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Elektronische Musik aus Brasilien
Musikalische Tiefenbohrungen von Kafundó Records

Brasilien ist ein musikverrücktes Land. International wahrgenommen werden aber oft nur Interpreten traditioneller Genres. Dabei ist die zeitgenössische brasilianische Musikszene vielfältig - und dank digitaler Technik gewinnt auch elektronische Musik an Bedeutung. Das kleine Label Kafundó bringt solche Stücke heraus.

Von Ole Schulz | 10.12.2015
    Furmiga Dub aus Paráiba im Nordosten Brasiliens. Hinter dem Namen verbirgt sich der Produzent Fabiano Formiga. Sein Digital-Track "Saudadidela" verbindet den lokalen Carimbó mit Reggaeton aus der Karibik.
    Der Song gehört zur neuen Compilation von Kafundó Records. Das Label widmet sich neuer und unbekannter elektronischer Musik aus Brasilien. Doch während dort vor allem Trance und Goa beliebt sind, interessiert Kafundó umgekehrt gerade das spezifisch Brasilianische:
    "Da geht es im Prinzip darum, dass wir brasilianische Musik zwischen Tradition und Moderne veröffentlichen wollen, also zwischen akustischen afrikanischen Roots, Wurzeln, die aber mit digitalen, elektronischen Produktionsverfahren und neuen Stilen vermischt werden. Musik, die den Spagat macht zwischen afrobrasilianischer Tradition und neuer Musik."
    Der Deutsche Wolfram Lange hat das kleine Label 2014 gemeinsam mit dem US-Amerikaner Maga Bo in Rio de Janeiro gegründet, wo beide Musikliebhaber seit über zehn Jahren leben. Ihre ersten beiden Compilations standen ganz im Zeichen von Bassmusik á la Brazil.
    "Da gibt es dann Trap, was in Brasilien auch immer populärer wird, bei dem die Tropkillaz das dann mit einem Berimbau-Sample von einer alten Funk-Platte aus den 70ern mischen. Es gibt andere Mixturen Richtung Dubstep auch oder in Richtung Moombathon. Ja, aber immer mit einem entsprechenden Touch, was die afrobrasilianische Musik angeht."
    Die neue, gerade veröffentlichte Kafundó-Compilation widmet sich nun dem Nordosten, der musikalisch wohl reichhaltigsten Region Brasiliens. Von dort kommen viele afrobrasilianische Rhythmen: Maracatú, Carimbó, Axé, Forró oder Coco.
    "Im Nordosten gibt es viel Entwicklung und Kreativität, auch in der Weiterentwicklung der traditionellen Musikgenres, insbesondere mit digitalen, elektronischen Produktionstechniken, aber auch was die Vermischung mit anderen Musikstilen angeht."
    Was die Kafundó-Macher veröffentlichen, muss nicht unbedingt klubtauglich sein. Wichtig ist ihnen bei ihren musikalischen Tiefenbohrungen aber ein Kontakt auf Augenhöhe. Sie wollen nicht wie DJ Diplo auftreten. Der benutzt gerne neue Sounds aus den Metropolen des globalen Südens und hat Platten mit Carioca Funk aus Rio rausgebracht, bevor er ein Megastar wurde. Das hat Diplo den Vorwurf des "musikalischen Elendstourismus" eingebracht.
    "Wir haben bei uns ganz klar den Anspruch, dass wir so was direkt vermeiden wollen, indem wir gute Deals und richtige Verträge mit den Künstlern haben, dass wir einen nahen Kontakt zu den Künstlern haben. Das ergibt sich ja schon dadurch, dass wir viele Leute selbst persönlich kennen und beide auch vor Ort wohnen. Und jetzt nicht einfach nur mal für zwei Wochen an einen Ort jetten, und da gucken, was man rausziehen kann und dann schnell wieder weg sind und, wenn überhaupt, nur noch spärlicher Kontakt per digitaler Medien da ist."
    Im nächsten Jahr will Kafundó auch Platten mit einzelnen Musikern machen, unter anderem mit der Band Samba de Coco Raízes de Arcoverde - traditioneller Coco aus dem Landesinneren Pernambucos. Und das soll nur der Auftakt sein für weitere Veröffentlichungen:
    "Dann wird's ein Artist-Album geben von ÀTTØØXXÁ, das ist eigentlich Rafa Dias, der in vielen musikalischen Projekten in Salvador mitmischt, eigentlich einer der Protagonisten der sogenannten "Bahia Bass"-Szene in Salvador ist. Von dem wird was rauskommen."