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Einwanderung
Ellwangen und die Dynamik der Debatte

Vier Tage nachdem Polizisten eine Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen stürmten, diskutiert die Politik über weitere Wege in der Asylpolitik. Vor allem aus dem konservativen Lager kommen laute Töne und viele Meinungen.

Von Volker Finthammer | 07.05.2018
    In der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ellwangen werden zwei gefesselte Männer von einem maskierten Polizisten abgeführt.
    Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ellwangen (dpa-Bildfunk / Stefan Puchner)
    Horst Seehofer bleibt eine Antwort schuldig. Denn noch hat der Bundesinnenminister bislang nicht im Detail erklärt, wie die von ihm geplanten Ankerzentren für beschleunigte Asylverfahren konkret aussehen sollen.
    "Für mich hat das ja eindeutig den Eindruck von Aktionismus, von mehr wollen als können. Deswegen warte ich ja gespannt und ungeduldig wie die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern auch, auf die klaren Vorstellungen", sagt der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, SPD. Bis zu 40 solcher Zentren soll es bundesweit geben. Fünf bis sechs davon noch in diesem Jahr.
    Frage der Zuständigkeiten bei Ankerzentren
    Anker steht für Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtung. Doch noch ist nicht klar, wie das im Einzelnen geschehen soll. Die Frage der Zuständigkeiten steht noch aus, sagt die Generalsekretärin der CDU Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wichtig ist das alle beteiligten Stellen zusammenarbeiten, dass die Verfahren sehr schnell auch abgearbeitet werden können, damit die Verweildauer nicht zu lange ist, und natürlich braucht man auch die entsprechenden Sicherheitskräfte."
    Die Bundespolizei wäre sicherlich nicht der geeignete Ansprechpartner, baut Oliver Malchow von der Gewerkschaft der Polizei schon einmal vor: "Unsere Kollegen sind keine Wachbataillone. Wenn man solche Zentren einrichtet, dann muss man sich überlegen, wer das machen soll. Dafür sind wir überqualifiziert, das kann nicht unsere Aufgabe sein."
    Entwicklungshilfe kürzen?
    Doch nach dem Vorfall in Ellwangen, hat sich die Debatte nochmals beschleunigt. So fordert der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer CDU, unterstützt vom bayerischen Innenminister Joachim Hermann CSU und dem CDU Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, den Herkunftsländern abgewiesener Asylbewerber die Entwicklungshilfe zu kürzen oder gar ganz zu entziehen, wenn sie bei Abschiebungen nicht kooperieren.
    "Ich finde schon dass wir mit Ländern, die von uns beachtlich unterstützt werden mit Hilfsgelder darüber reden müssen, dass sie bereits sein müssen, Menschen ohne einen Bleibegrund wieder zurücknehmen. Solidarität ist keine Einbahnstraße", sagt Volker Kauder.
    Derweil beklagt CSU Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine "Anti-Abschiebe-Industrie", die sich in Deutschland gebildet habe und die mit Klagen versuche, die Abschiebung von Flüchtlingen zu verhindern: "Wir brauchen deswegen Schnellverfahren für gewaltbereite und kriminelle Asylbewerber, damit sie umgehend abgeschoben werden können."
    Und dann noch der Familiennachzug
    Mehr als 40 Prozent aller Klagen gegen die Ablehnung von Asylanträgen und die Androhung der Abschiebung hätten im letzten Jahr vor Gericht Erfolg gehabt, erklärte dagegen Pro-Asyl.
    Und es bleibe auch in diesen Fällen ein Kernbestandteil das Rechtsstaats, dass Behördenentscheidungen von unabhängigen Gerichten überprüft werden können. Eine aufgeheizte Debatte in der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier gestern in der ARD zur Mäßigung aufrief: "Wir müssen darauf bestehen, dass die Polizei ihre Aufgaben erfüllt. Aber ich sehe nicht dass wir vor einem Scheitern oder Versagen des Rechtsstaates stehen und wir sollten das den Bürgern auch nicht täglich einreden."
    Umstritten bleibt aber auch der Kompromiss zum Familiennachzug, den das Kabinett am kommenden Mittwoch verabschieden will und wonach ab August pro Monat bis zu 1000 Angehörige einreisen dürfen. Jedoch soll das Kontingent nur in den ersten fünf Monaten nachträglich voll ausgeschöpft werden können. Die SPD hatte die dauerhafte Ausschöpfung des Kontingents gefordert und will dort Nachbesserungen sehen.