Donnerstag, 25. April 2024

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Enders: Eine prekäre Situation, was unbemannte große Flugsysteme anbetrifft

Nach dem Aus für den Euro Hawk befürchtet Thomas Enders, Vorstandschef des Airbus-Mutterkonzerns EADS, dass Europa bei dem auch für zivile Zwecke zukunftsträchtigen Drohnengeschäft ins Hintertreffen geraten könnnte. Auch der Konflikt um die Anschubfinanzierung des neuen Langstreckenflugzeugs A350 bereite ihm Sorge.

Thomas Enders im Gespräch mit Klemens Kindermann | 15.09.2013
    Kindermann: Herr Enders, die Welt schaut auf einen jetzt aufgeschobenen, aber immer noch möglichen neuen militärischen Konflikt. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die USA mit Militärschlägen auf den Einsatz von Giftgas in Syrien reagieren. Welchen Blick haben Sie auf diese Situation?

    Enders:Sie wissen, ich bin kein Politiker, sondern bescheidener Unternehmer. Aber was mich da besonders bewegt, ist die menschliche Tragödie einerseits, und wir tun als Unternehmen auch ein bisschen was, um über Hilfsflüge zumindest in der Türkei zu helfen. Und dann ist, glaube ich, auffällig die Hilflosigkeit der europäischen Politik, die in den letzten Jahren leider keinerlei Fortschritte gemacht hat zu einer, wie man so schön sagt, gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.

    Kindermann: Vielleicht eine allgemeine Einschätzung dann doch zu den Folgen für die Weltwirtschaft, die Sie ja auch in den Blick nehmen müssen als Risiko, wenn es zu einer Destabilisierung im Nahen Osten kommt. Was wäre Ihrer Meinung nach die Folgen für die Weltwirtschaft?

    Enders: Ja nun, Kriege und Krisen wirken sich natürlich immer negativ auf die Weltwirtschaft aus. Wir haben das ja in den letzten Tagen schon gesehen – also zu dem Zeitpunkt, als es plausibel erschien oder wahrscheinlich, dass Luftschläge stattfinden, wie die Börsenkurse durchgesackt sind. Für unsere Luftfahrt ist immer bemerkbar, dass Kriege und Krisen sofort auf die zivile Luftfahrt durchschlagen und dazu führen, dass natürlich die Buchungen der Airlines abnehmen. Das sind unsere wichtigsten Kunden, und insofern hoffe ich natürlich sehr, dass es zu einer friedlichen Lösung kommt.

    Aus EADS wird Airbus
    Kindermann: Herr Enders, Sie sind Vorstandschef von EADS, werden es aber nicht mehr lange sein. Das ist kein Grund zur Sorge, weil Ihr Unternehmen nur den Namen ändert: Aus EADS wird Airbus im nächsten Jahr. Sie also werden dann an der Spitze des Airbus-Konzerns stehen. Dass sich ein so großes Unternehmen umbenennt, das geschieht ja nicht alle Tage. Was ist der Grund?

    Enders: Der Grund ist einfach – wir haben 13 Jahre nach der Gründung, wo wir mit diesem etwas sperrigen Namen EADS European Aeronautic Defence and Space Company gestartet sind, natürlich die Bestandsaufnahme gemacht und gesagt: Wir sind eigentlich zu 70 Prozent heute Airbus. 70 Prozent unseres Umsatzes wird von unserer Tochter Airbus gemacht. Und deswegen haben wir unsere Strategieüberprüfung, die wir im Sommer abgeschlossen haben, zum Anlass genommen zu sagen: Dann lassen Sie uns Nägel mit Köpfen machen und die ganze Gruppe in Airbus umbenennen.

    Kindermann: Das führt ein bisschen zur Frage: Wie weit sind Sie eigentlich noch ein Staatsunternehmen? Also aus EADS wird Airbus, Sie benennen sich also in gewisser Weise nach Ihrem Verkaufsschlager, das ist also auch ein Stück Marketing. Sind Sie eigentlich noch dieses alte Staatsunternehmen, oder bewegen Sie sich in Richtung Normalität?

    Enders: Herr Kindermann, ich habe unser Unternehmen nie als Staatsunternehmen wahrgenommen, weil Staaten, Regierungen immer nur einen Minderheitsanteil am Unternehmen hatten. Und durch die neue Unternehmensverfassung, die wir im März eingeführt haben, haben auch die Regierungen keinen direkten Einfluss mehr auf unser operatives Geschäft. Wir haben ein komplett unabhängiges Board – Verwaltungsrat. Und das ist schon eine sehr wesentliche Weiterentwicklung des Unternehmens.

    Nach der gescheiterten Fusion mit BAE
    Kindermann: Letztes Jahr wollten Sie ja eine spektakuläre Fusion versuchen mit dem zweitgrößten Rüstungskonzern der Welt, der britischen BAE. Da gab es aus der Politik entschiedenen Widerspruch. Sind Ihnen da die Grenzen aufgezeigt worden?

    Enders: Ja, es gab Widerspruch aus der Politik, es gab auch einige Aktionäre, die aus ihrem mehr kurzfristigen Interesse heraus dieses nicht unterstützen wollten. Aber natürlich muss man so einen Schritt machen oder kann man so einen Schritt nur machen, wenn man in der Tat auf die volle Unterstützung der wichtigsten – wie sagt man da so schön neudeutsch – Stakeholder hat. Wir haben das dann abgesagt.

    Kindermann: Welche Lehren haben Sie denn aus dieser gescheiterten Fusion gezogen?

    Enders: Na gut, die unmittelbare Lehre war eben, dass wir unsere Unternehmensverfassung geändert haben. Und ich bin sehr froh, dass wir die Gelegenheit dazu hatten, dass auch diejenigen, die wir dazu brauchten, kooperiert haben. Das sind insbesondere die Shareholder, die industriellen Shareholder gewesen, Daimler, Lagardère, aber auch die französische Regierung - und dass wir auf diese Art und Weise im März dann unserer Vollversammlung, unserer Mitgliederversammlung die neue Unternehmensverfassung vorlegen konnten zur Abstimmung.

    Kindermann: Einen zweiten Anlauf zur Fusion mit BAE wird es nicht geben?

    Enders: Das sehe ich nicht, jedenfalls auf viele Jahre hinweg. Das sind Dinge, da öffnet sich mal ein bestimmtes Zeitfenster, dann kann man so was machen, wir hatten ja unsere guten Gründe dafür. Aber das Thema ist durch. BAE geht seine eigenen Wege, wir gehen unsere eigenen Wege, wie sich ja bei der Strategieüberprüfung gezeigt hat – insbesondere auch darin, dass wir unser kommerzielles Geschäft als das Hauptstandbein des Unternehmens in Zukunft sehen. Es war eine Gelegenheit, ich hab es damals für richtig gehalten. Aber dem muss man nicht nachtrauern.

    Kindermann: Sie haben es eben schon dargelegt, die Aktionärsstruktur hat sich geändert. Deutschland und Frankreich haben ihre Anteile deutlich reduziert auf jeweils 12 Prozent, Spanien hält vier. Wie wirkt sich das jetzt aus auf Unternehmensentscheidungen, sind Sie da freier?

    Enders: Ja, deutlich freier, weil, wie gesagt, die Regierungen haben im operativen Entscheidungsablauf keine Rolle mehr. Wir haben ein Board, das aus unabhängigen Mitgliedern zusammengesetzt ist. Da sitzen keine Vertreter von Regierungen drin. Die Regierungen haben allerdings die Möglichkeit, ihre schützenswerten Sicherheitsinteressen zu schützen über sogenannte nationale Sicherheitsfirmen, sowohl in Deutschland wie auch in Frankreich. Da geht es einfach darum, dass sensitive Technologie und Produkte einem gewissen Schutz unterliegt. Sicherlich könnten sie auch mitreden, wenn es zu unfreundlichen Übernahmen käme. Das sind Mechanismen, die sind üblich in unserer Branche. Das hat nichts mit Staatsunternehmen oder halben Staatsunternehmen zu tun, solche Mechanismen finden Sie in Großbritannien genau so wie in den Vereinigten Staaten.

    Auswirkungen der Krise
    Kindermann: Die Fusion, die ja nicht geklappt hat mit BAE, hatte ja den Sinn, Synergien herzustellen, besonders im Rüstungsbereich. Gerade den europäischen Haushalten geht es ja im Moment nicht sehr gut. Die südeuropäischen Länder, die ja von der Krise besonders betroffen sind, waren in der Vergangenheit eigentlich auch immer sehr gute Kunden. Wie merken Sie als Unternehmen, als EADS die Eurokrise?

    Enders: Ja, im militärischen Bereich, der ja noch ungefähr 20 Prozent unseres Umsatzes ausmacht, wirkt sich das dadurch aus, dass es keine neuen großen Aufträge gibt, sondern dass die eine oder andere Regierung sogar mit uns darüber verhandelt und verhandelt hat, bestehende Aufträge und Abnahmemengen zu reduzieren. Das ist natürlich für uns bedauerlich, weil wir mit diesen festen Verträgen auch in der Kapazitätsplanung und in der operativen Planung gerechnet haben . . .

    Kindermann: . . . welche Staaten sind das? . . .

    Enders: . . . bitte? . . .

    Kindermann: . . . welche Staaten sind das?

    Enders: Ach, im Grunde genommen sind das eine ganze Reihe von europäischen Staaten, die aufgrund ihrer fiskalischen Situation sich gezwungen sehen, den Verteidigungshaushalt zu kürzen. Da gibt es eigentlich kaum jemanden, der da eine Ausnahme macht. Aber ich will jetzt nicht auf einen oder zweien einfach nur rumpicken. Wir müssen in der Situation das tun, was Unternehmen tun müssen. Sie müssen Kapazitäten anpassen, sie müssen reduzieren. Das ist etwas, wo wir durchaus Erfahrung haben, leider, natürlich haben wir das nach dem Kalten Krieg durchlaufen. Und andererseits müssen wir natürlich auch – und das tun wir - uns bemühen, außerhalb der europäischen Kernmärkte in Exportmärkten Chancen für unsere Produkte zu finden.

    Kindermann: Können Sie sich denn vorstellen, auch Aufträge vom US-Verteidigungsministerium zu holen?

    Enders: Ja, das ist uns ja schon gelungen. Ich meine, ein recht spektakulärer Auftrag war der Verkauf von über 300 Hubschraubern an die US-Armee, die wir nach wie vor ausliefern und produzieren in Columbus/Mississippi.

    Kindermann: Aber bei den Tankflugzeugen waren Sie nicht ganz so erfolgreich.

    Enders: Bei den Tankflugzeugen waren wir nicht ganz so erfolgreich, aber es hat sich sicherlich gelohnt, den Hut in den Ring zu werfen. Wir haben es einmal gewonnen und dann hat man es uns sozusagen wieder abgenommen. Beim zweiten Mal hat es dann nicht geklappt. Wir haben dort sehr viele wertvolle Erfahrungen gesammelt und vor allen Dingen haben wir dem amerikanischen Kunden, dem Pentagon, der US Air Force auch demonstriert, dass wir in der Lage sind, bei einem so großen Auftrag regelkonform zu bieten. Und das hat uns einige positive Punkte in Washington eingebracht.

    Kindermann: Das Prestigeprojekt Euro-Fighter – die Bundeswehr wollte ja mal 180 Maschinen abnehmen, jetzt können es noch 140 sein, selbst dafür scheint das Geld nicht zu reichen?

    Enders: Ich weiß es nicht, ich will darüber nicht spekulieren. Wir werden natürlich versuchen, die ursprünglich avisierten Abnahmemengen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Ländern zu erreichen. Und, wie gesagt, gleichzeitig sind wir kräftig dabei zu versuchen, den einen oder anderen Exportauftrag an Land zu ziehen.

    Das Projekt Euro Hawk
    Kindermann: Dann gibt’s ja noch ein anderes zukunftsweisendes Projekt von EADS, nämlich der Euro Hawk. Bundesverteidigungsminister de Maiziere ist da mächtig unter Druck geraten, weil er das Projekt nicht rechtzeitig gestoppt hat, wie Kritiker meinen. Trifft die EADS da irgendeine Schuld?

    Enders: Das kann ich nicht sehen. Natürlich haben wir uns auch darüber unsere Gedanken gemacht und nachvollzogen, was da passiert ist. Ich glaube nach wie vor, soweit ich das verstehe, hat die Bundesregierung, das Verteidigungsministerium einen Bedarf an Aufklärungsplattformen, die unbemannt sind, die hoch fliegen – oberhalb des kontrollierten Luftraumes. Und aus den Gründen genau ist vor über zehn Jahren der Global Hawk, aus dem dann ein Euro-Hawk wurde, ausgewählt worden, um Prototypen zu entwickeln und dann vielleicht später in Serie zu gehen.

    Kindermann: Noch mal zu de Maiziere. Hätten Sie ihn nicht vielleicht eher warnen müssen?

    Enders: Noch einmal. Wir haben uns natürlich sehr damit beschäftigt, wie das Ganze zustande gekommen ist. Ein Manager von EADS, Herr Gerwert, war auch im Untersuchungsausschuss, hat dazu Bericht erstattet aus unserer Sicht. Ich kann nicht erkennen, dass das Unternehmen hier Fehler gemacht hätte. Allerdings glaube ich, hat der Untersuchungsausschuss auch gezeigt, dass auf der Regierungsseite das eine oder andere, insbesondere die Zulassungsverfahren, überprüfungswürdig sind.

    Kindermann: Der Markt für Drohnen gilt ja eigentlich als einer der zukunftsträchtigsten, auch wenn man den Zivilbereich betrachtet. Ist Europa denn jetzt mit dem Aus für den Euro Hawk ins Hintertreffen geraten für das gesamte Drohnengeschäft?

    Enders: Ja, lassen Sie mich es mal so sagen: Ich glaube, dass wir hier in Europa allmählich in eine prekäre Situation hineinsteuern, was unbemannte große Flugsysteme anbetrifft. Denn Amerikaner und Israelis sind uns in Längen voraus, ich schätze mal, zehn, wahrscheinlich eher 15 Jahre, und das ist sehr bedauerlich. Und das reflektiert eben auch die Fragmentierung der europäischen Außen-, Sicherheits-, Verteidigungspolitik nach wie vor, dass es selbst nach jahrelangem Bemühen nicht gelungen ist, und nicht nur Bemühen der Industrieseite, sondern auch der Regierungen ein europäisches Projekt hier zustande zu bringen.

    Kindermann: Werden Sie als EADS, dann später Airbus – werden Sie noch überhaupt in Drohnen investieren?

    Enders: Schauen Sie, das kommt ganz darauf an. Wir werden sicherlich in dem Bereich präsent sein, sind wir auch heute schon, weil ich mir dafür für ein Unternehmen, das eben zu schätzungsweise 85 Prozent Luftfahrt macht, Aeronautik macht, also, wie man so schön sagt, "fixed wing" und "rotary wing" Hubschrauber und Flächenflugzeuge. Das sind wichtige Technologien, das dürfen wir nicht versäumen. Allerdings wenn es militärische Nachfrage gibt, dann muss das auch von militärischen Kunden bezahlt werden und nicht aus der eigenen Kasse.

    Kindermann: A propos Technologien, Sie haben für den Euro Hawk das Aufklärungssystem ISIS entwickelt. Hier im Deutschlandfunk sprach Minister de Maiziere von einer sehr wichtigen Technologie und von einem gewaltigen Markt der Zukunft. Ist das jetzt alles verloren?

    Enders: Also, dass es eine sehr wichtige Technologie ist, da stimmen der Minister und ich überein. Das ist in der Tat eine wichtige und richtige Entwicklung gewesen. Das war ja damals das Grundkonzept übrigens des Euro Hawk: Wir nehmen eine Plattform, die existiert, in die die Amerikaner Milliarden investiert haben. Und insofern – wir erfinden das nicht neu und komplettieren das durch Sensorik und durch Bodensysteme. Aber wir haben das entwickelt für die Bundesrepublik Deutschland und nicht für den Exportmarkt.

    Kindermann: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Vorstandschef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, Thomas Enders. Herr Enders, werden Sie für Drohnenentwicklung jetzt möglicherweise eher die Zusammenarbeit mit anderen Staaten versuchen, vielleicht in Form einer französisch-britischen Kooperation?

    Enders: Ja, wir sind ja ein internationales Unternehmen, wir sind ja kein rein deutsches Unternehmen. Und insofern schauen wir natürlich, wo wir uns einbringen, wo es Nachfrage gibt und verfolgen natürlich mit großem Interesse auch die Kooperationsansätze und Vereinbarungen, die es zwischen Frankreich und Großbritannien gibt insbesondere.

    Die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk"
    Die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" (dpa / Angelika Warmuth)
    Frankreichs Industriepolitik
    Kindermann: Ich wollte ein bisschen auf Frankreich hinaus, da haben Sie eine besondere Expertise. Wie ist das mit der Industriepolitik in Frankreich, fühlen Sie sich da besser aufgehoben?

    Enders: Als in Deutschland?

    Kindermann: Als in Deutschland!

    Enders: Das ist eine sehr interessante Frage. (lacht) Nein, wissen Sie, ich will es mal so sagen: Dass Regierungen natürlich bemüht sind, auf eine wichtige Industrie, die man gerne auch als strategische Industrie bezeichnet, eine Hightech-Industrie, Einfluss auszuüben, das ist ja ganz normal. Das ist übrigens auch in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten, von anderen Ländern, in Asien, ganz zu schweigen, der Fall. Ich kann nur sagen aus jahrelanger Erfahrung eben auch in Frankreich, dass manche in Deutschland ein kleines Klischee haben über die französische Industriepolitik, nämlich in dem Sinne, dass die da tagtäglich eingreifen würden oder dass ich Montags immer im Elysee antreten müsste und die Befehle in Empfang nähme. Das ist natürlich Unfug. Ich würde mal sagen, Industriepolitik gibt’s auf beiden Seiten des Rheins oder die Versuchungen dazu.

    Kindermann: Was unterscheidet denn die deutsche und die französische Unternehmenskultur?

    Enders: Wissen Sie, wenn man in so einem Unternehmen arbeitet viele Jahre lang, dann sieht man das gar nicht mehr in den Klischees, die aller Orten natürlich vorhanden sind. Und sicher gibt’s auch Differenzen. Ich habe hervorragende französische Kollegen, hervorragende deutsche, britische, spanische, amerikanische Kollegen. Für mich sind die Menschen wichtig, die im Vordergrund stehen. Und wir haben heute eine Führungsphilosophie, die ich nicht mehr unterscheiden kann zwischen deutscher und französischer. Gerade unsere jungen Mitarbeiter fordern natürlich viel mehr Partizipation - Befehle und Gehorsam geht schon lange nicht mehr. Teilnahme der Mitarbeiter, das Einbringen in Entscheidungsprozesse …

    Kindermann: Frankreich und Deutschland entwickeln sich ja wirtschaftlich auseinander. Diese Woche haben wir neue Zahlen aus Frankreich bekommen, das Defizit wird wohl über vier Prozent steigen dieses Jahr. Wird jetzt Frankreich der neue kranke Mann Europas?

    Enders: Na, das wäre sicherlich eine voreilige Schlussfolgerung. Man darf die Stärke der französischen Wirtschaft sicherlich nicht unterschätzen, insbesondere in unserem Bereich. Und wir tragen ja auch sehr viel zur Außenhandelsbilanz Frankreichs über Airbus bei. Sicherlich könnten sich die Franzosen das eine oder andere noch abschauen in Deutschland, aber . . .

    Kindermann: Was wäre das denn?

    Enders: Bitte?

    Kindermann: Was wäre das denn?

    Enders: Ja, mein ehemaliger Kollege Louis Gallois hat das ja mal in einem Bericht, ich glaube in 20 Punkten oder so, runtergeschrieben. Das ist eine sehr interessante und gute Liste, mit der eigentlich alle französischen Unternehmensführer einverstanden waren. Die Regierung macht natürlich immer so ein bisschen Cherry-picking, aber das ist bei anderen Regierungen auch so. Aber es gibt auch das eine oder andere, was sich Deutsche von Franzosen abschauen könnten. Und ich denke, wir sollten hier als Deutsche nicht so überheblich auf unsere Nachbarn hinunter schauen.

    Kindermann: Wie beurteilen Sie denn die aktuelle französische Wirtschaftspolitik?

    Enders: Nun, ich sagte ja bereits, das eine oder andere sich von Deutschland abzuschauen oder einfach von der Liste von Louis Gallois zu nehmen, würde sicherlich positiv sein. Aber ich will weder in die deutsche noch in die französische Wirtschaftspolitik hier eingreifen und tiefschürfende Kommentare machen. Ich denke, das steht mir als Unternehmensführer so auch nicht zu.

    Kindermann: Jetzt kommen wir zur deutschen Industriepolitik. Welche Note bekommt die von Ihnen?

    Die beiden Vorstandsvorsitzenden des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, Tom Enders (links) und Louis Gallois stellen sich vor Beginn der Bilanz-Pressekonferenz in Oberschleißheim bei München vor einem Modell des Airbus A350 den Fotografen.
    Tom Enders (links) und Louis Gallois vor einem Modell des Airbus A350 (AP)
    Diskussion um Steuererhöhungen beenden
    Enders: Also Herr Kindermann, ich sitz nicht hier, um Noten zu vergeben. Ich habe vorhin gesagt, die Versuchung, Industriepolitik zu machen, die ist bei Regierungen immer vorhanden. Damit kann man sich auch vor Wählern eigentlich recht gut darstellen. Und das verstehe ich auch als Unternehmer, für uns als Unternehmensführer kommt es nur immer darauf an, dass man im Kernbereich des unternehmerischen Handelns aufpasst, dass nicht zu viele politische Kriterien eingebracht werden, die das Unternehmerische dann verwässern. Weil - das geht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und das geht mittel- und langfristig auf Kosten von Arbeitsplätzen.

    Kindermann: Gibt es einen Bereich, wo die nächste Bundesregierung, egal wie sie zusammengesetzt ist, besser werden könnte?

    Enders: Na, ich würde mir schon wünschen, egal wie die zusammengesetzt ist, dass diese unglaublichen Diskussionen über Steuererhöhungen aufhören. Denn wie vieler Orts ja schon zu recht geschrieben und gesagt worden ist. Dieses Land hat kein Einnahmeproblem, dieses Land hat ein Ausgabeproblem. Es ist schon einigermaßen abenteuerlich, wenn man verfolgt, dass viele neue Ideen entwickeln über zusätzliche Abgaben, aber kaum jemand darüber redet – und wenn er das tut, dann wird er kritisiert –, wie man Steuern senken könnte.

    Kindermann: Sie sprechen ja aktuell mit der Bundesregierung noch über Anschubhilfen für Ihr Langstreckenflugzeug A 350. Da waren 1,1 Milliarden Euro zugesagt worden, aber Sie warten immer noch auf etwas mehr als die Hälfte der Summe, die nicht ausgezahlt wird. Wieso nicht?

    Enders: Ja gut, das ist der Punkt, den wir vorhin berührt haben. Wo sind die Grenzen von Industriepolitik? Schauen Sie, es ist ein etabliertes System, übrigens von der WTO, wo uns die Amerikaner ja verklagen wollten, vor einiger Zeit sogar bestätigt, dass man Anschubfinanzierungen machen kann. Anschubfinanzierung heißt, das Geld wird hinterher zurückgezahlt, sogar mit Zins. Und da haben alle Regierungen in Europa eigentlich relativ gut verdient. Und dass man dafür bestimmte Gegenleistungen erwarten kann, ist auch verständlich. Aber es gibt irgendwo Grenzen. Und genau um diese Diskussion geht es mit der Bundesregierung – wo sind die Grenzen. Und die sind für mich relativ klar, das will ich hier und kann ich hier im Detail nicht aufzeigen. Wir haben sehr lange über dieses Thema gesprochen. Für mich ist diese Diskussion eigentlich nicht mehr aktuell.

    Gefahren für die Stellenstruktur in Deutschland?
    Kindermann: Wird es denn Auswirkungen haben für deutsche Standorte oder Arbeitsplätze haben, wenn die Hilfen nicht fließen?

    Enders: Ja, ich will es mal deutlicher ausdrücken, nachdem Sie mir in der Frage hier so auf den Zahn fühlen. Eine vergleichbare Situation hat es eigentlich in 40 Jahren Airbus bei keiner Regierung, so weit ich weiß, bisher gegeben. Und natürlich müssen wir schauen, wie wir künftig unsere Aktivitäten wettbewerbsfähig vergeben. Und wenn Franzosen, Spanier und Briten ihre Beiträge entsprechend zahlen und natürlich auch die normalen Gegenleistungen erhalten, die Deutschen es nicht tun, dann kann ich mich nicht hinsetzen und sagen: Das hat aber keinerlei Konsequenzen. Das käme schlecht an bei dem Rest der Community.

    Kindermann: Sie bauen ja Ihren Konzern jetzt um in neue Sparten. Wird das zu Lasten deutscher Standorte gehen?

    Enders: Nein, das sehe ich nicht. Aber ich habe ja vorhin auch gesagt, wenn Nachfrage zurückgeht, wenn sogar in bestehende Verträge eingegriffen wird, dann ist es selbstverständliche Pflicht eines Managements, Konsequenzen daraus zu ziehen. Es ist zu früh, darüber zu reden, aber das neue Management, das wir designiert haben Ende Juli, das macht sich in den nächsten Wochen und Monaten darüber Gedanken, welche Struktur die neue Division Verteidigung und Raumfahrt haben soll. Wir führen ja hier unter einem Dach erstmals fast alle unsere Verteidigungsaktivitäten, ausgenommen die Hubschrauber, zusammen. Und natürlich geht es darum, Kosten zu reduzieren, die Profitabilität zumindest zu erhalten, möglichst auch zu steigern und uns vorzubereiten auf die weiter schrumpfenden Verteidigungsbudgets. Und gutes Management, Herr Kindermann, handelt immer pro aktiv, wartet nicht, bis das Dach in Flammen steht, denn dann muss man in der Regel noch sehr viel drastischer eingreifen.

    Kindermann: Wann werden die Beschäftigten denn Bescheid wissen? Also, manche haben ja die Befürchtung, die guten Unternehmensteile, die hochprofitablen wie Airbus, wandern nach Frankreich. Und die weniger profitablen Bereiche sind dann hier in Deutschland. Das ist ja manchmal so die Sorge. Wann werden die Beschäftigten Bescheid wissen, wo es lang geht?

    Enders: Ja, das mit dem Wandern von Deutschland nach Frankreich ist natürlich grober Unfug. Wir haben in den letzten zehn Jahren nachweislich mindestens so viele zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen in Deutschland wie in Frankreich. Und wir haben – Sie lesen es unten, wenn Sie in unser Hauptgebäude hier reinkommen – im letzten Jahr als EADS, über 3000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Von Abwandern kann da überhaupt keine Rede sein. Die Umstrukturierung betrifft auch weniger Airbus oder die Hubschrauberei, sondern hier geht es um die heutigen Divisionen Cassidian, Astrium , also Verteidigungs-Raumfahrt-Geschäft, plus der militärische Teil von Airbus. Und ich denke, dass wir deutlich vor Ende des Jahres darüber Bescheid wissen, welche Konsequenzen zu ziehen sind und das dann natürlich auch den zuständigen Gremien kommunizieren werden.

    Kindermann: Die Beschäftigten in Deutschland müssen sich also keine Sorgen machen?

    Enders: Jetzt drehen Sie mir das Wort im Munde rum. Ich habe gesagt, hier wandert niemand ab. Bisher haben wir netto zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Aber ich muss natürlich schauen, was sich insbesondere in dem Nicht-Airbus-Bereich abspielt, insbesondere im militärischen Bereich. Und wenn hier Aufträge gekürzt werden, und allein in Deutschland sind in den letzten Jahren Aufträge um einen Milliarden-Betrag, mehrere Milliarden umfassenden Betrag, gekürzt worden, dann kann das à la longue nicht ohne Konsequenzen bleiben.

    Kindermann: Ganz anderes Thema noch kurz zum Schluss: Hackerangriffe, Überwachung durch die NSA. Sind Sie davon irgendwie betroffen?

    Enders: Mir macht die NSA, ehrlich gesagt, weniger Sorgen als in der Tat Angriffe, Cyberangriffe auf das Unternehmen, die wir, wie viele andere Unternehmen auch, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Informationstechnik seit einiger Zeit wahrnehmen. Und diese Attacken, die - von wo auch immer, ich will jetzt hier keine Vermutungen und Spekulationen aussprechen – kommen, das hat es früher so nicht gegeben. Wir haben mittlerweile eine recht starke Truppe hier aufgebaut innerhalb des Unternehmens, der Unternehmensgruppe, die rund um die Uhr damit beschäftigt ist, Attacken abzuwehren. Und ich bin auch sehr froh über die Kooperation und Unterstützung der Regierungen, der britischen, der französischen, der deutschen insbesondere, die uns unterstützen bei der Abwehr dieser Angriffe.

    Kindermann: Wenn Sie gestatten – noch eine persönliche Frage ganz zum Schluss: Sie sind 54, haben eine atemberaubende Karriere gemacht, Sie sind einer der ganz wenigen deutsch-französischen Top-Manager, Sie sind für 140.000 Mitarbeiter verantwortlich, außerdem Fallschirmspringer und Major der Reserve. Was soll da eigentlich noch kommen?

    Enders: Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich heute mache. In der Tat, in dieser Branche habe ich eine Position erreicht, Herr Kindermann, davon hätte ich vor zehn oder zwanzig Jahren nicht einmal zu träumen gewagt. Ich hab sehr viel Glück gehabt, ich hab gute Förderer gehabt. Nein, ich bin mit dem zufrieden, was ich tue. Und Sie haben ja vorhin in Ihren Fragen auch gezeigt, dass es noch einiges gibt, was umgesetzt werden soll. Also ich bin nicht in der Situation, dass ich mich jetzt gähnend zurücklehnen müsste und sagen: My goodness, was mache ich denn den ganzen Tag.

    Kindermann: Herr Enders, vielen Dank für das Gespräch.

    Enders: Bitte schön.
    Der Airbus A380 während seines Jungfernflugs im Jahr 2005
    Der Airbus A380 während seines Jungfernflugs im Jahr 2005 (picture alliance / dpa / DB EADS)