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Einwanderungspolitik
Cameron will Sozialleistungen kürzen

In einer lang erwarteten Rede zur Einwanderungspolitik Großbritanniens hat Premierminister David Cameron seine Pläne vorgestellt. Kernidee: Das Vereinigte Königreich soll unattraktiver für Migranten werden - speziell für EU-Bürger. Für den Fall, dass die EU die Pläne abschmettert, drohte Cameron erneut mit dem Austritt aus der Gemeinschaft.

Von Jochen Spengler | 28.11.2014
    Der britische Premier Cameron bei seiner Rede in Rocester am 28.11.2014
    Bei seiner Rede in Rocester stellte der britische Premier Cameron seine Pläne für eine künftige Einwanderungspolitik vor. (picture alliance / dpa / Oli Scarff)
    Keine Obergrenze für EU-Einwanderer, kein Einwanderer-Stopp, keine Verletzung des EU-Prinzips der Bewegungsfreiheit für Arbeitnehmer! David Cameron verzichtet darauf, von seinen EU-Partnern das Unmögliche zu fordern und damit bewusst auf eine Niederlage zuzusteuern.
    Außerdem stellt der Premierminister klar, dass Isolationismus unpatriotisch und Großbritannien erst durch Einwanderung zu dem weltoffenen Land geworden sei, das es auch bleiben werde. Immigration nütze, müsse aber kontrolliert werden und fair sein und im nationalen Interesse liegen.
    Staat bisher großzügig mit Sozialleistungen
    Doch die Immigration sei außer Kontrolle. Vor seiner Wahl vor vier Jahren hat Cameron versprochen, den Einwanderungszuwachs auf jährlich 100.000 zu begrenzen. Tatsächlich aber – so die neueste Statistik, die gestern veröffentlicht wurde - lag die Zahl der Nettoeinwanderer im vergangenen Jahr bei 260.000 Menschen. Denn in Großbritannien wächst die Wirtschaft, man bekommt leicht einen Job und der Staat ist großzügig mit Sozialleistungen. Fast 40 Prozent der Einwanderer kommen aus der EU. Das seien zwar weniger als nach Deutschland kämen, konzediert Cameron: "Aber Deutschland ist in einer anderen Lage. Deutschlands Bevölkerung schrumpft, während die Großbritanniens wächst."
    Sollte die Einwanderung ungebremst weiter gehen, wird Großbritannien in drei Jahrzehnten Deutschland als bevölkerungsreichstes EU-Land überholt haben – bei weit geringerer Fläche. Schon jetzt tun sich Gemeinden, Gesundheits- und Schulsystem schwer, die Herausforderungen zu meistern und auch darin liegt ein Grund für den Zulauf, den die Rechtspopulisten von UKIP haben.
    Höhere Hürden und weniger Förderung
    Deswegen verspricht Cameron nicht nur, den Zustrom aus Nicht-EU-Staaten weiter zu senken, sondern, sollte er nach der Wahl im kommenden Mai erneut Regierungschef sein, das Einwanderungsziel Großbritannien für wenig qualifizierte Arbeitnehmer aus der EU so unattraktiv wie irgend möglich zu machen: "EU-Migranten müssen ein Job-Angebot haben, bevor sie hierher kommen. Unsere Steuerzahler werden sie nicht mehr bei der Job-Suche finanziell unterstützen. Und wenn sie Arbeit haben, werden sie Sozialleistungen oder Sozialwohnungen frühestens vier Jahre nach ihrer Ankunft erhalten."
    Denkfabriken haben ausgerechnet, dass etwa ein alleinstehender Einwanderer aus Spanien, der in Großbritannien den Mindestlohn erhält, nach dem Wegfall der bislang gezahlten staatlichen Zuschüsse 120 Euro in der Woche weniger hätte und damit kaum mehr als den Mindestlohn in Spanien.
    Appell an EU
    Unklar ist, ob damit die EU-Netto-Immigration gesenkt und ob Wähler, die mit UKIP sympathisieren, zurückgewonnen werden können. Und noch längst nicht ausgemacht ist, ob David Cameron seine EU-Amtskollegen von seinen Plänen überzeugen kann, deren Zustimmung er für eine solche Reform des Zugangs zu den Sozialsystemen braucht.
    "Ich bitte unsere europäischen Partner, hierin mit uns zusammen zu arbeiten. Das britische Volk und auch ich werden nicht verstehen, wenn wir keine vernünftige Lösung finden, die den Platz dieses Landes in der EU für immer sichern würde. Sollte ich Erfolg haben, werde ich dafür werben, dass wir Mitglied einer reformierten EU bleiben. Wenn unsere Sorgen aber auf taube Ohren stoßen und wir unsere Beziehung zur EU nicht auf eine bessere Grundlage stellen können, dann schließe ich nichts aus."
    Das ist die Drohung mit dem EU-Austritt, die allerdings weit weniger explizit ausfiel, als es EU-kritische Parteifreunde gehofft hatten.