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Ende des Steinkohlenbergbaus
Importkohle bleibt unverzichtbar

In weniger als hundert Tagen schließen die letzten beiden deutschen Steinkohlenzechen. Die Ära der Steinkohle in Deutschland endet damit allerdings nicht. Im Gegenteil: Verfeuert wird dann Importkohle - und das wirft Fragen auf.

Von Kai Bandermann | 15.10.2018
    Die Zeche Prosper-Haniel in Bottrop
    Zeche Prosper-Haniel in Bottrop - Ende des Jahres endet hier die Steinkohleförderung (dpa)
    Das Kohlekraftwerk der Stadtwerke-Gesellschaft Trianel in Lünen in Nordrhein-Westfalen gehört zu den modernsten in Deutschland. Die riesige Maschinenhalle ist menschenleer, der Krach der Turbinen ohrenbetäubend. Die fünf Jahre alte Anlage läuft auf voller Leistung.
    Das Kraftwerk liegt direkt am Datteln-Hamm-Kanal und hat einen eigenen kleinen Hafen. Von dort wird die Kohle in zwei große Silos als Zwischenlager geschüttet, erklärt Kraftwerksleiter Stefan Paul.
    "Aus den Silos holen wir die Kohle dann heraus, mischen die Kohle, bringen sie in unsere Tagesbunker. Dann wird die Kohle aufgemahlen und in den Kessel geblasen."
    Ende aller Grubenfahrten
    Als dieses Kraftwerk in Betrieb ging, war das Aus für den heimischen Bergbau bereits beschlossene Sache. Deshalb wurden in Lünen vom ersten Tag an nur ausländische Kohlen verfeuert.
    "Wir wissen ziemlich genau, wo die Kohle herkommt. Wir wissen zwar nicht immer genau, welche Zeche, aber grundsätzlich aus welchem Land die Kohle kommt. Wir analysieren jede Kohle sehr intensiv, weil wir diese Erkenntnis brauchen. Wir bekommen ungefähr 30 Prozent Kohle aus den USA und 70 Prozent aus Russland. Diese Kohlen werden hier gemischt und in die Feuerung eingebracht."
    Rechnerisch versorgt das Trianel-Kraftwerk 1,6 Millionen Haushalte. Dafür werden pro Tag etwa 5.500 Tonnen Importkohle verbrannt. Das ist genau die Menge, die ein sogenannter Doppelschub-Verband von Binnenschiffen jeden Tag anliefert. Fällt ein Schiff aus oder gibt es sonstige Probleme mit der Lieferung, macht das für ein paar Tage nichts aus, dafür hat Stefan Paul seine Riesensilos. Was aber, wenn überhaupt keine Importkohle mehr nach Deutschland käme? Oder die Lieferanten Wucherpreise verlangten? Kraftwerksleiter Stefan Paul hält das für ziemlich unwahrscheinlich.
    "Wir beziehen Kohle aus allen möglichen Ländern dieser Welt, so dass wir eigentlich sicher sind, immer mit Kohle versorgt zu werden. Wir haben zur Zeit einen Kohlevertrag, der über zwei Jahre läuft und einen Teil der Kohlemenge sichert. Und ansonsten beziehen wir Kohle über kurzfristige Geschäfte, die ungefähr drei, vier, fünf Monate Vorlauf haben."
    Das Problem mit der "Blutkohle"
    Der Weltmarkt habe sich seit Jahrzehnten als verlässlich erwiesen, meint auch der Verein der Deutschen Kohlenimporteure; es gebe keine Monopolisten oder übermächtige Lieferanten, die die Preise diktieren könnten, sagt Franz-Josef Wodopia, Geschäftsführer des Vereins.
    "Wir bekommen die meisten Kohlen in Deutschland aus Russland, das sind von den 50 Millionen Tonnen ungefähr 20 Millionen Tonnen, also 40 Prozent. Dann kommen erst die USA, das klassische Land, das immer nach Europa geliefert hat, die liefern noch neun Millionen Tonnen, also 18 Prozent. Dann kommt Kolumbien, mit einem gewissen Abstand und die liefern im Moment noch 6,5 Millionen Tonnen."
    Das Herkunftsland Kolumbien sorgt hierzulande immer wieder für Gesprächsstoff. Von "Blutkohle" sprechen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Sie prangern die Schäden für Mensch und Natur an, die durch den Tagebau entstehen. Das katholische Hilfswerk Misereor forderte kürzlich einen Stopp der Importe aus Kolumbien.
    "Dort verseucht der Kohlebergbau Flüsse, belastet das Grundwasser mit Schwermetallen und führt die hohe Konzentration von Schadstoffen in der Luft zu schweren Atemwegserkrankungen bei Arbeitern und Anwohnern. Zugleich sind Landraub und Gewalt immer wieder die Folge."
    Importeure und Kraftwerksbetreiber in Deutschland sind mittlerweile sensibel für das Thema. Trianel, der Betreiber des Kraftwerks in Lünen, ist ein Zusammenschluss zahlreicher deutscher Stadtwerke. Öffentliche Unternehmen seien besonders in der Pflicht, sagt Stefan Paul.
    "Natürlich sind wir als relativ kleines Unternehmen nicht in der Lage, jede Zeche dieser Welt zu besuchen. Deswegen sind wir im engen Kontakt mit Lieferanten, mit anderen Kraftwerksbetreibern, teilweise aber auch mit Produzenten, um unsere Standards einzufordern."
    Kohle aus Deutschland - auf dem Weltmarkt eine kleine Nummer
    Die Schließung der letzten deutschen Zeche ist für den Weltmarkt und die Kohlenpreise ohne Wirkung. Anders sieht es mit Naturereignissen aus - zum Beispiel als 2017 Zyklon Debbie die australischen Minen lahmlegte. Franz-Josef Wodopia:
    "Da gab es massive Lieferausfälle. Und da ist sofort die USA eingesprungen und hatte natürlich auch wirtschaftliche Vorteile. Die Preise sind hoch gegangen. Aber das gehört zum Spiel. Auch Russland hat mehr Kokskohle exportiert. Das zeigt: es geht."
    Allerdings ist Deutschland nur ein kleiner Spieler auf dem Weltmarkt. Von sieben Milliarden Tonnen, die weltweit gefördert werden, werden hierzulande gerade mal 50 Millionen verfeuert. Und die Tendenz ist weiter rückläufig. Seit drei Jahren gehen die Kohlenimporte zurück - wegen der wachsenden Anteile der erneuerbaren Energien.
    Auch Kraftwerksleiter Stefan Paul rechnet nicht mit Krisen bei der Importkohle. Richtig ins Schwitzen hat ihn dagegen der vergangene Sommer gebracht. Wegen des Niedrigwassers konnten die Kanalschiffe nur halb beladen fahren. Da wurde ihm die Kohle zwischenzeitlich schon mal knapp.