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Elitebonds sind "nicht im Sinne der gemeinsamen europäischen Idee"

Es zeichne sich ab, dass der Rettungshebel nicht die Kraft haben wird, um größere Problemfälle zu bewältigen, sagt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß. Er erhofft sich überzeugende Signale, "mit denen Europa klar macht, wir haben eine gemeinsame Zukunft".

Joachim Poß im Gespräch mit Jasper Barenberg | 29.11.2011
    Jasper Barenberg: Weiter keine Rettung in Sicht in der europäischen Schuldenkrise. Immer mehr Staaten müssen immer höhere Zinsen für ihre Schulden zahlen, immer größer werden die Zweifel an den bisherigen Rettungsversuchen. Viele Beobachter sehen schon den Tag X nahen, den Tag, an dem eine Lösung kommt, oder der Kollaps der gemeinsamen Währung. In Brüssel wollen die Finanzminister heute beraten, mit welchem Hebel sie die Garantiesumme des Rettungsschirms aufstocken wollen. Ob der aber ausreicht, um den Finanzmärkten Vertrauen und Respekt einzuflößen, ist völlig offen.
    Mitgehört hat Joachim Poß, als SPD-Fraktionsvize im Bundestag auch zuständig für Finanzen und für Haushalt. Schönen guten Morgen.

    Joachim Poß: Guten Morgen.

    Barenberg: Wird sich heute, Herr Poß, spätestens morgen dann zeigen, dass der Rettungsschirm nicht ausreichen wird, um das Vertrauen in den Euro wieder herzustellen?

    Poß: Das wird sich nach den Beratungen von Finanzministern der Euro-Zone oder auch im EU-Raum natürlich so nicht herausstellen. Das wird sich ja sicherlich erst später herausstellen, wie dann, wenn eine solche Lösung realisiert wird, die denn dann ankommen letzten Endes in dem sogenannten Marktumfeld.

    Barenberg: Also Sie haben noch Hoffnung, dass der EFSF, von dem dieser Tage ja wieder viel die Rede ist, dass er die nötige Schlagkraft besitzt, um die Märkte zu beruhigen?

    Poß: Also wir haben ja all diese Operationen veranstaltet, um endlich ein Instrumentarium zu haben, um Probleme einzuhegen, Problemen, wie wir sie haben, begegnen zu können, und da war schon die Hoffnung, dass eben der sogenannte Rettungsschirm so weit ertüchtigt wird, dass er die anstehenden Probleme in der Euro-Zone bewältigen kann. Ob das jetzt mit den konkreten Hebeln, so wie sie vorgeschlagen wurden, tatsächlich geleistet werden kann, das muss auch nach den Beratungen gestern zumindest mit einem Fragezeichen verbunden werden. Damit will ich aber nicht schwarz malen, weil ich das Hauptproblem darin sehe, dass jetzt nun wirklich in ganz Europa von allen, ob von Investoren oder von der Politik, jeweils runtergeredet wird und damit dieser Teufelskreis sich verstärkt.

    Barenberg: Aber es scheint doch offensichtlich zu sein, oder jetzt schon klar zumindest, dass der Hebel gleichsam kürzer ausfallen wird als geplant, dass der Rettungsschirm nicht so kraftvoll werden kann wie gewünscht.

    Poß: Es sieht so aus, dass der Hebel jedenfalls nicht die Kraft haben wird, um größere Problemfälle zu bewältigen, ohne dass man jetzt einzelne Länder nennt. Es wird ja heute Abend auch jedenfalls ein größeres Land im Kreise der Euro-Finanzminister oder die Situation dieses Landes erörtert werden, und auch da gibt es ja inzwischen, wenn der EFSF denn sozusagen funktionstüchtig ist, Instrumente, mehr Instrumente als bisher, mit sogenannten vorsorgenden Krediten dem Land zu helfen – immer unter bestimmten Voraussetzungen, denn wir brauchen ja sowohl mehr Stabilität auf der einen Seite, wie wir eben auch etwas unkonventionellere Hilfsmaßnahmen ins Auge fassen müssen. Die Tabuisierung, die da vonseiten der FDP kommt, oder von anderen, hilft ja nicht weiter. Damit will ich mich überhaupt nicht unkonditioniert für Eurobonds aussprechen, aber dass man sich mit der Idee solcher gemeinsamer Anleihen - in welcher Form auch immer, das hängt ja von der Ausgestaltung ab – stärker beschäftigen muss, als das bisher geschehen ist, das liegt auch auf der Hand, denn wir brauchen ja überzeugende Signale sozusagen, die dann auch wahrgenommen werden in Europa, an den sogenannten Märkten in der ganzen Welt, als die Signale, mit denen Europa klar macht, wir haben eine gemeinsame Zukunft, die Euro-Zone jedenfalls hat eine gemeinsame Zukunft mit dem Euro.

    Barenberg: Sie haben eben ein Land erwähnt in der Euro-Zone; Sie sprechen von Italien und von der Möglichkeit, dass das Land Kredite des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen könnte, oder eben Mittel aus dem Rettungsfonds. Davon gehen Sie fest aus?

    Poß: Das kann ja mit letzter Sicherheit niemand sagen. Im Prinzip ist es ja so, dass Italien von der Wirtschaftsstruktur her eigentlich ein gesundes Land ist, dass es ja nun gelitten hat, jetzt allerdings auch schon Jahrzehnte, muss man ja sagen, unter besonderen Problemen, unter besonderen Nord-Süd-Problemen und anderen Problemen, die allseits bekannt sind, Problemen insbesondere der politischen Führung, die sich dann in einer Person, in Berlusconi kulminiert haben, und es ist natürlich die Hoffnung, dass zumindest das politische Management sich deutlich verbessert, jedenfalls besser wird, als das bisher der Fall war, und dass dann, sage ich mal, die Hinderungskräfte für die weitere Stärkung auch der wirtschaftlichen Entwicklung in den Hintergrund gedrängt werden. Also Italien ist kein krankes Land in dem Sinne, denn die hatten schon immer leider hohe Schulden, als sie noch viel günstiger ihr Geld bekommen haben an den Finanzmärkten, wenn sie Anleihen ausgegeben haben, als das jetzt der Fall ist. Daran sieht man ja auch, wie irrational diese Entwicklung ist.

    Barenberg: Lassen Sie uns noch über den Punkt sprechen, der seit ein paar Tagen in aller Munde ist: die sogenannten Elitebonds. Also: Was halten Sie von dem Vorschlag, von dem Gedankenspiel, dass die Länder mit Bestnoten bei der Kreditwürdigkeit sich zusammentun - Deutschland, Finnland, Niederlande, Luxemburg, Österreich gehören dazu - und gemeinsame Anleihen herausgeben?

    Poß: Also das ist natürlich ein Vorschlag, der nicht im Sinne der gemeinsamen europäischen Idee ist, dass man die politischen Institutionen, das Europäische Parlament, die Kommission stärkt, sondern das ist dann Handeln oder ein Vertrag zwischen den Regierungen, und von daher ist der Vorschlag mit einem entscheidenden politischen Makel behaftet. Aber der Vorschlag zeigt natürlich auch eine gewisse Verzweiflung, die da ist, weil man sich eben geweigert hat, hier auch in der Bundesregierung, Lösungswege zu diskutieren, die allesamt öffentlich diskutiert werden. Das ist ja die Frage zum Beispiel einer Banklizenz für den Rettungsschirm – da gibt es Gegenargumente, Eigenkapital und anderes mehr -, das ist die Frage, inwieweit – auch das müsste man überlegen – konditioniert die EZB noch handeln kann. Die hat ja im Moment immer nur aus Verlegenheit gehandelt, hat dann Staatsanleihen aufgekauft, weil andere Instrumente nicht gegriffen haben. Aber all das müsste man relativ vorurteilsfrei diskutieren und nicht mit Tabus behangen und mit dem Versuch, dann dem politischen Gegner irgendeine Schuldenmentalität anzuhängen und alles, was wir erlebt haben. Mit einer solchen Einstellung wird man einer Problemlösung nicht näher kommen, und darüber sollte Frau Merkel und auch andere intensiver nachdenken als bisher.

    Barenberg: Sie haben ja selber gesagt, wir brauchen mehr Stabilität. Insofern würde viel dafür sprechen, wenn die Länder, die diese Stabilität schon repräsentieren, dann gemeinsame Anleihen ausgeben.

    Poß: Unter pragmatischen Aspekten als ein erster Schritt, um da Stabilität zu sichern und dann diese Stabilität auch in den gesamten Euro-Raum zu vermitteln, kann man eine solche Idee sogar nachvollziehen. Aber wie gesagt, sie ist auch geschuldet dem Umstand, dass andere Diskussionen von vornherein tabuisiert sind oder als Gegensätze begriffen werden. Ich sehe diese Gegensätze nicht. Man wäre klug beraten, wenn man parallel eben zum Beispiel Vertragsänderungen zumindest diskutieren würde, oder das, was sich in der Euro-Zone strukturell verändern muss in Richtung einer effizienteren ökonomischen finanzpolitischen, haushaltspolitischen Integration.

    Barenberg: Joachim Poß, der als SPD-Fraktionsvize im Bundestag für Finanzen und Haushalt zuständig ist. Herr Poß, danke für das Gespräch heute Morgen.

    Poß: Bitte. Auf Wiederhören.

    Barenberg: Auf Wiederhören.

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