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Ende der Steinkohleförderung
J.D. Neuhaus - Experte für schwerste Lasten

Kurz vor Weihnachten wurde das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus besiegelt. Die Bergbau-Konzerne im Revier haben die Zeichen der Zeit schon früher erkannt: Anstelle der alten Zechen haben sie sich neue Auftragsfelder erschlossen.

Von Klaus Deuse | 28.12.2018
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    Von den Kohlezechen aufs Meer hinaus: Das Unternehmen J.D. Neuhaus ist jetzt auch auf hoher See tätig (J.D.Neuhaus/ Dradio)
    Wilfried Neuhaus-Galadé muss schon einige hundert Meter durch die Produktionshalle zurücklegen, wenn er die gesamte Fertigung ansehen will. Immer entlang einer auffallenden gelben Linie, die an den einzelnen Arbeitsbereichen vorbei führt. Eine Produktionsablauflinie, die jeden Umweg vermeidet, sagt der großgewachsene 61-jährige Firmenchef.
    "Hier werden alle Bauteile für unsere Hebezeuge hergestellt. Natürlich kaufen wir Schrauben, Lager und so weiter zu. Also Normteile, die werden zugekauft. Aber die eigentlichen Bauteile für unsere Hebezeuge werden komplett hier im Hause hergestellt."
    Druckluft erzeugt keine Funken
    Kettenhebezeuge, die Lasten von 125 Kilo bis zu über 100 Tonnen bewegen können. Und zwar betrieben per Druckluft. Nicht ohne Grund hat das Unternehmen aus Witten mit diesen Spezialhebezeugen jahrzehntelang den deutschen Steinkohlebergbau beliefert. Denn das Luftgemisch unter Tage kann sich schnell entzünden und zu katastrophalen Folgen führen, erklärt Wilfried Neuhaus-Galadé:
    "Diese Kettenhebezeuge haben die Eigenschaft, wenn sie pneumatisch betrieben sind, durch die Energie in der Luft keine Funken zu produzieren. Zumal ja unter Tage Explosionsschutz gefordert ist."
    Das 1745 gegründete Familienunternehmen mitten aus dem Ruhrgebiet ist eng mit dem Steinkohlebergbau verbunden, verzahnt. Bis in die 1980er Jahre hinein produzierte man zu über 80 Prozent für den Bergbau. Auch für Kohleförderer in Frankreich und Großbritannien. Als Wilfried Neuhaus-Galadé 1986 in das Unternehmen eintrat, befand sich der Steinkohlebergbau jedoch bereits erkennbar auf Talfahrt. Neue Kunden fand man in der chemischen Industrie, in der wie unter Tage ebenfalls mit explosiven Stoffen gearbeitet wird.
    Öl und Gas und Explosionsschutz
    Schwerindustrie, Stahlwerke und Schiffbau verlangten nach Werkzeugen für hohe Traglasten. Auch hier fanden die Hebezeuge von Neuhaus neue Einsatzmöglichkeiten. Mittlerweile sind die rund um den Globus zu finden, überall dort, wo nach Gas oder Öl gebohrt wird und Explosionsschutz gefordert ist. Oder auch tief unter der Wasseroberfläche, erklärt der Firmenchef:
    "Überall, wo in einer Tiefe bis zu 150 Meter gebohrt werden muss auf dem Meer, da sind wir mit unseren Geräten zugegen."
    Mit den Erfahrungen aus dem Bergbau ist es dem Traditionsunternehmen gelungen, langfristig neue Geschäftsfelder zu erschließen.
    "Wir heben bei großer Hitze, zum Beispiel in Stahlwerken an Hochöfen wie auch bei großer Kälte bis zu minus 45 Grad zum Beispiel in Sibirien."
    In Sibirien kommen die Maschinen auf einem großen Ölfeld, erklärt Wilfried Neuhaus-Galadé beim Aufstieg zur Entwicklungs- und Vertriebsabteilung eine Etage über der Produktionshalle. Teppichböden schlucken jedes Geräusch. Glasfronten geben den Blick frei auf die einzelnen Arbeitsplätze. Vor hohen Fenstern sitzen auf der einen Seite die Ingenieure vor ihren Computern und tüfteln an Konstruktionsaufträgen. Auf der einen Seite erörtern Vertriebsexperten neue Absatzwege. Alles eng beieinander, alles nah an der Produktion. Das sei bewusst so angelegt, erklärt Wilfried Neuhaus-Galadé, der das Familienunternehmen in der siebten Generation führt.
    Bergbau-Knowhow fürs Riesenrad
    Aus den Tiefen des Bergbaus führte der Weg mit neuen Hebezeugen inzwischen auch in Rekord-Höhen. Und zwar beim Bau von "The High Roller", dem mit 168 Meter höchsten und 140 Millionen teuren Riesenrad der Welt in Las Vegas. Bei den mit Druckluft betriebenen, explosionsgeschützten Kettenhebezeugen hat es J.D. Neuhaus zum weltweiten Marktführer gebracht, was Firmenchef Neuhaus-Galadé aber auch gleich wieder einschränkt:
    "Wir sind Weltmarktführer in einer Nische. Das ist ein Geschäftsbereich, der sicherlich nicht so groß ist wie zum Beispiel der unserer Kollegen der elektrischen Hebezeughersteller einen Markt vorfinden."
    J.D. Neuhaus – die beiden Buchstaben stehen übrigens für Johann Diederich, den Unternehmensgründer – unterhält Niederlassungen und Betriebsbüros in Europa ebenso wie für Asien in Singapur und in Baltimore für den amerikanischen. Bei 35 Millionen Euro liegt der Jahresumsatz. Am Stammsitz in Witten beschäftigt das Unternehmen 165 Mitarbeiter.
    An die Kohle-Zechen erinnert das Firmenmuseum
    Waldemar Weinert ist einer davon. In der Produktionshalle bearbeitet er Einzelteile für den Einbau in speziell georderte Hebezeuge.
    "Jetzt baue ich die Bolzen um, da werden die ganzen Backen her ausgenommen, neue rein gemacht, Werkzeuge korrigiert, vermessen, Programme geladen, ja. Werkzeugdaten hochgestellt, Kurzteile und Bolzen eingefahren, er wird noch weiter bearbeitet. Ich dreh den jetzt vor und später kommt er noch für weitere Arbeitsgänge, zur Kontrolle und dann weiter in ein Hebezeug."
    Einen Einsatz im Bergbau wird es aber nicht mehr geben. Die alten Bergbaumaschinen von J.D. Neuhaus haben ihren Platz im Firmenmuseum, einem kleinen, roten Backsteingebäude auf dem Firmengelände. Dort sind sie Zeugen der alten Zeiten unter Tage.