Morbus Perthes

Wenn Mama das Fußballspielen verbieten muss

06:17 Minuten
Die Beine eines Jungen mit Fußball, vor einem Tor mit Torwart
Für viele Kinder normal, für Luis ein unerfüllter Traum: Fußballspielen. © imago images / Westend61
Von Thorsten Philipps · 06.01.2020
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Der neunjährige Luis liebt Fußball, er würde gerne selbst kicken. Er darf aber nicht, weil er eine seltene Krankheit hat: Ein Teil seines Hüftknochens ist nicht durchblutet. Bis dahin erzielt er große Erfolge beim Schwimmen.
Luis zusammen mit seinem Vater Moritz Marheineke im Stadion bei Fußballregionalligist VFB Lübeck. Hier stand Luis' Vater schon auf dem Platz und spielte Fußball und das will der Neunjährige auch, aber er darf nicht. Denn ein Teil seines Hüftknochens ist nicht durchblutet und muss deshalb geschont werden.
Fußball gucken statt Fußball spielen – für Luis ein Albtraum. Wieso ich, wieso diese Krankheit denkt Luis, wie er sagt, fast jeden Abend, wenn er ins Bett muss und hofft …
"… dass ich wieder Fußballspielen kann und laufen und dass die Verletzung weg ist."
Luis ist ein Kämpfer, der immer positiv denkt, sagen seine Eltern, aber natürlich ist er manchmal auch traurig, denn er darf laut Ärzten keinen Laufsport machen, erzählt sein Vater, der seine Fußballprofikarriere vor zwei Jahren beendet hat.
"Das tut einem schon weh, das ist schon so. Weil ich ja weiß, dass er auch ein Draußenkind ist, den Sport liebt, grad Fußball, was für ihn grad sehr schlecht ist, und weil er das auch sehr leidenschaftlich betrieben hat, weiß ich, dass es ihm grad sehr schwer fällt."

Knochengewebe abgestorben

Vor mehr als drei Jahren stellten Ärzte bei dem damals fünfjährigen Luis fest, dass das Knochengewebe im Hüftkopf abgestorben ist. Schuld für diesen sogenannten Morbus Perthes sind nach Angaben der behandelnden Ärztin Barbara Behnke Durchblutungsstörungen.
"Wir versuchen zunächst, durch eine Schonung und Reduktion der Belastung des Gelenkes das Gelenk zu schützen, damit wir die Zeit, bis die Durchblutung wieder einsetzt und der Knochen sich wieder aufbaut, überbrücken und halt möglichst versuchen, dass der Knochen sich in einer runden Form wieder aufbaut und in die Pfanne wieder passt."
Luis braucht calciumreiche Kost, calciumreiches Mineralwasser, viel Vitamin D – darauf achtet seine Mutter Jenni Marheineke bei den Mahlzeiten und auch für die Mutter ist es schwer, denn immer wieder ist sie zu Hause die böse Mama, die Luis bremsen muss: kein Fußballspielen, kein Trampolinspringen oder Toben.
"Man muss ja auch an den Spielbesuch denken, sonst kommt ja keiner mehr, wenn es heißt: Bei Luis darf man nur basteln und so, aber es geht ja nicht anders."

Drei bis vier Jahre krank

Verbote, die sie aussprechen muss, weil sie aus medizinischer Sicht immens wichtig sind, sagt Barbara Behnke:
"Das Problematische ist, dass die Krankheit drei bis vier Jahre verläuft, so lange dauert es, bis der Knochen sich wieder aufbaut und das bedeutet, die Kinder dürfen so lange keinen Sport machen."
Gerade am Anfang war es schwer für die ganze Familie, erzählt Luis’ Mutter Jenni Marheineke.
"Das war schon blöd. Man muss ja auch an die Psyche vom Kind denken. Und wir haben auch noch in einer Wohngemeinschaft gewohnt, wo alle Fußball gespielt haben. Du kannst ja nicht zu den Kindern sagen, dass sie nicht Fußballspielen dürfen, weil Luis krank ist und da haben wir ihn am Anfang ins Tor gestellt."
Inzwischen ist Luis drei Mal pro Woche beim Schwimmen – denn als Fußballtorwart darf er auch nicht mehr spielen – Schwimmen ist für ihn erst mal das Beste, sagt Jenni Marheineke.
"Da kann er halt seine Kraft, seinen Dampf, alles rauslassen. Das braucht er auch. Hätte er das nicht, würde er mir, glaube ich, auf dem Kopf tanzen."

Erfolg beim Schwimmen

Beim MTV Lübeck gehört Luis gleich zu den Besten – gewinnt sofort Pokale und Meisterschaften, erzählt sein Trainer Daniel Frenzel: "Super Erfolge, trotz Trainingsrückständen, weil er Operationen hatte. Er ist ein Junge, für den Sport alles bedeutet. Für ihn ist Sport Leben."
Erfolg im Schwimmen macht Luis Spaß, das freut auch seinen Vater Moritz. Er hofft, dass Luis in ein paar Monaten vielleicht wieder gesund wird.
"Sein Hüftkopf ist zu drei Vierteln wieder hergestellt, diese drei Viertel sind schon rund, aber er bekommt Athrose, wenn das letzte Viertel nicht auch rund wird, und es wird nicht rund, wenn er sich zu viel bewegt, und dieses letzte Viertel ist die am schlechtesten durchblutete Stelle. Das dauert halt am längsten von der Heilung. Deswegen ist es für uns gut, dass jetzt der Winter da ist, dann brauch Jenni nicht hinterherrufen, dass er sich nichtbewegen darf."
Aber es kann letztlich niemand sagen, wann der Hüftknochen wieder vollständig durchblutet wird. Aber dann, da ist sich sein Schwimmtrainer Daniel sicher, wird er ein Schwimmtalent verlieren.

Als Fußballer zur Welt gekommen

"Es wäre für uns auf jeden Fall schade und er würde uns fehlen, aber sein Herz schlägt nun mal für den Fußball, das ist mir klar."
Denn Luis Marheineke ist eigentlich schon als Fußballer auf die Welt gekommen, erzählt sein Vater.
"Für ihn ist das so, wenn seine Verletzung abgeheilt ist, das sein Ziel ist, beim VFB Lübeck zu spielen und darauf hoffen wir natürlich."
Für Luis ist diese seltene Krankheit Morbus Perthes ein Schicksalsschlag, den er nicht verstehen kann: Ausgerechnet er, der am liebsten nur Fußball spielt, darf genau das nicht. Aber seine Familie und die Freunde stehen ihm bei und helfen, damit Luis Marheineke endlich wieder das machen darf, was er am liebsten mag – und solange muss er sich mit Fußballgucken im Stadion und beim Schwimmen über Wasser halten.
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