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Einstein auf dem Prüfstand (8)
Kräuselungen der Raumzeit

In den 70er-Jahren gelang zwei US-Astronomen etwas Spektakuläres: Mit einem Teleskop entdeckten sie ein ungewöhnliches Neutronenstern-Paar und nahmen es jahrelang ins Visier. Dadurch konnten sie eine der gewagtesten Prognosen von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie untermauern: die Existenz sogenannter Gravitationswellen.

Von Frank Grotelüschen | 21.07.2015
    Die amerikanischen Astronomen Russell A. Hulse (l) und Joseph H. Taylor jr. (r) demonstrieren am 13. Oktober 1993 in Princeton (New Jersey) am Bildschirm das Projekt, für das sie 1993 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet werden. Sie hatten vor 19 Jahren einen neuen Typus von Pulsaren entdeckt.
    Die amerikanischen Astronomen Russell A. Hulse (l) und Joseph H. Taylor jr. (r) demonstrieren am 13. Oktober 1993 in Princeton (New Jersey) am Bildschirm das Projekt, für das sie 1993 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet werden. (picture alliance / dpa / epa AFP)
    1974 war für Astrophysiker wie Bernard Schutz ein besonderes Jahr. Denn damals stießen die beiden US-Astronomen Joseph Taylor und Russell Hulse auf ein neuartiges Phänomen - zwei Neutronensterne vom Typ Pulsar, die sich gegenseitig umkreisen.
    "Ein Pulsar ist ein Neutronenstern, der sehr schnell um seine eigene Achse rotiert. Er sendet regelmäßige Radiowellen-Pulse aus, so wie ein Leuchtturm. Und diese Radiowellen lassen sich, wenn sie die Erde passieren, mit Teleskopen beobachten."
    Den ersten Pulsar überhaupt hatten Astronomen 1967 entdeckt. Anfang der 70er-Jahre machte sich das Team von Joseph Taylor auf die Suche nach weiteren Exemplaren.
    "Damals war nur ein rundes Dutzend an Pulsaren bekannt, und wir wollten feststellen, wie viele Pulsare es in der Milchstraße gibt und wie sie verteilt sind. Wir hatten aber auch schon im Hinterkopf, dass es Pulsare geben könnte, die einen anderen Stern umkreisen. Nach diesen Doppelsystemen haben wir dann ebenfalls Ausschau gehalten."
    Zwei Neutronensterne versetzen die Fachwelt in Unruhe
    Gemeinsam mit seinem Doktoranden Russell Hulse durchmusterte Taylor den Himmel mit dem damals größten Radioteleskop der Welt in Puerto Rico. 1974 stießen die beiden auf ein außergewöhnliches Signal.
    "Als wir das Signal genauer untersuchten, merkten wir, dass sich die Zeitintervalle zwischen den Radiowellen-Pulsen veränderten. Das war eine Überraschung, denn in der Regel senden Pulsare sehr gleichmäßige Pulse aus. Diese unregelmäßigen Zeitintervalle ließen sich nur damit erklären, dass der Pulsar um einen anderen Stern kreist. Damit waren wir sicher: Wir hatten einen Doppelpulsar entdeckt. Wir waren zugleich überrascht und aufgeregt."
    Zwei Neutronensterne, jeweils zehn Kilometer groß und schwerer als die Sonne, umkreisen sich innerhalb von knapp acht Stunden einmal. Dieses Gebilde versetzte die Fachwelt in helle Aufregung, denn schnell wurde klar: Man konnte es nutzen, um Einsteins allgemeine Relativitätstheorie auf den Prüfstand zu stellen. Denn laut Einstein müsste der Doppelpulsar Gravitationswellen aussenden - kleine, sich durch den Kosmos fortpflanzende Kräuselungen in der Raumzeit, sagt Bernard Schutz.
    "Weil die Neutronensterne Gravitationswellen aussenden, müssten sie Energie verlieren, ähnlich wie bei Reibungsverlusten. Durch diesen Energieverlust sollten sich die Sterne immer stärker annähern und sollten immer schneller umeinander rotieren."
    Würde also der Doppelpulsar in immer kürzeren Abständen funken, müsste das bedeuten, dass sich beide Pulsare immer schneller umkreisen - und zwar weil sie Energie in Form von Gravitationswellen verlieren. So die Hypothese, die Taylor und Hulse 1974 überprüfen wollten.
    "Es war klar, dass eine solche Messung im Prinzip möglich war. Aber dazu war eine erhebliche Weiterentwicklung der Messtechnik nötig."
    Geduld und Durchhalteverögen brachte den Erfolg
    Lange mussten die beiden Astronomen tüfteln, diverse Störquellen beseitigen, die Messgenauigkeit steigern.
    "Es dauerte einige Jahre, das Experiment verlangte viel Geduld und Hartnäckigkeit. Doch dann, nach drei Jahren, beobachteten wir die ersten Anzeichen. Und nach fünf Jahren, 1979, waren wir uns sicher: Weil die Gravitationswellen stetig Energie aus dem System transportieren, umkreisen sich die beiden Pulsare immer schneller. In 300 Millionen Jahren dürften sie sich so nahe gekommen sein, dass sie zu einem Himmelskörper verschmelzen und wahrscheinlich ein schwarzes Loch bilden werden."
    Nobelpreis-würdige Entdeckung
    In Zahlen: Jedes Jahr erhöht sich die Taktfrequenz um 75 millionstel Sekunden, was sich einzig durch die Annäherung der beiden Pulsare erklären lässt. Ein Resultat, für das Joseph Taylor und Russell Hulse 1993 den Physik-Nobelpreis erhielten - und das viele Forscher davon überzeugt hat, dass es Gravitationswellen wirklich gibt. Für Bernard Schutz eine eindrucksvolle Bestätigung von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie - zumal sich das Phänomen mittlerweile auch bei weiteren Doppelpulsaren gezeigt hat:
    "Darum glauben wir: Diese Theorie ist nicht nur richtig, sondern wirklich standsicher und eine sehr gute Beschreibung der echten Welt!"