Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Abschluss der Filmfestspiele Venedig
Goldener Löwe für "Joker"

Bei den Filmfestspielen von Venedig gab es "viel klassisches Erzählkino", sagte Kritikerin Katja Nicodemus im Dlf. Mit "Joker" habe ein "ästhetisch und atmosphärisch" besonderer Film gewonnen.

Katja Nicodemus im Gespräch mit Anja Reinhardt | 08.09.2019
Joaquin Phoenix in "Joker" von Todd Phillips, Gewinner des Goldenen Löwen 2019
Joaquin Phoenix in "Joker" von Todd Phillips, Gewinner des Goldenen Löwen 2019 (Nico Tavernise)
In Venedig wurde der Goldene Löwe bei den Filmfestspielen vergeben – wobei den Gewinnern die Aufmerksamkeit von Hunderten protestierender Klimaaktivisten gestohlen wurde –, die hatten sich nämlich auf dem Roten Teppich platziert. Venedig ist eben auch die Stadt, in der die großen Kreuzfahrtschiffe Schlange stehen und Touristenmassen sich durch die bisweilen schmalen Gassen drängeln. Preise wurden gestern Abend vergeben. Der Goldene Löwe ging an Todd Philipps für seinen Film "Joker" – mit Joaquin Phoenix in der der Titelrolle, für seine Darstellung des späteren Gegners von Batman gab es minutenlangen Applaus.
Atmosphärisch besonders
Für Filmkritikerin Kaja Nicodemus ist "Joker" von Regisseur Todd Philipps ein verdienter Gewinner von insgesamt 21 Beiträgen im Wettbewerb. Er sei "ästhetisch und atmosphärisch besonders". Er spiele im chaotischen New York beziehungsweise Gotham, wo das Recht des Stärkeren herrscht. Von einem mehrtägigen Müllstreik ist die Rede im Radio. Es herrschen vorzivilisatorische Zustände. Die Figur des "Joker" ist ein böser Clown, ein Mörder. Er werde von der Gesellschaft in die Gewalt hineingetrieben.
Roman Polanskis Werk über die Alfred-Dreyfus–Affäre hat den Großen Preis der Jury bekommen. Die Reaktion auf die Preisverleihung war verhalten. Der Film war außergewöhnlich, urteilte Kritikerin Nicodemus im Dlf. Er spiegele das System des französischen Militär-Geheimdienstes mit seinen Ressentiments, seinem Antisemitismus und spiele damit auch auf heutige Kommunikationsblasen an.
Viel klassisches Erzählkino
Der Regiepreis ging an den schwedischen Regisseur Roy Andersson für seinen Film über die "Unendlichkeit", eine Reminiszenz an das europäische Autorenkino. "Ich bin begeistert", sagte Filmkritikerin Katja Nicodemus. Die weißliche Ästhetik des Films suggeriere, dass die Figuren vielleicht schon im Himmel seien. Sie würden das tun, "was sie schon immer getan haben, Champagner trinken, Kriege führen, ihren Neid ausleben oder am Bahnhof auf den Liebsten oder die Liebste warten." Ein großes Panorama biete der Film.
Auf die Frage, welche Erzählung das Kino über die Gegenwart böte, antwortete die Filmkritikerin: "Es gab viel klassisches Erzählkino auf diesem Festival. Das bedeutet, dass die Filme auch ins Kino kommen werden, was nicht selbstverständlich ist." Man müsse sich in dem Kinospiegel aber schon selbst entdecken. "Ganz so leicht machen es einem diese Filme nicht."