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"Empires" im Pariser Grand Palais
Eine monumentale Installation von Huang Yong Ping

Von Kathrin Hondl | 08.05.2016
    Installation "Empires" von Huang Yong Ping in Paris
    Installation "Empires" von Huang Yong Ping in Paris (Deutschlandradio/Kathrin Hondl)
    Wer das Grand Palais durch den Haupteingang betritt, steht erst einmal vor einer gigantischen Wand. 17 Meter hoch, 65 Meter breit ist sie und besteht aus übereinandergetürmten Industriecontainern. Insgesamt 305 dieser standardisierten Frachtkisten hat Huang Yong Ping zu einer bunten Landschaft in der 35 Meter hohen Halle arrangiert. Die Installation erinnert an die großen Handelshäfen dieser Welt, in Rotterdam oder Le Havre, Hamburg oder Xiamen im Südosten Chinas, der Heimatstadt von Huang Yong Ping. Und natürlich wirken die metallenen Container des Welthandels auch wie eine Fortsetzung der Metallstruktur des gigantischen Glasdachs.
    Das Grand Palais, errichtet zur Weltausstellung des Jahres 1900, ist ein Monument des Industriezeitalters. Mitten in dieser symbolträchtigen metallenen Landschaft nun thront, auf zwei Containertürmen, ein weiteres bedeutungsgeladenes Objekt: der berühmte Zweispitz von Napoleon Bonaparte. Und zwar eine extrem vergrößerte Nachbildung des Original-Huts, den Napoleon im Februar 1807 bei der Schlacht von Preußisch Eylau trug und der, nur ein paar hundert Meter vom Grand Palais entfernt, im Militärmuseum des Invalidendoms aufbewahrt wird.
    "Ich verlagere diese Symbole und ihre Bedeutungen", sagt Huang Yong Ping. "Und es geht mir darum, auch die Besucher der Ausstellung in gewisser Weise zu transportieren – und zwar von den Imperien der Vergangenheit hin zum Imperium unserer Zeit – der globalen Wirtschaft."
    Napoleons historischer Hut wirkt auf den Containern des heutigen Welthandels wie ein grotesker Triumphbogen. Zumal Huang Yong Ping den Zweispitz direkt unter der französischen Nationalflagge platziert hat, die traditionell auf dem Glasdach des Grand Palais im Wind flattert.
    Dass imperiale Macht – sei sie nun politisch oder wirtschaftlich –nicht ewig währt, darauf verweist auch ein weiterer metallener Gigant in Huang Yong Pings monumentaler Installation: Das Skelett einer mehr als 250 Meter langen Schlange, die aluminium-silbern glänzend die ganze Szenerie umkreist und im Griff zu haben scheint. Ein gefährliches Tier, meint Kurator Jean de Loisy:
    "Das offene Schlangenmaul mit seinen 112 Zähnen ist auf Napoleons Hut gerichtet. Es bedroht diese imperiale Macht und zeigt, dass sie zeitlich begrenzt ist. Die Schlange steht für die permanente Veränderung der Gesellschaften. Sie ist quasi ihre tektonische Kraft. Die Schlange hat aber auch ihren eigenen Schwanz im Blick – da schließt sich also gewissermaßen ein riesiger Kreis, ein Zyklus, symbolisiert durch die Schlange."
    Die Schlange ist ein Wesen, das auch schon in anderen monumentalen Installationen von Huang Yong Ping auftauchte. Im Wortsinn zum Beispiel als eine "Ozeanschlange", die der Künstler 2012 an der Loiremündung bei Nantes installierte. Der Gedanke drängt sich auf, diese wiederkehrende Schlange könnte ein Migrant sein. Wie Huang Yong Ping selbst, der seit den Massakern auf dem Tian'anmen-Platz 1989 in Frankreich lebt.
    "Mir ist die Mehrdeutigkeit sehr wichtig, die mit dem Bild der Schlange verbunden ist", sagt er. "Natürlich kann man sie als einen Migranten sehen. Sie ist da wie ein Wesen, das das Andere repräsentiert. Sie ist anders als wir. Sie ist ein heterogenes Wesen. Ihre Aufgabe ist es, zu zweifeln und unsere gewohnten Ideen und Reflexionen infrage zu stellen."
    Und natürlich ist es vor allem diese Schlange, die Huang Yong Pings grandioser Monumenta-Installation eine fast schon magische poetisch-theatralische Aura verleiht. Wie nur ganz wenige Monumenta-Künstler vor ihm hat er es tatsächlich gewagt und geschafft, den gigantischen Raum im Grand Palais plastisch zu füllen und zu gestalten – mit der Inszenierung eines bedrohlich wirkenden Spiels imperialer Mächte von Napoleons Eroberungsfeldzügen über die industrielle Revolution bis zu den globalisierten Weltmärkten von heute.
    Infos:
    8.5. - 18.6.2016: Monumenta 2016 - "Empires" von Huang Yong Ping im Grand Palais