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Elementarmusikteilchen

Das Leipziger Elektropop-Ensemble "Brockdorff Klang Labor" hat sein zweites Album veröffentlicht. Politische Themen liegen den Musikern am Herzen: Vor zwei Jahren hat das Trio den "Spex Protestsongwettbewerb" gewonnen.

Von Thomas Matsche | 02.03.2013
    "Ich bin Nadja von Brockdorff und ich bin Musikerin beim Brockdorff Klang Labor."

    "Hallo ich bin Sergej Klang, ich bin 39 Jahre alt und habe gerade einen Tee getrunken."

    Der Probenraum der Leipziger Band Brockdorff Klang Labor steht voll mit Keyboards und Konzertkoffern. Nadja von Brockdorff und Sergej Klang besprechen die bevorstehenden Tourtermine. Der Dritte im Bunde, Ekki Labor, lebt in Berlin. Meistens treffen sie sich nur zu den Konzerten.

    Ihr aktuelles Album, "Die Fälschung der Welt", sorgt seit dem Erscheinen im Oktober für viel Wirbel in der Musiklandschaft. Das bleibe natürlich nicht ohne Folgen, wie Sergej Klang bei den letzten Auftritten feststellen durfte.

    "Also ich nehme das stärker wahr bei den Konzerten, dass viel mehr Leute nach den Konzerten zu uns kommen und mit uns sprechen. Auch mit diesen Autogrammen, das gab’s früher auch, aber das ist jetzt viel, viel mehr, dass jetzt Leute Autogramme wollen, die CD, die Alben signieren lassen wollen, das ist erstaunlich."

    Vor mehr als zehn Jahren ging die Band aus einer Leipziger Partykommune hervor. Sergej und Nadja wohnten in den 90er-Jahren zusammen in einer Studenten-WG. Eine leer stehende Wohnung im selben Haus wurde zum Partytreff für skurrile Kunst-Abende mit bis zu 150 Besuchern umfunktioniert. DJs, Künstler und Musiker gaben sich die Klinke in die Hand. Die Location machte sich als Brockdorff Klang Labor einen Namen, benannt nach der Erika-von-Brockdorff-Straße, in der das Haus steht. Als die Partys weniger wurden, blieben nur noch der Name und die heutigen Bandmitglieder Nadja, Sergej und Ekki übrig. Sie fingen an, zu proben.

    "Und irgendwann haben wir da gemerkt, dass das ganz gut funktioniert, und haben alles ein bisschen verfeinert und haben mehr investiert in den Kern des Musikprojektes und dann professionalisierte sich das so ein bisschen. Und dann haben wir die ersten CD-Aufnahmen gemacht. Ich habe mir alte analoge Synthesizer gekauft und habe immer mehr an Zeit und auch Geld investiert und dann sind wir irgendwann beim Hamburger Label Zick Zack gelandet."

    Dort veröffentlichte die Band 2007 ihr erstes Album "Mädchenmusik". Darauf der Club-Hit "Frohe Schritte", mit dem das Brockdorff Klang Labor ein erstes Achtungszeichen setzte.

    Die Kritik feierte "Mädchenmusik" als einen intelligenten Soundtrack für das Nachtleben. "Frohe Schritte" sehen viele als die Hymne auf Leipzig.

    Fünf Jahre später ist nun das zweite Album, "Die Fälschung der Welt", erschienen. Es ist düsterer als sein Vorgänger, gespickt mit Referenzen an Christa Wolf und Michel Houellebecq. In Liedern wie "1989", "Escapism is over" oder "Festung Europa" bezieht die Band klar Stellung, erklärt Nadja von Brockdorff.

    "Das war untereinander schon immer so, dass wir eine politische Haltung hatten, dass wir das mit allen möglichen Aktionen auch nach außen hin vertreten haben und, dass die Band aber bisher musikalisch mit "Mädchenmusik" eher versteckt politisch agiert hat. Also da geht es eher um Gender-Thematik und das war nicht so offensichtlich. Viele Texte waren auch etwas kryptischer und poetischer. Und auf dem neuen Album ist ein bisschen mehr Klarheit eingezogen. Gerade auch Themen, die uns persönlich bewegen und auch mich stark bewegt haben. Gerade diese Asylpolitik und Flüchtlingsproblematik in Europa oder eben auch aktuell damals 1989, also die Thematik der Wende, die wir alle miterlebt haben und der Möglichkeiten und des Verschwindens von Utopien. Das alles sind Sachen, die jetzt deutlicher hervortreten, weil wir sie jetzt klarer benennen"

    Die Zeit ist reif für neue Visionen, sagt Nadja von Brockdorff, Eskapismus ist opportun. Wohl nicht zuletzt deswegen haben sie den Eröffnungstitel des Albums dem französischen Kapitalismuskritiker Guy Debord gewidmet. In "Sad-Eyed Punk" fordert die Band die Menschen auf, materielle Werte zu überdenken und im Zweifel sausen zu lassen. "Gib deinen Job auf, verlass das Land", lautet der Refrain.

    Ihr musikalisches Ideal sehen Brockdorff Klang Labor in der Kombination aus Intellektualität und Tanzbarkeit. Bands wie Ultravox haben es ihnen in den Achtzigern vorgemacht. "Dancing with tears in my eyes", so der bekannteste Titel jener Band, gilt auch für das Leipziger Trio. Sergej Klang hat in seiner Magisterarbeit über politische Popmusik in der Thatcher-Ära geschrieben. Dass nachdenkliche Texte mit elektronischer Tanzmusik auch live funktionieren, hat das Brockdorff Klang Labor schon bei vielen Konzerten erlebt.

    "Also das geht zusammen und das finde ich auch immer ganz erstaunlich und begeisternd, wenn das Publikum dann so gepackt wird und wir auch und dann so eine Atmosphäre entsteht, in der man tanzt, in der aber gleichzeitig die Leute dann im Chor "Festung Europa" oder "Verlass das Land" mitsingen. Das sind so Momente, wo ich auch denke: Ey toll, man merkt die Reaktion des Publikums, die hören wirklich zu, die sind dabei und es gibt da schon positive Reaktionen auch darauf."

    Bis Ende April tourt das Brockdorff Klang Labor durch Deutschland und die Schweiz.

    On Stage: Das Brockdorff Klang Labor - "Die Fälschung der Welt"
    Aufnahme vom 19.01.2013 im Club Das Bett in Frankfurt am Main
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