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Emanzipation
Novizin ist zu wenig

Auch im Buddhismus gibt es eine Diskussion um die Frauenweihe. Carola Roloff, Nonne und Forscherin, kämpft dafür. Die Aussichten sind gut, denn es gibt eine Tradition, an die sich anknüpfen lässt. Männliche Geistliche müssen sich daran gewöhnen, dass Ordensfrauen zu Höherem berufen sein könnten als zu Putz- und Kochdiensten.

Von Mechthild Klein | 12.08.2016
    Seit mehr als 30 Jahren setzt sich die tibetische Nonne Carola Roloff für die volle Nonnenordination ein - an der Hamburger Universität analysiert sie die alten Quellen.
    Seit mehr als 30 Jahren setzt sich die tibetische Nonne Carola Roloff für die volle Nonnenordination ein - an der Hamburger Universität analysiert sie die alten Quellen. (Deutschlandradio / Mechthild Klein )
    Gleichberechtigung der Geschlechter ist auch im Buddhismus ein großes Thema. In Tibet beten Frauen bis heute darum, als Mann wiedergeboren zu werden, damit ihnen dann alle Wege zum Erwachen offen stehen. Dabei wurde der Frauenorden noch zu Lebzeiten des Buddha vor fast 2500 Jahren eingerichtet. Damit ist der Frauenorden fast genauso alt wie der Männerorden. Aber eine Last liegt auf der Gründung: Der Buddha hat den Frauen umfangreichere und schwerere Regeln auferlegt als den Männern.
    "Das war die Bedingung für die erste Ordination, die erste Frau, das war die Pflegemutter des Buddha, die auch in den Orden eintreten wollte", sagt Bhikshuni Jampa Tsedroen alias Carola Roloff. Sie ist seit 35 Jahren buddhistische Nonne in der Gelugpa-Tradition und hat einen Forschungsauftrag an der Universität Hamburg. Eine dieser Regeln für die Nonnen, die auf den Buddha selbst zurückgehen sollen, beinhaltet beispielsweise, "dass eine Frau, selbst, wenn sie 100 Jahre lang voll ordiniert ist, also die höchste Weihe hat, dass sie dann, wenn ein Mönch nur einen Tag ordiniert ist, sie sich vor ihm erheben muss, wenn er reinkommt und die Hände falten muss und sich vor ihm verneigen muss und so weiter. Es war eine ganz klare Unterordnung auch der wichtigsten Ordensrituale unter den Mönchsorden."
    Die Folgen dieser Unterordnung der Nonnenorden unter den Mönchsorden vor 2.500 Jahren wirken sich bis heute in den Ordenstrukturen der Theravada- und auch Mahayana-Schulen aus. Erschwerend kommt hinzu, dass im 11./12. Jahrhundert in einigen Traditionen die Ordinationslinie der Frauenorden ausgestorben ist.
    "Nach Tibet hat es sich wohl von Indien her nicht überliefert. Die offizielle Geschichtsschreibung weiß zumindest nichts davon", sagt Carola Roloff.
    Trotzdem wird in Tibet von der Nonnenordination berichet. Aber in der Form, dass die Nonnen allein von Mönchen und nicht von Mönchen und Nonnen gemeinsam ordiniert werden. Das aber wäre die Vorschrift gewesen.
    Carola Roloff sagt: "Dann gab's einen Streit innerhalb der Mönchsklöster, ob das zulässig ist, wenn keine Nonnen da sind, dass man dann von Mönchen allein diese Ordination gibt oder nicht."
    Das Ergebnis ist ebenso schlicht wie ungerecht – möchte man meinen. Die Nonnen erhalten bis heute nur die Novizen-Ordination. Die höchste Weihe, die volle Ordination – so beschließen die tibetischen Mönche - ist den Männern vorbehalten. Carola Roloff hat vom Dalai Lama vor 35 Jahren selbst den Auftrag erhalten, die Voraussetzungen für die Nonnenordination zu prüfen. Roloff hat die Ordensritualtexte in einem Forschungsvorhaben an der Universität Hamburg untersucht und analysiert.
    "Da kann man ganz deutlich sehen, dass die Frauen die ganzen Ordinationen von der Laienanhängerin bis zur höchsten Weihe empfangen dürfen. Und sie bekommen die ganzen ersten Stufen von Frauen und nur bei den höchsten Weihen sind dann plötzlich auch die Mönche dabei."
    Roloff vergleicht das mit der katholischen Tradition, "zum Beispiel bei den Benediktinerinnen, wo dann immer ein Priester anwesend sein muss, der das dann nochmal absegnet bei der ewigen Profess – ähnlich ist das im Buddhismus, dass bei den wichtigsten Ritualen, den höchsten Ritualen dann plötzlich auch immer Männer wieder mit ins Spiel kommen und die Frauen das nicht alleine machen können."
    Nun haben in diesem Sommer in der tibetischen Tradition erstmals Nonnen nach langem akademischem Studium den einer Grad einer Geshema erlangt - was der Doktorwürde gleichkommt. Trotzdem können die Nonnen mit dem wissenschaftlichen Abschluss keine geistlichen Ämter übernehmen oder akademische Lehrmeister werden. Vermutlich hängen wichtige Geistliche noch alten Vorurteilen gegenüber den Frauen an, obwohl die tibetische Tradition auch Erzählungen über weibliche Buddhas kennt. Zum Beispiel die Geschichte von Tara, die in einem früheren Leben eine Prinzessin war. Es wird gesagt, ihr Name sei "Mond der Weisheit", auf Tibetisch Yeshedava.
    Carola Roloff erzählt: "Die Mönche in ihrer Umgebung waren voller Bewunderung für sie. Sie sagten: Sie hätte so viel Verdienst angesammelt und wenn sie dieses Verdienst jetzt widmen würde, dass sie als Mann wiedergeboren wird, dann würde ihr Leben zur endgültigen Befreiung und zur Buddhaschaft nichts mehr im Wege stehen.
    Nach der Legende hat Yeshadava darüber nur gelacht. Sie sagte, dass die spirituelle Verwirklichung und Vervollkommnung nicht abhängig sei von dem Geschlecht, das man habe. "Und das sie von jetzt an immer im Körper einer Frau wiedergeboren wird, um diesen Weg aufzuzeigen, bis sie die vollkommene Buddhaschaft erlangt hat. Und dann hat sie die vollkommene Buddhaschaft als Frau erlangt, ohne dazwischen noch als Mann wiedergeboren werden zu müssen", ergänzt Carola Roloff.
    Das ist eine Steilvorlage für die engagierten Buddhistinnen. Tatsächlich gibt es solche Erzählungen wie über Yeshedava auch im Palikanon, also den älteren Schichten des Buddhismus. Der Buddha selbst habe gesagt, dass Frauen die Erleuchtung finden können.
    Zurück ins 21. Jahrhundert. Seit mehr als 50 Jahren thematisieren buddhistischen Nonnen ihre Benachteiligung im Orden. Einige versuchten, eine volle Ordination zu erhalten. Notfalls über andere Mahayana-Traditionen wie die in Taiwan oder Korea , in der die Frauen bis heute voll ordiniert werden. Sie vernetzten sich, gründeten Frauen-Organisationen wie "Sakyadhita" – das heißt übersetzt: "Töchter des Buddha". Seit 1987 organisieren sie buddhistische Frauenkonferenzen in Asien, die Nonnen und Laien aller Traditionen beteiligen. Seitdem hat sich viel bewegt: In Sri Lanka wurde die volle Nonnenordination wieder eingeführt. Und in Thailand versuchen derzeit rund 50 Nonnen die volle Ordination auch für ihre Schwestern einzuführen. Gegen den Widerstand der Männer. Die könnten dann nämlich nicht mehr auf die kostenlosen Dienste der Nonnen als Koch- und Putzhilfe zurückgreifen.
    "Das sind große Wandelprozesse. Sie müssen sich vorstellen, da werden Traditionen, die über 1000 Jahre alt sind, jetzt in diesen Jahren einfach umgewandelt. Das sind natürlich schon sehr tiefgreifende Dinge, die da passieren." So bewertet der Indologe Michael Zimmermann die schrittweise Einführung der vollen Ordination für die buddhistischen Nonnen in Tibet und Thailand. "Es steht es völlig außer Zweifel, dass eine Frau nicht das gleiche Erlösungspotential hätte wie ein Mann. Aber dass es in organisierter Form anerkannt wird, das halte ich auch neben der Tendenz zum Vegetarismus vielleicht für den entscheidendsten Wandel des Buddhismus in der Neuzeit."
    Vermutlich ist die Gleichberechtigung zwischen Mönchen und Nonnen in buddhistischen Institutionen nur noch eine Frage der Zeit.
    Michael Zimmermanns Prognose: "Ich schätze, das wird noch 10, 20 Jahre dauern, dann ist das der Standard in Theravada-Ländern und auch in der tibetischen Tradition. Daran hab ich keinen Zweifel."