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El trino del diablo

Frank Kämpfer | 13.06.1999
    Auch die zweite Produktion, die ich Ihnen kurz anspielen will, zehrt aus Traditionen, mischt Stile, und vereint verschiedene Kulturen der Welt. Auch sie wurde im Sakralraum produziert - von Spezialkünstlern, für ein beliebiges Publikum. Vergleichsweise aber wirkt, was hier erklingt, widerständig, greifbar und rauh: * Musikbeispiel: Carlo Domeniconi - "El trino del diablo" "El trino del diablo" heißt die 12-sätzige Partitur von Carlo Domeniconi und sie vertont zeitgenössische argentinische Literatur. Domeniconi, Italiener, Jahrgang 1947, wohnhaft in Berlin-Kreuzberg, stieß vor nunmehr 5 Jahren darauf, als er in Istanbul lebte und am Konservatorium alle Kraft in seine Gitarrenklasse gab. Das Buch seinerseits, geschrieben von Ricardo Moyano, vereint lateinamerikanische Märchen und Mythen, soziale Träume und soziale Realität. Im Zentrum steht ein begabter junger Musiker, dessen Erfolg je nach politischer Konstellation Zuspruch oder Verfolgung erfährt. Sein Instrument stammt aus einem mythischen Grab, es führt ihn in die Etagen der Macht, er begleitet ihn bei der (48) Rebellion der Kommune, er und spürt überall jene utopische Kraft der Musik, die private Konflikte ausräumt, politische Turbulenzen entschärft und am Ende märchenhaft Rivalen und Gegner besiegt. Im Vergleich zum namhaften Hilliard-Ensemble demonstrieren die No Names aus Kreuzberg Gegenteiliges: Die glatte geschönte Folie des Sounds bricht auf, Zitiertes weist auf geographische, korrekter: auf soziale Ursprünge hin. Tango aus Buenos Aires, das war einmal... Spuren von Kirchenmusik, türkisches Schlagwerk, Jazz, Gipsy-Music, aber auch Klassisch-europäische Form wie Melodram, Divertimento und Arie finden sich in der Komposition. 15 Musiker, Freunde und Kollegen des Komponisten agieren - sie stammen aus Polen, Korea, Brasilien, Italien, Deutschland, Spanien und Aserbaidshan und bringen nationale Traditionen ins Spiel. Keine Gleichschaltung schließlich des Verschiedenen findet hier statt, das immer Andere bleibt kenntlich und kommt in seinen verschiedenen Sprachen deutlich zu Wort. Carlo Domeniconi - "El trino del diablo" für Solovioline, Sopran und 12 Instrumente. Francisco de Gálvez dirigiert, die Sängerin ist Barbara Hoos de Jokisch. * Musikbeispiel: Carlo Domeniconi - "El trino del diablo" Carlo Domeniconi, "El trino del diablo". Nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Moyano für Solovioline, Sopran und 12 Instrumente. Erschienen ist diese erfrischende Produktion beim Label kreuzberg records, einem Berliner Kleinlabel, welches sich mit Erfolg für Zeitgenossen zwischen den Sparten engagiert. Zuvor erklangen zwei Titel aus dem Album "Mnemosyne" mit Jan Garbarek und dem britischen Hilliard Ensemble - erschienen gleichfalls im Frühjahr '99 beim exklusiven Münchner Label ECM. Sie hörten die Sendung "Die neue Platte", vorgestellt heute von Frank Kämpfer.