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Elektromobilität
Das Uni-Mobil aus München

Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen sehen. Bei diesem ehrgeizigen Ziel könnte vielleicht ein Konzept der TU-München helfen. Das kleine Fahrzeug namens VisioM hat in Fachkreisen für viel Aufmerksamkeit gesorgt.

Von Piotr Heller | 01.12.2014
    Wenn man mit den Entwicklern von VisioM spricht, fallen zunächst einmal viele technische Zahlen: Das zweisitzige Elektroauto schafft über 160 Kilometer mit einer Akkuladung, es ist 120 Kilometer pro Stunde schnell, es wiegt nur 550 Kilo, sagt Martin Hammer. Doch die wirklich interessanten Zahlen sind andere. Sie verraten, wie dieses Auto entstanden ist.
    "Es waren über 80 Doktoranden dran beteiligt und über 500 Studien-, Semester-, Diplomarbeiten wurden auch im Rahmen des Projektes verfasst."
    Martin Hammer arbeitet am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TU München und war an der Projektleitung von VisioM beteiligt. Auch wenn große Hersteller wie BMW oder Daimler daran mitgewirkt haben, es ist ein echtes Uni Projekt. Das hat seine Vorteile.
    "Weil man an der Universität einfach die Möglichkeit hat, nicht produktbezogen zu erforschen und zu entwickeln. Wir haben hier mit dem VisioM-Projekt die Möglichkeit gehabt, von einem weißen Blatt Papier anzufangen und einfach das Mobilitätskonzept nochmal genau zu überdenken: Was braucht der Kunde wirklich und wie kann das umgesetzt werden?"
    Der Kunde braucht eine gewisse Reichweite. Darum ist das Auto darauf ausgelegt, sparsam zu sein: Es ist klein, hat eine flache Windschutzscheibe, kaum Fugen und ein Fließheck. All das verringert den Luftwiderstand. Außerdem soll es seine Batterie perfekt ausnutzen. Dafür sorgt ein kompliziertes Batteriemanagementsystem, das Georg Walder grade optimiert. Er ist einer der 80 Doktoranden. In einer Halle der TU München steht er vor dem Elektroauto. Dessen Türen stehen offen und aus dem Inneren ragen Kabel, über die zwei andere Forscher Daten der Fahrzeugsteuerung auslesen.
    "Ich bin gerade dabei jetzt, hier das Batteriesystem weiter zu optimieren. Es ist ja so, dass das Batteriemanagementsystem jede einzelne Zelle im Energiespeicher überwacht. Und dann auch dafür sorgt, dass jede einzelne Zelle den gleichen Ladezustand hat. Und wenn sich jetzt der Ladezustand unterscheidet, dann sorgt das Batteriemanagementsystem dafür, dass eben dieser Ladezustand wieder ausgeglichen wird. Das bin ich gerade dabei zu überprüfen."
    Dafür lädt Georg Walder die Batterie auf. Weil das Auto offen ist, hört man deutlich die Lüfter, die die einzelnen Zellen beim Aufladen kühl halten. Die Batterie befindet sich in der Mitte des Fahrzeugs, wo sie bei einem Unfall gut geschützt ist. Das ist Teil eines ausgefeilten Sicherheitskonzepts, das gerade bei so einem kleinen Auto wichtig ist, erklärt Martin Hammer.
    "Wenn man jetzt so ein kleines Fahrzeug hat, muss man versuchen, die Crashzonen zu erhöhen. Das wurde bei dem Fahrzeug so gelöst, dass wir sowohl nach vorne als auch zur Seite Strukturairbags haben, also Airbags, die nach außen aufgehen, um einfach die Crashzone zu verlängern. Und eben zusätzlich den Sitz noch in die Fahrzeugmitte zu verschieben, um auch hier wieder den Abstand von - bei einem Seitenaufprall - dem Unfallgegner und der Person zu vergrößern.
    Radarsysteme sollen Unfälle vorhersehen
    Die Strukturairbags kann man sich wie Feuerwehrschläuche vorstellen, die sich noch vor einem Unfall innerhalb von Tausendstel Sekunden mit Gas füllen. Dafür wachen rund um das Auto Radarsysteme, die Unfälle vorhersehen sollen. Zusätzlich ist vorne eine 3D-Kamera angebracht. Die hat noch eine weitere Aufgabe: Ihre Bilder übermittelt sie an ein Cockpit, das grade in einer Nachbarhalle steht. Von dem aus lässt sich das Auto fernsteuern.
    "Hier sieht man den Operationsplatz. Der Fahrer, der nicht im Auto sitzt, aber dennoch alles sieht, was ein normaler Fahrer im Fahrzeug sehen würde. Wir haben aus diesem Grund verschiedene Bildschirme angeordnet. Der Fahrer sieht das Umfeld des Fahrzeugs und kann dann ganz normal mit Gas und Bremse und Lenkrad dann das Fahrzeug steuern. In Teilstudien habe ich das auch probiert. Es ist nicht unangenehm, so zu fahren."
    Um dem Fahrer ein Gefühl für die Straße zu vermittelt, bietet das Cockpit mehr als nur ein Video der Straße. Das Lenkrad simuliert Vibrationen, aus Lautsprechern kommt ein künstlicher Motorsound. Dieses ferngesteuerte Fahren ist auch Teil des Mobilitätskonzepts. Irgendwann könnten Menschen Autos nicht mehr nur für sich kaufen, sondern mit anderen teilen. Dann könnten sie es vor der Haustür abstellen, von dort aus würde ein Teleoperator es zu einer Ladestation oder zu anderen Kunden fahren. Das Auto der Zukunft soll nämlich nicht unnötig rumstehen. Ob VisioM tatsächlich das Auto der Zukunft ist, das müssen die Hersteller entscheiden. Die Macher erproben zwar noch einzelne Komponenten. Aber das Gesamtkonzept ist schon so weit erarbeitet und getestet, dass ein Hersteller es zu einer Kleinserie entwickeln könnte.