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Elmar Brok (CDU) zum Unionsstreit
"Es gibt viele Spielräume, den Bruch zu verhindern"

Im Streit mit der CSU über die mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen müsse es eine Lösung geben, "die über die europäische Schiene geht, die Angela Merkel ausgehandelt hat", sagte der CDU-Politiker Elmar Brok. Ziel der CDU sei nicht der Rücktritt von Innenminister Horst Seehofer, sondern eine Einigung.

Elmar Brok im Gespräch mit Sandra Schulz | 02.07.2018
    Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok redet am 9.06.2018 auf einem Landesparteitag der CDU in Bielefeld auf dem Podium zu den Delegierten.
    Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok (imago / Sven Simon)
    Sandra Schulz: Wir können jetzt die Perspektive schwenken, auf die große Schwester der CSU schauen, auf die CDU. Am Telefon ist Elmar Brok, Europaabgeordneter und CDU-Vorstandsmitglied. Schönen guten Morgen.
    Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: CSU-Chef Seehofer bietet jetzt seinen Rücktritt an. Ist es das, was die CDU wollte?
    Brok: Nein, das wollten wir nicht. Wir wollen eine Einigung haben, aber wir wollen keine Einigung haben, die das Ergebnis der Bundeskanzlerin im Europäischen Rat für null und nichtig erklärt. Wir wollen insbesondere auch dafür sorgen, dass die wirklich wirkmächtigen Maßnahmen, die über Europa möglich sind, die teilweise zu 95 Prozent weniger Migranten geführt haben in diesen Monaten als im Herbst 2015, und wiederum 20 Prozent weniger in diesem ersten Halbjahr als im ersten Halbjahr 2017 …
    Schulz: ... schon durchgeführt sind, Aber der Maßstab war ja jetzt die Wirkungsgleichheit zu den Zurückweisungen. Wie kam da die CDU überhaupt auf die Idee, dass das, was Merkel mitgebracht hat aus Brüssel, dass das der CSU reichen könnte?
    "Man muss bei uns im Inneren noch manches besser machen"
    Brok: Das ist nun eindeutig. Ich meine, es sind die Maßnahmen, die zur Reduzierung von Flüchtlingen insgesamt führen, und zwar erheblich durch die neuen Kontrollzentren, die gegründet werden, in denen Menschen verbleiben können. Da gehört dazu, dass wir weniger haben, dass es kontrollierter ist, dass über die bilateralen Vereinbarungen diejenigen, die dann doch noch durchkommen, in vielen Bereichen zurückgenommen werden können. Österreich nimmt ja bei Zurückweisungen niemand mehr auf. Das heißt, bei Seehofer wird niemand, der zurückgewiesen wird, Österreich sie auch nicht aufnehmen. Aus diesem Grunde heraus hat das sehr viel mehr Wirkung. Ich glaube, wenn wir insgesamt weniger Flüchtlinge haben, die nicht berechtigt sind, und wiederum glaubwürdiger zurückschicken können, dann scheint mir das, glaube ich, ein wichtiger Maßstab zu sein.
    Schulz: Aber, Herr Brok, es gab ja, wenn ich kurz zwischenfragen darf, zwei zentrale Punkte bei den Einigungen: Einmal diese sogenannten Ausschiffungsplattformen, bei denen ist vollkommen unklar, wer die in Nordafrika halten soll. Alle Nordafrikaner oder viele haben schon abgewunken. Und es gibt die Asylzentren innerhalb der EU. Auch da ist vollkommen unklar, wo die entstehen sollen. Wie kommen Sie darauf zu sagen, das ist genauso effektiv, wie den Menschen konkret an der Grenze die Einreise zu verweigern?
    Brok: Es handelt sich doch in diesem Falle, was mit den bereits registrierten zu tun hat, um wenige hundert pro Monat. Und wenn man um Tausende insgesamt es verringert - in Nordafrika werden das die Vereinten Nationen machen -, das ist doch klar. Und außerdem gibt es über die Erhöhung der Mittel für den Nahen und Mittleren Osten und für Afrika auch zunehmend die Möglichkeit, die Menschen dort aufzufangen. Die Lager gibt es doch schon in Libyen; die werden aber noch von Verbrechern geführt. Wenn die Vereinten Nationen sie übernehmen, ist das so sehr viel besser. Die Maßnahmen, gegen die Menschenhändler vorzugehen, was Richtung der Türkei passiert, muss auch stärker in Libyen passieren, damit die Menschen gar nicht aufs Mittelmeer kommen. Wir machen schon in Niger solche Maßnahmen, dass sie gar nicht durch die Sahara kommen. Ich glaube, das sind doch wirklich dramatisch positive Maßnahmen, und ich glaube, manches muss man bei uns im Inneren noch besser machen mit bestimmten internen Regeln, die schnellere Abschiebungen möglich machen. Bisher werden von den Aufgefangenen 15 Prozent zurückgeführt. Das ist doch viel zu wenig!
    Schulz: Lassen Sie mich das kurz fragen. Die Maßnahmen im Innern, das sind die 62 Punkte, über die sich CDU und CSU auch einig sind. Aber wenn ich Sie jetzt richtig verstehe, dann wird es an dem Punkt Zurückweisungen kein Entgegenkommen der CDU geben, und dann muss und wird Horst Seehofer zurücktreten?
    Das europäische Konzept nicht durcheinanderbringen
    Brok: Wir haben eindeutig beschlossen, dass wir das, was in Europa erreicht worden ist, nicht durch einseitige Zurückweisungen gefährden wollen, weil das sehr viel wirkmächtiger ist, das man hier jetzt zusätzliche in Gang gesetzt hat, neben den Maßnahmen, die bereits gelungen sind, 95 Prozent weniger als im Herbst 2015, 20 Prozent weniger als im letzten Jahr. Das sind doch dramatisch positive Zahlen, die man festhalten sollte, und darauf aufzubauen, scheint sinnvoller zu sein, als dass man das europäische Konzept durcheinanderbringt. Man muss es ausbauen und es wird dramatisch ausgebaut. – Ja, man muss auch mal die positiven Ergebnisse sagen dürfen!
    Schulz: Aber die CSU sieht es ja nicht so. Wie soll der Bruch denn jetzt noch abgewendet werden?
    Brok: Wir werden sehen, was dort verhandelt ist, und die Verhandlungslinie ist ja durch den Beschluss der CDU gestern definiert worden.
    Schulz: Und durch den Beschluss der CSU, nämlich Horst Seehofer den Rücken zu decken. Mich würde wirklich interessieren, welchen Kompromissspielraum Sie da sehen.
    Brok: Ich werde jetzt nicht sagen, was der Vorstand gleich noch mal diskutieren wird, weil ich es auch nicht weiß, weil diese Lösung, dass er noch mal verhandeln will, ja heute Nacht geschehen ist. Deswegen werden wir um 8:30 Uhr im Vorstand neu tagen. Ich glaube aber nicht, dass ein Beschluss gefasst wird, dass wir die alte Lage wiederherstellen, die Horst Seehofer gefordert hat. Die Bundeskanzlerin ist aufgefordert worden, in Europa Lösungen zu erreichen. Diese Lösungen sind großartig. Diese Lösungen bringen zu den 95 Prozent weniger jetzt zusätzliche Möglichkeiten, dieses hinzubekommen, die Zahlen dramatisch zu verringern, und das werden wir nicht gefährden.
    Schulz: Herr Brok, ich verstehe, dass Sie über dieses Szenario eines möglichen Bruchs nicht so gerne sprechen wollen. Aber ist es so, dass die CDU schon den Plan B vorbereitet, Antreten bei der bayerischen Landtagswahl als CDU, falls der Bruch kommen sollte?
    "Ich glaube, dass hier auch Vernunft einkehrt"
    Brok: Ich glaube, es gibt viele Spielräume, den Bruch zu verhindern, und ich glaube, dass hier auch Vernunft einkehrt, dass dieses nicht möglich ist. Gestern ist im Vorstand, wo wir viele Stunden zusammen gewesen sind, von niemandem gesagt worden, dass wir das jetzt zum Anlass nehmen, in Bayern die CDU zu gründen.
    Schulz: Sie wollen sich dann beim Thema Zurückweisung möglicherweise doch noch bewegen?
    Brok: Nein, das werden wir nicht machen!
    Schulz: Was ist dann der Spielraum, von dem Sie sprechen?
    !Brok:!! Dieser Spielraum ist, dass wir auf Erfolge deutlich hinweisen, deutlich machen, dass viele entscheidende Punkte von Horst Seehofer über diese europäische Lösung möglich sind, und das werden wir durchführen.
    Schulz: Und was bringt Sie zu der Annahme, dass dieser Spielraum nicht längst ausgeschöpft ist? Das ist ja jetzt nun x-mal hin- und hergegangen zwischen Berlin und München. Es hat das Telefonat gegeben am Samstag; darüber hat Horst Seehofer gestern gesagt, sowohl die Maßnahmen als auch das Gespräch seien komplett wirkungs- und sinnlos gewesen. Sagen Sie noch mal, wo ist da der Spielraum?
    "Wir müssen eine Lösung finden, die der Koalitionspartner mitmacht"
    Brok: Das ist seine persönliche Beurteilung. Es haben auch gestern viele in der CSU gesagt, dass dies mit Europa erhebliche Fortschritte waren, dass die Kanzlerin hervorragend verhandelt hat, und ich glaube, dass wir auf diesem Weg vorangehen sollen, und wir müssen auch eine Lösung finden, die dann der Koalitionspartner mitmacht. Ich glaube, wenn man jetzt eins zu eins die ursprünglichen Positionen von Seehofer wieder zur offiziellen Politik macht, wird das auch zum Koalitionsbruch führen, weil die SPD das nicht mitmacht. Deswegen muss man eine Lösung finden, die über die europäische Schiene geht, die Angela Merkel ausgehandelt hat, und dazu müssen wir und sollen wir zusammenarbeiten.
    Schulz: Herr Brok, Entschuldigung, dass ich da jetzt rein muss. Wir laufen auf den Trailer zu. – CDU-Vorstandsmitglied und Abgeordneter im Europäischen Parlament Elmar Brok heute Morgen hier bei uns.
    Brok: Ich danke sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.