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Ende der Suche in Sicht

Physik. - Eigentlich müssten Physiker die Dunkle Materie bald finden - jene unsichtbare Masse, die den größten Teil der Materie im Weltall ausmachen soll. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wird auch der neue Teilchenbeschleuniger LHC in Genf dazu wichtige Hinwiese liefern. Es sei denn, die Natur spielt den Physikern einen Streich.

Von Jan Lublinski | 14.04.2008
    Jodie Cooley, Physikerin an der Stanford Universität in Kalifornien, ist schon seit vielen Jahren auf der Suche nach Dunkler Materie: nach hypothetischen, unsichtbaren Teilchen aus dem Weltall. Bislang allerdings vergeblich.

    "Wenn man nach Dingen sucht, die einfach nicht zu sehen sind, dann kann es sehr deprimierend sein, wenn man eine Menge Nichts sieht, und das auch noch ziemlich lange."

    In jüngster Zeit aber hat sie neue Hoffnung geschöpft. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Astronomen die Bewegungen der Sterne und Galaxien nur erklären können, wenn diese von unsichtbaren Teilchen umgeben sind. Teilchen, die wie ein dichter Fliegenschwarm um die Galaxien und Galaxien-Haufen herumschwirren und sie zusammenhalten. Ein zweiter Grund für Cooleys Optimismus: Sie arbeitet an dem derzeit weltweit besten Experiment namens CDMS. Es ist inzwischen soweit, dass es einige Vorhersagen theoretischer Physiker über die Eigenschaften der Dunklen-Materie-Teilchen widerlegen kann.

    "Wir waren lange in einem Bereich unterwegs, wo es weder Theorien noch Vorhersagen gab. Das ist jetzt anders. Ich habe erst kürzlich einem Theoretiker-Kollegen unsere Daten gezeigt, und er hat gesagt, wir hätten damit ein theoretisches Modell widerlegt, an das er geglaubt hatte. Das ist ein großer Schritt - denn normalerweise haben Theoretiker schnell neue Modelle zur Hand. Wir machen also wirklich Fortschritte."

    In den vergangenen Jahren haben Physiker in aller Welt sich eine Vielzahl von Experimenten einfallen lassen, um mit sehr unterschiedlichen Methoden Dunkle-Materie-Teilchen einzufangen: Sie suchen nach Spuren der Teilchen in tiefgekühlten Kristallen, in Tanks aus Edelgas und in so genannten Blasenkammern, wo sie wie Flugzeuge Kondensstreifen hinterlassen sollen. Einer der vielen Newcomer in der Szene der Dunkle Materie Sucher ist Juan Collar von der Universität Chicago. Mit seinem Experiment Namens COUPP ist es ihm kürzlich gelungen, eine alte Behauptung endgültig zu widerlegen: Ende der 90er Jahre hatte eine italienische Forscher-Gruppe geglaubt, mit ihrem so genannten DAMA-Experiment Dunkle Materie Teilchen erstmals gesehen zu haben. Andere konnten dieses Ergebnis nicht reproduzieren, aber die Italiener erklärten dies damit, dass die anderen Experimente nicht exakt die gleichen Parameter gemessen hätten. Das aber kann nun Juan Collar von sich behaupten.

    "Wenn ihr damaliges Experiment sich nur über einen Spezialfall erklären lässt, die so genannte Spin-abhängige Wechselwirkung, dann haben wir auch diese letzte Erklärung jetzt ausschließen können. Wir haben die entsprechenden Daten vor anderthalb Monaten im Fachblatt Science publiziert."

    Vom Tisch ist die Sache damit aber dennoch nicht: Die Italiener haben angekündigt, im Laufe dieser Woche neue Messergebnisse vorzulegen, nachdem sie über viele Jahre nichts mehr publiziert hatten. Und es kursiert das Gerücht, dass sie ihre alten Ergebnisse bestätigen werden. Der Streit wird also weitergehen. Den wichtigsten neuen Impuls bei der Suche nach Dunkler Materie erhoffen sich die Physiker aber von dem neuen, großen Teilchenbeschleuniger LHC in Genf, der bald Dunkle Materie Teilchen künstlich erzeugen soll. Jodie Cooley sieht hier vier verschiedene mögliche Szenarien - je nach Eigenschaft der hypothetischen Teilchen:

    "Eine Möglichkeit besteht darin, dass wir die Teilchen sowohl mit unseren Einfang-Experimenten, aber auch mit dem Teilchenbeschleuniger sehen werden. Das ist natürlich das beste Szenario, weil wir die Dunkle Materie dann mit zwei verschiedenen Methoden untersuchen könnten. Es ist aber auch möglich, dass entweder nur der Teilchenbeschleuniger oder nur wir Erfolg haben werden. Aber auch ein viertes Szenario ist möglich: Die Teilchen könnten so exotisch sein, dass wir am Ende alle Pech haben werden."

    Und es gibt noch eine weitere, neue Aussicht für die Teilchenjäger: Ihre Suche wird nicht endlos weiter gehen: Die technischen Fortschritte auf diesem Gebiet sind so groß, dass die Experimente in den nächsten beiden Jahrzehnten an die Grenzen des Mach- und Finanzierbaren stoßen werden. Entweder die Physiker fangen die Dunkle Materie Teilchen also bald ein oder sie müssen sich nach anderen Betätigungsfeldern umsehen.