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Empörung über Endlager
Atommüll soll ins lothringische Bure

Die französische Nationalversammlung hat grünes Licht gegeben für die Endlagerung hoch radioaktiven Mülls im lothringischen Bure. Spätestens 2017 will man mit einer Pilotphase in die industrielle Nutzung des dortigen Versuchslabors einsteigen. Entschieden wurde dies im Rahmen eines Gesetzes über Arbeitsmarktreformen am vergangenen Freitag, und zwar ohne Debatte.

Von Tonia Koch | 14.07.2015
    Bure ist im Gesetz als Endlager für hoch radioaktiven Müll zwar nicht explizit genannt. Aber die für Atommüll zuständige französische Behörde, Andra, wird im Artikel 201 aufgefordert, spätestens bis 2017 einen Genehmigungsantrag zu stellen, um die industrielle Pilotphase zur Endlagerung nuklearer Abfälle einzuleiten. Knapp 120 Kilometer Luftlinie von Saarbrücken entfernt im französischen Niemandsland zwischen Straßburg, Nancy und der Champagne. Hier kommt niemand vorbei, wenn er keinen guten Grund dazu hat. In Frankreich gibt es jedoch nur ein einziges unterirdisches Labor, das die Voraussetzungen erfüllt und das befindet sich in Bure. Damit ist die Standortfrage für ein Atomendlager in Frankreich endgültig entschieden. Das sehen auch die französischen Grünen so, Denis Baupin, Vizepräsident der Nationalversammlung.
    "Bure in der Champagne wird zum nuklearen Mülleimer Frankreichs."
    Was die Grünen erbost, ist die Tatsache, dass der Artikel über die radioaktiven Abfälle quasi in allerletzter Minute in einem Gesetz platziert wurde, das mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat. Das Gesetz soll Arbeitsmarktreformen in Frankreich voranbringen. Weil die Regierung dafür in den eigenen Reihen jedoch keine Mehrheit hat, stellte sie im Rahmen der Abstimmung über das Gesetz die Vertrauensfrage. Auf diese Weise hat sie eine Abstimmungsniederlage abgewendet und eine inhaltliche Debatte verhindert. Auch jenseits der Grenze wundert man sich über das Verfahren.
    Reinhold Jost, saarländischer Umweltminister: "Also es reiht sich leider Gottes in ein unsägliches Vorgehen der Pariser Zentralregierung ein, die in den letzten Jahren alles unternommen hat, um hier Fakten zu schaffen."
    Trotz allem hoffen Luxemburger, Rheinland-Pfälzer und Saarländer, dass sie künftig am Genehmigungsverfahren beteiligt werden.
    "Auch da gibt es aus unserer Sicht klare Regeln. Es muss ja auch für das Genehmigungsverfahren für Bure selbst eine entsprechende öffentliche Anhörung und Beteiligung stattfinden, wie bei anderen Großanlagen auch."
    Bereits vor zwei Jahren kam das Öko-Institut in Darmstadt zu dem Ergebnis, vom geplanten atomaren Endlager in Bure gehe keine Gefahr für die Menschen in den Nachbarländern aus. Das dort vorhandene Tongestein sei für die Endlagerung radioaktiven Mülls bestens geeignet.
    Ein Fahrstuhl bringt Besucher 500 Meter tief in ein Labyrinth aus Schächten und Röhren. Insgesamt 250 Quadrat-Kilometer stehen als potenzielle Lagerfläche zur Verfügung. Das Lagerungskonzept berücksichtige auch die politische Forderung, die radioaktive Fracht unter Umständen wieder zu bergen, sagt Jacques Delay, einer der zuständigen Ingenieure.
    "Sie bohren eine horizontale Öffnung, die kleiden sie aus mit einer Schürze aus Metall und dort hinein schieben sie die radioaktive Behältern. Auf dem gleichen Weg können sie diese auch wieder zurückholen. Das Konzept ist extrem einfach."
    Mit der sogenannten Reversibilitätsklausel will die Politik dem technischen Fortschritt Rechnung tragen. Fall es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sollen diese jederzeit in die Überlegungen für eine optimale Lagerung der hoch radioaktiven Abfälle einfließen. Schließlich geht es um 10.000 Kubikmeter hoch radioaktiven und bis zu 70.000 Kubikmeter mittelradioaktiven Mülls.Über die ursprünglich angedachte Dauer einer möglichen Rückholphase von 100 Jahren steht im Artikel 201 allerdings nichts mehr.