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Einweihung der größten Windkraftanlage der Welt

Es ist eine Windkraftanlage der Superlative: Ganze 183 Meter hoch und allein der Rotor hat einen Durchmesser von 126 Metern. Bis zu fünf Megawatt Strom kann die Anlage erzeugen – eine bislang weltweit unübertroffene Leistung. "Repower 5M", so heißt das Rekord-Windrad offiziell, läuft seit vergangener Woche, heute nachmittag wird die Anlage im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel offiziell eingeweiht von Umweltminister Jürgen Trittin. Zunächst wird das Windrad zu Land erprobt, konzipiert ist es allerdings für den Einsatz auf offener See –Offshore im Fachjargon.

Von Christoph Kersting | 02.02.2005
    Vor britischen und skandinavischen Küsten gibt es die Windparks auf hoher See bereits, in Deutschland sind erste Pilot-Projekte vor der Nordseeküste genehmigt. Doch zu Land, oder zu Wasser - der Widerstand gegen die Windenergie ist groß: Viele Küstenbewohner machen sich Sorgen um den freien Blick aufs Meer und Einbußen beim Tourismus, Beispiel Sylt. Nun melden sich auch die Ornithologen verstärkt zu Wort. Sie sehen eine Gefährdung von Zugvögeln.


    Millionen von Vögeln überqueren im Frühjahr Nord- und Ostsee, nur über die Flughöhe der Tiere wussten Forscher bislang wenig. Seit 2003 untersuchen deshalb Ornithologen vom Wilhelmshavener Institut für Vogelforschung in der Nordsee die Fluggewohnheiten von Zugvögeln. Auf einer Forschungsplattform vor der Insel Borkum installierten die Wissenschaftler Radaranlagen sowie Video- und Wärmebildkameras:

    Zu den ersten Ergebnissen können wir sagen, dass wir z.B. für die Periode des Frühjahrszuges im letzten Frühjahr festgestellt haben, dass in der Größenordnung von 30 Prozent aller Vögel, die nachts durchziehen, in einer Flughöhe von unter 200 Metern fliegen, d.h. im direkten Einzugsbereich der potenziell dort zu errichtenden Windkraftanlagen.

    Vom Vogelschlag durch Windkraft-Anlagen an Land seien vor allem Großvogelarten und Thermiksegler wie Störche und Reiher betroffen, aber auch Greifvögel wie der Rotmilan, erklärt Dr. Klaus-Michael Exo:

    Wenn wir auf die offene See schauen, dann sind es vor allem Taucher, Sterntaucher, Prachttaucher, oder auch einige Entenarten. Dazu muss man sagen, dass diese dort nicht nur durchziehen, sondern dass die auch in international bedeutenden Beständen in der deutschen Bucht beispielsweise überwintern. Bei einigen Taucherarten sind es bis zu 25 Prozent der gesamten nordwesteuropäischen Population. Und dort besteht nicht nur ein Kollisionsrisiko, wir müssen ferner ersteinmal davon ausgehen, dass gegebenenfalls auch, auch wenn eine Einzelanlage relativ wenig Platz einnimmt, die gesamten Parks natürlich eine immense Fläche, dass dies zu einer indirekten Versiegelung führt, dass die Tiere einfach aus den angestammten Lebensräumen vertrieben werden.


    Windenergie und Vogelschutz seien kein Widerspruch, erklärt dagegen der Bundesverband Windenergie BWE und beruft sich dabei auf Schätzungen des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Der BUND geht demnach von 8000 Vögeln aus, die pro Jahr durch Windkraftanlagen an Land getötet werden. Das bedeutet, dass auf zwei Windräder im Durchschnitt pro Jahr ein toter Vogel kommt. Für wenig sinnvoll halten die Verfechter der Windenergie hingegen eine spekulative Diskussion um Offshore-Windanlagen, bevor diese überhaupt gebaut sind.
    Das sehen die Wilhelmshavener Vogelforscher anders – Klaus-Michael Exo:

    Einerseits werden die Anlagen deutlich höher sein als die, die bisher an Land errichtet wurden. Die werden knapp 200 Meter hoch sein. Fast alle Studien, die von Land vorliegen, stammen von kleinen bis mittelgroßen Anlagen in der Höhe von 100/120 Metern maximal. Zudem wissen wir, dass Vögel über See tiefer ziehen in der Regel als über Land. Und was anderes kommt dann noch hinzu, dass alleine aufgrund der höheren Windgeschwindigkeiten beispielsweise die Wahrnehmbarkeit der Anlagen über der offenen See vermutlich für die Vögel schlechter ist als über dem Land.

    Sieben Windparks in der Nordsee hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bislang genehmigt. Erst wenn diese ersten Pilotanlagen in Betrieb sind, lässt sich sagen, wie groß die Gefahr für durchziehende Vögel tatsächlich ist:

    Wir können dann hoffentlich messen: Wie hoch ist das Kollisionsrisiko, wir können dann mit Hilfe der Radargeräte beispielsweise auch beobachten: Wie verhalten sich Trupps, die sich einem Windpark nähern. Weichen sie aus? Fliegen sie über die Anlage? Weichen sie seitlich aus? Können sie eventuell zwischen den Anlagen hindurch fliegen und ähnliches. Und aufgrund solcher Beobachtungen kann man dann auch sicherlich Vorschläge zu einem relativ naturverträglichen Aufbau von Anlagen machen, indem man beispielsweise den Mindestabstand zwischen einzelnen Anlagen vorschreibt oder zumindest Vorschläge unterbreitet.