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Elektronische Gesundheitskarte
"Hilft dem Gesundheitswesen überhaupt nicht"

Nett gemeint, aber nicht gut durchdacht: So beschreibt Padeluun, der Vorsitzende des Datenschutzvereins "Digitalcourage" die neu eingeführte Elektronische Gesundheitskarte. Er spricht sich gegen die zentrale Lagerung von Gesundheitsdaten aus: Der Verschlüsselung der gespeicherten Daten könne man nicht vertrauen, sagte er im DLF.

Padeluun im Gespräch mit Stefan Römermann | 14.01.2015
    Ohne Foto bald nicht mehr gültig: Die Gesundheitskarte
    Ohne Foto bald nicht mehr gültig: Die Gesundheitskarte (dpa/picture alliance/Harald Tittel)
    Stefan Römermann: Seit Anfang des Jahres ist sie Pflicht, die neue Elektronische Gesundheitskarte. Bisher bringt sie kaum Vorteile für Patienten, doch das soll sich bald ändern. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will die Karte nämlich zum Schlüssel für die Elektronische Patientenakte machen.
    Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Padeluun. Er ist Vorsitzender des Datenschutzvereins "Digitalcourage". Padeluun, darf ich vielleicht einfach mal fragen: Haben Sie denn selbst schon Ihre Elektronische Gesundheitskarte? Es gibt ja doch immer noch ziemlich viele Versicherte, denen das Ganze ziemlich unheimlich ist.
    Padeluun: Nein, ich habe keine Elektronische Gesundheitskarte. Ich habe nach wie vor meine Krankenkassenkarte, die ich seit vielen Jahren habe, die auch noch bis 2016 - zumindest ist das aufgedruckt - gültig ist, die aber - und das Problem habe ich natürlich auch - nicht mehr von allen Sprechstundenhilfinnen anerkannt wird.
    Römermann: Hatten Sie da schon Probleme mit?
    Padeluun: Ich hatte da tatsächlich selber schon Probleme mit. Ich habe jetzt meine letzten Medikamente dann nur als Privatverfügung aufgeschrieben bekommen. Das heißt, ich muss die einreichen und von der Kasse das Geld zurückbekommen. Da arbeite ich gerade dran.
    Römermann: Was haben Sie denn gegen die Karte? So wie sie jetzt ist, sind doch eigentlich kaum mehr Informationen darauf als bisher auf der alten Gesundheitskarte.
    Padeluun: Das ist ja der Trick dieser ganzen Karteneinführung. Wir haben ja schon, ich glaube, 2004 damals das GKV-Modernisierungsgesetz ausgezeichnet mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die Karte ist so geschickt lanciert worden, dass man eigentlich an keiner Stelle sagen konnte, das was wir da haben ist jetzt aber ganz schlimm, sondern das gab es nicht. Wovor wir warnen ist das, was in der Zukunft damit möglich ist, das, was gerade in Ihrem Bericht auch berichtet wurde, Herr Gröhe möchte dann gerne zu 2016 die gesamte Vernetzung aufbauen, und da haben wir ganz, ganz große Bedenken.
    Außerdem gibt es ein weiteres Bedenken: Diese Karte bedeutet auch, dass wir eine lebenslange Versichertennummer haben. Das ist neben der lebenslangen Steuernummer und anderen Nummern, die sich immer mehr einschleichen, eigentlich etwas, was wir in Deutschland nach dem Krieg nie wieder haben wollten. Wir wollten nie wieder Menschen an eine Nummer binden und wie Nummern behandeln, und da sehe ich tatsächlich eine, ich kann jetzt mal sagen, kulturelle Gefahr, die einfach nicht unserem Bewusstsein entspricht, nie wieder Listen zu führen über Menschen, die man damit verwaltet, weil wir das einfach in Deutschland nicht haben wollten.
    "Eine zentrale Lagerung sämtlicher Patientendaten, das geht nicht"
    Römermann: Trotzdem muss man natürlich fragen, braucht es nicht vielleicht doch mal langsam eine zeitgemäße Alternative zu dieser klassischen Patientenakte aus Papier, die dann manchmal zu so einem richtigen Stapel wird? Ist es nicht an der Zeit, dass man die irgendwie elektronisch führt?
    Padeluun: A) werden die Sachen meist ja doch schon elektronisch geführt in verschiedenen Arztpraxen. Ich halte das für recht sinnvoll. Das mag zwar vielleicht komisch klingen, wenn ich sage, lieber habe ich die Daten dezentral irgendwo liegen. Ich hätte dazu gerne einen gesicherten Übertragungsweg, der Ende zu Ende verschlüsselt ist, damit ein Arzt einem anderen ein Papier, was er braucht, schicken kann. Aber eine zentrale Lagerung sämtlicher Patientendaten, egal wie gut die Verschlüsselung angeblich ist, das geht nicht. Weil das Problem bei Verschlüsselung ist: Sie funktioniert nur in dem Moment wirklich sicher, wo ich sie anwende. Das heißt, für den Transport, für die Datenübertragung von Arzt A zu Krankenhaus B ist das in Ordnung. Aber wenn ich das irgendwo verschlüsselt hinlege, vielleicht auf Jahre, weiß ich ja nie, ob die Verschlüsselungsverfahren nicht dann doch irgendwann veralten, geknackt werden oder Ähnliches. Das heißt, ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Dokumente, die einmal verschlüsselt irgendwo abgelegt sind, oder auch mittels Verschlüsselungsprogrammen - das sind ja ähnliche Verfahren - signiert sind, dass das tatsächlich ungebrochen bleibt. Deswegen darf man auf so eine Infrastruktur überhaupt nicht vertrauen.
    Worauf ich aber vertrauen kann ist: Wenn ich versichert bin, werde ich auch vom Arzt behandelt. Es gibt einen Papiernachweis, den ich mir von der Krankenkasse holen kann, den ich beim Arzt vorlegen kann. Das kann ich noch innerhalb des Quartals tun, in dem ich beim Arzt bin. Bei Zahnärzten ist das ein bisschen anders; da muss ich das, glaube ich, innerhalb von zehn Tagen hinbekommen. Das ist genauso ein Versichertennachweis wie im Moment auch diese komische EGK. Außer, dass sie der IT-Industrie, also der informationstechnischen Verarbeitungsindustrie Geld bringt, hilft die ja dem Gesundheitswesen überhaupt nicht, und demzufolge ist die aus ökonomischen Gründen abzulehnen.
    Römermann: Aber das Argument ist ja durchaus nachvollziehbar: Man könnte damit Menschenleben retten, wenn man beispielsweise Notfalldaten darauf hat, Blutgruppe oder Medikamenten-Unverträglichkeiten. Ob die nun auf der Karte abgespeichert sind, oder auf einem zentralen Server, ist dann noch eine andere Frage. Aber wiegen denn da nicht die Chancen die Datenschutzrisiken irgendwo auf?
    Padeluun: Nicht wirklich. Wenn ich gerne meine Notfalldaten irgendwo schnell zugreifbar für den Rettungsdienst haben möchte, dann habe ich damit einen Zettel im Portemonnaie, oder vielleicht ein Metallplättchen, worin das per Laser-Gravur eingebaut ist. Dann ist es nämlich, auch wenn es im Feuer gelegen hat, vielleicht noch lesbar. Eine EGK, die ich erst in ein Lesegerät einlegen muss, dann vielleicht eine Online-Verbindung aufbauen muss im Rettungswagen und dann dauert das zwei Minuten, bis dann irgendwann die Daten da sind, entschuldigen Sie! Ich glaube, wer schon mal am Internet versucht hat, schnell etwas hinzubekommen, wird sehen, dass das immer doch eine ganz schöne Zeit ist, die das dauert, bis die Daten übertragen sind. Das halte ich für zwar nett gemeint, aber tatsächlich nicht durchdacht.
    Römermann: Datenschutzbedenken bei der Elektronischen Gesundheitskarte - vielen Dank an Padeluun vom Datenschutzverein "Digitalcourage" für das Interview.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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