flugzeuge, die sich im baltischen Luftraum bewegen, sich nicht mehr an Verfahren halten, sprich sie sind nicht mehr über Funk erreichbar, sie weichen vielleicht vom Flugauftrag ab. Oder wenn zum Beispiel Maschinen, die sich zwischen Kaliningrad und Russland bewegen, dort fliegen und identifiziert werden müssen."

    Die NATO versucht in Baltikum einen Spagat. Zum einen gilt die Pflicht, die baltischen Bündnispartner notfalls zu verteidigen. Lettland, Litauen und Estland sind 2004 der Militärallianz beigetreten. Da sie über keine eigenen Jagdflugzeuge verfügen, wird ihr Luftraum von anderen NATO-Mitgliedern überwacht. Doch angesichts der Nähe zu Russland, könnte jedes Muskelspiel über dem Baltikum von Moskau als Provokation gesehen werden. Wenn Wörter "Russland" und "Gegner" in einem Satz fallen, wird der deutsche Kontingentführer im Baltikum besonders vorsichtig.

    "Es gibt keinen Gegner. Die NATO zeigt Präsenz. Aber das richtet sich gegen kein bestimmtes Land."

    Deutlich wird die NATO-Präsenz in Baltikum im Büro von Oberstleutnant Virginijus Steponavičius. Der Kommandeur des litauischen Luftwaffenstützpunkts sitzt in einem grauen Gebäude am Rande des Flugplatzes. Überall an den Wenden hängen zahlreiche Fotos von Kampfjets aus einem Dutzend NATO-Staaten, die an der "Air Policing" Mission teilgenommen haben: Amerikaner, Briten, Belgier, Franzosen, Polen oder Rumänen.

    Die deutsche Luftwaffe war bereits viermal im Einsatz. Bei der vorletzten Mission im Herbst 2009 passierte der bisher größte Luftzwischenfall. Deutsche Eurofighter haben vor Estland ein russisches Aufklärungsflugzeug abgefangen. Die Lage eskalierte als zwei russische Abfangjäger auf die Deutschen mit Überschallgeschwindigkeit rasten.

    "Sie wollten mit NATO-Flugzeugen ein Spiel spielen, doch dann kam das Kommando, die Aktion abzubrechen und zur Basis zurückzukehren. Ich glaube, es ist für die Russen interessant zu schauen, wie die Lage ist. Das ist sehr einfach zu testen, man muss nur sehr nah an der Grenze fliegen."

    Der NATO-Einsatz wird sehr geschätzt, sagt Rimas Jonaitis, stellvertretender Verteidigungsminister Litauens. In den baltischen Staaten wird Russland immer noch als ehemalige Besatzungsmacht wahrgenommen. Und nach dem russisch-georgischen Krieg im Kaukasus 2008 habe man die Lage neu bewertet.

    ""Ja, natürlich. Sie wissen doch was passiert ist, alle haben das gesehen, wie schnell das gehen kann, ein Angriff mit Flugzeugen und so weiter. Es könnte auch hier passieren, weil wir Nachbarn im Kaliningrader Gebiet haben, die sehr starke Streitkräfte dort stationiert haben. Die Russen. Doch ich glaube nicht, dass jetzt, wo wir unter dem NATO-Schirm sind, etwas passieren kann"."

    Wie lange die NATO-Mission noch dauern wird, kann der litauische Politiker nicht sagen. Jagdflugzeuge seien teuer und die drei baltischen Länder können sich solche Waffen noch nicht leisten. Geplant ist, dass die NATO ihre "Air Policing" Mission in der Region an der Ostsee bis mindestens 2018 fortsetzt.