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Einstein auf dem Prüfstand (3)
Eddingtons Expedition macht Einstein zum Superstar

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg machte sich der Astronom Arthur Eddington in den Golf von Guinea auf. Ziel seiner Expedition: Er wollte die allgemeine Relativitätstheorie experimentell bestätigen. Die Forschungsreise war der Auftakt für eine ganze Reihe von Experimenten, denen sich Einsteins Theorie bis heute immer wieder stellen musste.

Von Eva Raisig | 16.06.2015
    Es ist heiß im Mai 1919 auf Principe und die Stimmung von Arthur Eddington schwankt zwischen Zuversicht und Anspannung. Der britische Astronom lenkt sich mit einer Partie Tennis auf dem einzigen Tennisplatz der westafrikanischen Insel ab. Jahrelang hat er dafür gekämpft, von hier aus eine Sonnenfinsternis beobachten zu können und mit der Expedition Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie experimentell zu prüfen. Die Schwerkraft ist darin eine Folge der Raumzeitgeometrie - einer Geometrie, der alle Objekte im Universum unterworfen sind und die deshalb auch beobachtbar sein sollte, sagt Pedro Ferreira, Professor für Astrophysik an der Universität von Oxford:
    "Einstein war vom ersten Moment an klar: Man muss die Art und Weise, wie sich Dinge in einem Gravitationsfeld bewegen neu formulieren. Und ziemlich schnell begriff er, dass auch Licht ein Gravitationsfeld spüren würde, nicht nur Objekte mit Masse. Es würde sich auf gekrümmten Bahnen bewegen. Wenn man also Lichtstrahlen beobachten würde, die an einem Objekt wie der Sonne vorbeiführen, so war seine Idee, dann sollte man ihre Ablenkung detektieren können."
    Ende Mai 1919 stehen die Sterne günstig.
    Es ist diese Idee, die Arthur Eddington auf die Insel Principe gebracht hat. Er will die Lichtablenkung anhand der Hyaden zeigen - einem Sternhaufen im Sternbild Stier. Falls Einsteins Theorie stimmt, müsste sich die Position der Sterne am Himmel verändern, wenn das Licht vom Gravitationsfeld der Sonne abgelenkt wird. Ende Mai 1919 stehen die Sterne günstig. Die Hyaden befinden sich direkt hinter der Sonne, und auf der Insel Principe bedeckt der Mond bei einer Eklipse gleichzeitig das im Vergleich zu den Hyaden helle Sonnenlicht. Für Eddington eine glückliche Fügung, auch wenn er allerhand Hindernisse zu überwinden hat bis er tatsächlich nach Principe aufbrechen kann.
    Schwerer noch als das Problem, auch Bürokraten und Geldgeber von der Wichtigkeit der Expedition zu überzeugen, wiegt die Zeit, in der Einstein seine Theorie veröffentlicht hat: England steckt mitten im Ersten Weltkrieg, eine Reise nach Westafrika ist mit erheblichen logistischen Schwierigkeiten verbunden. Noch dazu hat sich der Quäker und Kriegsdienstverweigerer Arthur Eddington mit seiner pazifistischen Haltung nicht gerade beliebt gemacht bei den Offiziellen, die über eine derart aufwendige Expedition zu entscheiden haben. Aber auch Einsteins Herkunft stellte sich für Eddingtons Experiment als Hürde heraus, sagt Pedro Ferreira:
    "Newtons Gravitationstheorie hatte für Jahrhunderte regiert, es war eine englische Theorie. Und nun kam dieser Kerl aus Berlin, ein Deutscher, mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie, die Newtons Gravitationstheorie entthronen sollte. Es war also auch "England gegen Deutschland". Nicht gerade die besten Voraussetzungen im Ersten Weltkrieg."
    Regen droht das Experiment scheitern zu lassen
    Nach mehreren Jahren der Überzeugungsarbeit und Planung schafft es Eddington schließlich doch zur Sonnenfinsternis, ein zweites Team reist gleichzeitig nach Brasilien, um von dort die Messungen durchzuführen.
    Am Morgen der Sonnenfinsternis regnet es in Principe, dicke Wolken verbergen die Sonne über dem Golf von Guinea. Erst kurz vor der vollständigen Verdeckung der Sonne durch den Mond die große Erleichterung - es klart auf, das Teleskop wird in Betrieb genommen, Eddington und sein Kollege können 16 Fotoplatten belichten.
    Es dauert Monate bis die Messungen in England ausgewertet worden sind, doch dann ist klar: Die Beobachtungen bestätigen Einsteins Theorie eindrücklich. Das Licht der Hyaden wurde tatsächlich genau so vom Gravitationsfeld der Sonne abgelenkt, wie es Einstein vorhergesagt hatte. Jahrzehnte später, in den 1990er Jahren werden die Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie zur Lichtablenkung durch jahrelange Präzisionsmessungen mit Radioteleskopen auf wenige Promille genau bestätigt. Auch das beeindruckend - doch am lautesten war wohl der Jubel, der im Gefolge der Präsentation vom 6. November 1919 ausbrach.
    Breaking News: "Wissenschaftliche Revolution!"
    "Alles Licht am Himmel ist schief"
    "Einsteins Theorie triumphiert!"
    "Sterne nicht dort, wo sie zu sein scheinen oder rechnerisch sein sollten, aber niemand braucht sich deswegen zu sorgen"
    "Es war überall auf den Titelseiten", sagt Pedro Ferreira. "Es war eine riesige Sensation. Die 'London Times' hatte es einen Tag nach der Veröffentlichung der Ergebnisse, die 'New York Times' ein, zwei Tage später, es war eine Riesensache und Einstein wurde ein Superstar."
    Einstein Superstar
    Albert Einstein hatte sich lange nicht in den konventionellen Wissenschaftsbetrieb einfügen können. Er hatte durch seinen Eigensinn seine Professoren verärgert und für die Entwicklung seiner genialen Theorie das eintönige Umfeld des Berner Patentamts gebraucht. Diese Erfahrungen und seine Unangepasstheit könnten erklären, warum er dem plötzlichen Ruhm nicht ohne einen gewissen Argwohn begegnete.
    "In einem Artikel in der Times schreibt er 1919: 'In Deutschland nennt man mich einen deutschen Mann der Wissenschaft und in England gelte ich als Schweizer Jude. Wenn sich die Verhältnisse irgendwann ändern, dann werden sich auch diese Zuschreibungen umkehren und ich werde für die Deutschen ein Schweizer Jude sein und für die Engländer ein deutscher Mann der Wissenschaft.' So war die Situation. Jeder wollte ihn für sich beanspruchen, aber ihm war klar, was für ein Glück er hatte."