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Elternzeit
Pampers statt Parlament

Auch Parlamentarier bekommen Kinder, doch Mutterschutz oder Elternzeit gab es bislang nicht für sie. Auf Initiative einer jungen Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg wurden jetzt per Änderung der Geschäftsordnung diese Möglichkeiten geschaffen. Aus dem Bundestag gibt es bereits Überlegungen, diese Regelung zu übernehmen.

Von Michael Brandt | 27.11.2014
    Ein Vater hält seine drei Monate alte Tochter im Arm.
    Bisher konnten sich Abgeordnete kaum um ihren Nachwuchs kümmern. (picture alliance / dpa)
    Ziemlich überraschend wurde Anneke Graner aus Karlsruhe im März 2013 Landtagsabgeordnete. Sie war Nachrückerin, der bisherige Karlsruher SPD-Abgeordnete wurde Oberbürgermeister, also kam sie nach Stuttgart und hatte ein Problem, mit ihrem wenige Wochen alten Sohn Paul
    "Als ich ganz frisch im Landtag war, ist mein Mann immer mit dem Kinderwagen um den Landtag drumherum gelaufen und wenn Paul dann gestillt werden musste, bin ich aus dem Plenarsaal gestürmt. Das hört sich im Nachhinein lustig an, in dem Moment selbst ist es ziemlich anstrengend."
    Und sie fragte sich und sie fragte andere: Gibt es hier eigentlich keinen Mutterschutz und keine Elternzeit? Die Antwort: Nein.
    Ein Fehler, sagte sie, und machte sich als familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion daran, das zu ändern. Und zwar in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, denn klar war, so ein Thema kann keine Sache von Rot und Grün sein, es geht um die Geschäftsordnung des Landtags und da müssen alle ran.
    Und - es hat geklappt. Seit gestern hat der Landtag eine erweiterte Geschäftsordnung, eine Regelung, nach der innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschutzzeit Urlaub gewährt werden muss und sechs Monate nach der Geburt des Kinder Urlaub erteilt werden soll. Und es gibt eine zufriedene Anneke Graner
    "Wir setzen als erste in Deutschland ein klares Zeichen. Wir wollen mehr junge Frauen und Männer im Landtag Und wir schaffen die Strukturen dafür, dass Familie und Mandat besser vereinbart werden können."
    Erster Elternzeitler wird der Grünen-Abgeordnete Kai Schmidt-Eisenlohr sein.
    "Die ersten Momente eines kleinen Menschen sind sicherlich die beeindruckendsten und die intensivsten für junge Eltern. Da freut es mich natürlich sehr, dass mit der kommenden Regelung auch mein Sohn die Chance hat, seinen Vater etwas intensiver und vielleicht auch entspannter erleben zu dürfen."
    Ab 5. Dezember will er sich zwei Monate lang um ihn kümmern und sein Motto für die Zeit
    Eine bisher einmalige Regelung
    "Für mich gilt ab jetzt: Pampers statt Parlament."
    Praktisch soll es so funktionieren: Wenn eine Abstimmung ansteht, und die junge Mutter oder der junge Vater wegen Mutterschutz oder Elternzeit nicht teilnimmt, wird sich ein Abgeordneter des jeweils anderen politischen Lagers der Stimme enthalten. Parring Vereinbarung nennt man das und es zeigt, dass die Sache juristisch gar nicht so einfach war: Denn ein Landtagsabgeordneter ist vom Volk gewählt. Er kann sein Mandat zwar niederlegen, dann tritt ein anderer vom Volk gewählter Abgeordneter an seine Stelle, aber Urlaub ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Also hat man sich auf einen Zwischenweg geeinigt, so CDU-Mann Volker Schebesta.
    "Jeder Abgeordnete wird weiter selbst darüber entscheiden, ob er einen solchen Antrag gemäß Geschäftsordnung stellt. Er wird auch selbst weiterentscheiden, wie er die Wahlkreisarbeit wahrnimmt, aber wir werden als Landtag den Urlaub so behandeln, wie wir das bei dienstlicher Verhinderung tun."
    Nämlich gemäß der Parring-Vereinbarung.
    Die neue Regelung ist bis jetzt tatsächlich einmalig und die Abgeordneten aus alle Fraktionen hoffen, dass es viele Nachahmer gibt. Im Bund, wo erst kürzlich Familienministerin Kristina Schröder wegen ihrer Familie ihr Mandat niedergelegt hat, aber auch in anderen Landesparlamenten und in den Kommunen. Ein Nebeneffekt soll sein, dass mehr Frauen in die Politik kommen. Und erste Reaktionen gibt es bereits, so Anneke Graner.
    "Gerade gestern waren die ersten Reaktionen aus dem Bundestag, dass man sich überlegt, da das baden-württembergische Modell zu übernehmen und das wäre natürlich ein großartiger Erfolg. Baden-Württemberg setzt da Maßstäbe und das ist wunderbar."