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Ende der Politik?

Die Demokratie war von Anbeginn an die eigentliche Basis des auf die Zukunft gerichteten Projekts der Moderne. Nur wenn es den Menschen gelänge, die eigenen Angelegenheiten selbst in die Hände zu nehmen und mittels demokratischer Institutionen zum Gegenstand eines gesellschaftlichen Interessenausgleichs zu machen, war Fortschritt überhaupt denkbar.

Von Stefan Fuchs | 31.07.2005
    Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist diese Hoffnung nahezu verflogen. Die politische Sphäre der westlichen Demokratien sieht sich einem doppelten Erosionsprozess ausgesetzt. Zum einen haben viele den Glauben verloren, dass politisches Engagement einen substanziellen Beitrag zur Lösung ihrer individuellen Probleme leisten kann, und sind überzeugt, dass die Politik das eigentliche Problem sei. Zum anderen können die Politiker objektiv die in sie gesetzten Erwartungen immer weniger erfüllen und die Politik hat einen schleichenden Machtverlust erlitten. Am Ende stehen sich in der Mediendemokratie apathische Wähler und sich voluntaristisch selbst inszenierende Politiker gegenüber.

    In einer fünfteiligen Gesprächsreihe diskutiert Stefan Fuchs mit Politologen, Soziologen und Kommunikationswissenschaftlern. Gesprächspartner im ersten Teil der Reihe ist der Kommunikationswissenschaftler Frank Böckelmann.

    Die Reihe "Ende der Politik?" läuft vom 31. Juli bis 28. August jeweils Sonntags um 9:30 Uhr.


    Sonntag, 31.07.05
    Kultur am Sonntagmorgen
    Ende der Politik?
    1. Ihre schleichende Privatisierung
    Der Kommunikationswissenschaftler Frank Böckelmann im Gespräch mit Stefan Fuchs

    Frank Böckelmann wurde 1941 in Dresden geboren, verbrachte seine Schulzeit in Stutt-gart und lebt seit 1960 in München. Er studierte Philosophie und Kommunikationswis-senschaft, assistierte dem Philosophen Arnold Metzger, gründete Literaturzeitschriften und betätigte sich in der Subversiven Aktion und im SDS. In den Siebzigerjahren verab-schiedete er sich von der Linken, schrieb Reportagen für twen und stern und Bücher über Alltag, Geschlechtsrollen und Massenkommunikation und floh vor der Hoch-schullaufbahn in die freie Medienforschung. Studien für öffentliche Auftraggeber, aus-gedehnte Wanderungen in Mitteleuropa und vielseitige publizistische Tätigkeit. Mither-ausgeber von Tumult – Zeitschrift für Verkehrswissenschaft. Letzte Veröffentlichungen: Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen (Frankfurt am Main 1998); Deutsche Einfalt – Betrachtungen über ein unbekanntes Land (München 1999); Die Emanzipation ins Leere – Beiträge zur Gesinnungsgeschichte 1960-2000 (Berlin 2000); Wem gehören die Zeitungen? (Konstanz 2001); Subversive Aktion – Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern (mit Herbert Nagel, Frankfurt am Main 2002); Bertelsmann – Hinter der Fas-sade des Medienimperiums (mit Hersch Fischler, Frankfurt am Main 2004).


    Zum Thememkreis Privatisierung der Politik/Ende der Demokratie? empfiehlt Frank Böckelmann die Lektüre der Schriften von Hans Herbert von Arnim, Jean Baudrillard, Panajotis Kondylis und (mit Einschränkung) von Robert Kurz und das Durchsuchen eines Sammelbandes:
    Tanja Brühl/Tobias Debiel/Brigitte Hamm/Hartwig Hummel/Jens Martens (Hg.): Die Privatisierung der Weltpolitik. Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisie-rungsprozess. Bonn 2001.