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Ende des Konservatismus?

Nach Auffassung des Historikers Paul Nolte müssen sich die christlichen Parteien in Deutschland der Diskussion über den Wertewandel in der Gesellschaft stellen. Man dürfe diesen Wertewandel nicht einfach hinnehmen, sondern müsse dessen Ambivalenzen und Abgründe aufdecken, sagte Nolte am Freitag im Deutschlandfunk.

Moderation: Rainer Berthold Schossig | 09.06.2006
    Die Gesellschaft, auch die Konservativen, seien liberaler geworden, es herrsche eine "neue Gelassenheit", äußerte Nolte. Es stelle sich aber die Frage, um welchen Preis die größere Freiheit errungen sei.

    In der gesellschaftspolitischen Debatte sei man sich quer durch die Parteien einig, dass es für Kinder besser sei, mit Vater und Mutter aufzuwachsen. Nur akademischen Bevölkerungsschichten gelänge es, die materiellen und kulturellen Nachteile von Ehescheidungen einigermaßen zu kompensieren, erklärte Nolte. So gebe es neben der neuen Gelassenheit auch einen neuen Konsens: "Der zielt genau dahin, zu sagen: Uns kann das eigentlich nicht mehr ganz egal sein, wie Menschen leben, denn da hängen Lebensschicksale von Kindern und Jugendlichen dran."

    Die Frage, ob die Unionsparteien mit der neuen Liberalität ihre alte, wertekonservative Basis verlassen hätten, verneinte Nolte. Diese Basis definiere sich heute nicht mehr an Fragen des privaten Lebens, sondern an politischen Grundsatzfragen wie der Gestaltung der bürgerlichen Gesellschaft, des Sozialstaates und der Wirtschaftsordnung. "Da gibt es noch Werte und da gibt es auch noch politische Grundsatzkonflikte, auch Lager, die sich gegenüberstehen", sagte er und widersprach damit den Thesen des Göttinger Parteienforschers Franz Walter. Walter hatte in der Freitagausgabe der Zeitung "Die Welt" behauptet, ein konservativer Wertekonsens habe sich aufgelöst.