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Einstein auf dem Prüfstand (11)
Die Existenz von Schwarzen Löchern

Die zentrale Aussage von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie lautet: Gravitation kommt zustande, indem Massen die Raumzeit um sich herum krümmen und regelrecht verbiegen. Das sind dann die Schwarzen Löcher. Aber erst 2002 wurden Messdaten vorgelegt, die heute als Beweis gelten.

Von Frank Grotelüschen | 11.08.2015
    Die Illustration zeigt die Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Herzen der aktiven Galaxie NGC 3783 im südlichen Sternbild Centaurus (der Zentaur).
    Die Illustration zeigt ein Schwarzes Loch im Herzen der aktiven Galaxie NGC 3783 im südlichen Sternbild Centaurus. (dpa/ picture alliance / ESO/M. Kornmesser)
    "Ich erinnere mich an ein Seminar in Paris, in dem ich über meine Entdeckung berichtete, dass Schwarze Löcher gar nicht absolut schwarz sind. Doch das Seminar wurde ein Misserfolg, weil man damals in Paris noch nicht einmal glaubte, dass es Schwarze Löcher überhaupt gibt. Vielleicht lag es ja am Namen. Der nämlich hatte für die Franzosen etwas Obszönes an sich, und sie wollten ihn deshalb nicht in den Mund nehmen."
    Die Anekdote, die Stephen Hawking gern zum Besten gibt, hat einen seriösen Hintergrund: Lange war die Existenz von Schwarzen Löchern umstritten. Dass es solche Gravitationsmonster gibt, gegen deren Schwerkraft selbst das Licht nicht ankommt, hatte selbst Albert Einstein für unmöglich gehalten – und das, obwohl es seine Allgemeine Relativitätstheorie eigentlich nahelegt.
    "Das Ganze hat als mathematisches Konstrukt angefangen."
    Hans-Walter Rix, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg.
    "Und das Faszinierende ist, dass sich tatsächlich herausstellte: Die Natur kann solche Dinge machen."
    Schwarze Löcher entstehen, wenn Sterne, die schwerer als sieben Sonnenmassen sind, das Ende ihres Lebens erreichen und in sich zusammenstürzen. Direkt beobachten lassen sich diese Sternleichen zwar nicht. Aber es gibt Hinweise, dass sie existieren.
    "Man beobachtet, dass ein scheinbar einzelner Stern um eine unsichtbare andere Masse kreist. Man hat Möglichkeiten, die Masse sehr genau zu bestimmen. Und man kann auch sehr genau hinschauen. Und man sieht, dass man nichts sieht."
    Jahrzehntelang waren Beweise nicht stichhaltig
    Und das, was man nicht sieht, sollte ein Schwarzes Loch sein. Wirklich stichhaltig aber waren diese Indizien jahrzehntelang nicht. Erst vor 13 Jahren schaffte ein Forscherteam so etwas wie einen Beweis.
    "Die Geschichte geht relativ lange zurück."
    Reinhard Genzel, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching.
    "Man hat in den frühen 60er-Jahren die sogenannte Quasare entdeckt. Das sind Objekte, die relativ hell sind."
    Quasare sind die Kerne von weit entfernten jungen Galaxien. Sie leuchten unvorstellbar hell, manche 100.000 Mal heller als die Milchstraße. Wie kommt dieses Leuchten zustande? Die Vermutung: Dahinter stecken supermassive Schwarze Löcher, abermillionen Mal schwerer als die Sonne.
    "Dann wäre die Vorstellung, dass man in den Zentren von schweren Milchstraßen-Systemen solche Schwarzen Löcher hätte. Wir reden hier von 100 Millionen Sonnenmassen und mehr."
    Auch unsere Milchstraße könnte um Schwarzes Loch kreisen
    Naturgemäß sind Schwarze Löcher schwarz, man sieht sie nicht. Umso heller dagegen leuchtet jene Materie, die in sie hineinstürzt. Wenn aber hinter jeder fernen Galaxis ein Gravitationsmonstrum steckt – könnte nicht auch eines im Zentrum unserer Milchstraße lauern? Lange hegten Astronomen diesen Verdacht, sammelten manches Indiz. Für den Durchbruch aber sorgte erst Genzel. Mit einem geduldigen Blick auf ein paar Sterne, die extrem dicht ums Zentrum der Milchstraße kreisen.
    "Man muss ausnutzen, dass, je näher man an ein Schwarzes Loch herankommt, umso schneller die Bewegungen hochgehen. Das ist wie im Sonnensystem: Die Planeten weit draußen bewegen sich langsam. Wenn man reinkommt, geht's immer schneller."
    Von den Umlaufzeiten der Sterne lässt sich auf die Masse im Zentrum der Milchstraße schließen. An der Europäischen Südsternwarte in Chile nahmen es die Forscher ins Visier – immer wieder, jahrelang.
    "Wie gut das letztendlich funktioniert hat, das konnten wir nicht vorhersehen."
    2002 veröffentlichte Genzels Team die Ergebnisse. Demnach sitzt im Zentrum der Milchstraße ein dunkles Gravitationsmonstrum mit vier Millionen Sonnenmassen. Ein indirekter Beweis, aber so überzeugend, dass die meisten Fachleute nun glauben: Ja, Schwarze Löcher gibt es.
    "Im Moment ist der Stand der Dinge so: Wir wissen, im Zentrum unserer Milchstraße ist ein kompaktes, kaum strahlendes Objekt von etwa vier Millionen Sonnenmassen. Und es gibt keine Konfiguration, die dieses Objekts darstellen könnte außer einem Schwarzen Loch."
    "Unter der Maßgabe der Standardtheorie der Elementarteilchen, der Gravitationsphysik, muss im Zentrum unserer Galaxis ein Schwarzes Loch existieren."
    Meint auch Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnik und Mikrogravitation in Bremen. Aber:
    "Es ist kein absoluter mathematischer Beweis, den wir da ziehen können."
    Rein theoretisch könnte es eben doch sein, dass etwas anderes hinter der Sache steckt – etwa ein Bosonenstern, ein hypothetisches Gebilde aus einer unbekannten exotischen Materieform. Deshalb sucht die Fachwelt nun weiter und fahndet nach noch schlagkräftigeren Indizien. In den kommenden Jahren sollen dazu 14 Teleskope zum sogenannten Event Horizon Telecope zusammengeschaltet werden, um nach dem Schatten eines Schwarzen Lochs Ausschau zu halten. Für Claus Lämmerzahl so etwas wie die finale Nagelprobe.
    "Die Schattenwürfe, die wir dann sehen würden, haben eine ganz charakteristische Form. Und das wäre dann schon ein eindeutiger Hinweis auf die Existenz eines Schwarzen Loches. Dann hätte man auf jeden Fall die letzten Zweifler gewonnen."