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Eisen gegen Iod

Chemie. - Die Arzneien, mit denen Patienten behandelt werden, werden natürlich auch wieder ausgeschieden und belasten gerade das Abwasser von Krankenhäusern besonders. Das Projekt "PharmaTreat" in Berlin erprobt jetzt ein Verfahren, das die brisante Brühe entschärfen soll.

Von André Hatting | 30.09.2008
    Täglich scheiden Patienten über den Urin Reste von Medikamenten aus. Literweise gelangen Antibiotika und Co. über die Toilette direkt in die Kanalisation. Die Filtersysteme der Kläranlagen beseitigen viele dieser Rückstände nur unzureichend. Manche sogar überhaupt nicht. Vor gut zehn Jahren wies Martin Jekel nach, dass die beim Röntgen benutzten Kontrastmittel auch im Trinkwasser vorkommen. In Deutschland gelangen jährlich 150 Tonnen dieser Jodlösung in den Wasserkreislauf. Das ist eine geringe Menge eines an sich nicht einmal giftigen Stoffes. Kontrastmittel haben keine pharmakologische Wirkung. Das Jod im Blut fängt lediglich die Röntgenstrahlen ab. Sonst nicht sichtbare Organe wie Herz, Nieren oder Venen werden bei der Untersuchung erkennbar. Trotzdem sind Röntgenkontrastmittel eine Gefahr, erklärt der Professor für Wasserreinhaltung an der Technischen Universität Berlin:

    "Es ist in der Vorsorge für das Gewässer und die Trinkwasserversorgung ein Problemstoff. Wir wissen von einem der Hauptstoffe, dass er sich sukzessive umsetzt. Und da entstehen immer Produkte, die man bisher nie untersucht hat. Wir nennen das Metabolismus. Und ein Prinzip ist, dass wir nicht allen diesen Metaboliten hinterherlaufen können bezüglich ihrer Wirkung, sondern wir sagen, die Primäremission muss vermieden werden."

    Dazu wird die Primäremission – also der Urin – zunächst einmal getrennt. Bis zu 80 Prozent des Kontrastmittels werden in den ersten sechs Stunden ausgeschieden. In einer fünfmonatigen Testsphase in drei großen Berliner Krankenhäusern stellten Martin Jekel und seine Kollegen fest, dass die Erfassung von Röntgenkontrastmitteln am besten durch dezentrale Sammlung des Urins mit mobilen Behältern funktioniert. Im Experiment im Labor der TU Berlin wird der gesammelte Harn wird dann mit Säure und Eisengranulat vermischt. Ein Rührstab mixt den Urin-Eisen-Cocktail unter Ausschluss von Sauerstoff. Die dabei ablaufende chemische Reaktion beschreibt Michael Stieber. Er promoviert über das Thema Reinigung von Krankenhausabwässern:

    "Das Röntgenkontrastmittel hat drei Jodatome. Die werden durch die Reaktion mit dem Eisen – ganz grob gesagt – de-jodiert. Sprich, die drei Jodatome werden abgespalten und durch Wasserstoffatome ersetzt. Die drei Jodatome machen die Stabilität dieses Moleküls aus und verhindern somit den biologischen Abbau. Es sorgt dafür, dass es sich gut im Wasser halten kann. Dass es stabil bleibt. Wenn wir die Jodatome ausgetauscht haben, dann hoffen wir, dass danach ein biologischer Abbau möglich ist und die Stoffe dann in den Kläranlagen entfernt werden können."

    Noch ist das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt in der Anfangsphase. Wie viel sich die Berliner Wasserbetriebe von den Untersuchungen versprechen, beweist, dass sie es mit 400.000 Euro vollständig finanzieren. Das Geld könnte gut investiert sein. Sollte es Michael Stieber und seinen Kollegen gelingen, die Röntgenkontrastmittel durch die Eisen-Jod-Reaktion unschädlich zu machen, wäre das eine vergleichsweise günstige Methode. Die Alternative, hochkonzentrierte Jodverbindungen bei 1200 Grad Celsius zu verbrennen, ist dagegen umständlich und teuer, wie Versuche in Industrieanlagen gezeigt haben. Doktorand Michael Stieber experimentiert mit der Eisen-Säure-Mischung aber nicht nur an Röntgenkontrastmitteln.

    "Wir untersuchen weiterhin noch Antibiotika. Weil, das sind prinzipiell auch Stoffe, die im Krankenhausurin vorkommen. Auch in nicht so geringen Konzentrationen und die auch biologisch aktiv wirksam sind. Die also unter Umständen Resistenzen bei Bakterien hervorrufen können oder einfach nur toxisch wirken. Wir untersuchen die einfach mit, weil es auch Problemstoffe sind, die durchaus mit dem Eisen dann verändert werden können, also unschädlich gemacht werden können, indem sie nicht mehr biologisch wirken. Wir haben bis jetzt festgestellt, dass sie sich verändern lassen. Inwiefern sie danach nicht mehr biologisch wirksam sind, das wird im Moment auch noch in Bioabbauversuchen untersucht."