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Energie-Wende

Politker und Bevölkerung im Saarland fordern die Abschaltung des nur wenige Kilometer von der Landesgrenze entfernten französischen Atomreaktors Cattenom. Viele der Landtagsabgeordneten träumen von einer Renaissance der Kohle.

Von Tonia Koch | 24.03.2011
    "Abschalten, abschalten, abschalten jetzt."

    Demonstrantin: "So viele waren es noch nie."

    Das kleine Häuflein von Aufrechten, das seit Oktober jeden Montag gegen die Nutzung der Atomkraft in der Saarbrücker Innenstadt demonstriert, hat mächtig Zulauf bekommen. Weit über 1000 Menschen haben sich beteiligt.

    "Das erste Mal heute, weil ich einfach Angst habe. Ich bin noch einmal aufgeschreckt worden nach Tschernobyl. Damals war ich schwanger und hab' mir neun Monate lang Sorgen gemacht. Ich bin das erste Mal hier, muss ich zu meiner Schande gestehen. Ich war in den 80er-Jahren aktiv, später hat man sich arrangiert, aber jetzt ist doch sehr deutlich geworden, dass man den politischen Druck wieder aufbauen muss und dazu gehört eben auch, dass man auf der Straße präsent ist. Nach 25 wieder. Auf der Straße jetzt, aber dagegen schon länger."

    Das französische Fernsehen war auch da zum ersten Mal. Es hat, die für französische Verhältnisse ungewöhnliche Szenerie eingefangen. Nein, das Saarland hat kein Kernkraftwerk, es kann auch keines abschalten.

    Aber nur acht Kilometer hinter der Grenze steht Cattenom. Der gemessen an der Leistung drittgrößte französische Atomreaktor gilt als Pannen-Meiler. 750 meldepflichtige Ereignisse habe es in den letzten 25 Jahren gegeben, teilte das saarländische Umweltministerium mit. Trotzdem sollen die vier Reaktorblöcke weitere 40 Jahre laufen. Für die Demonstranten eine überaus reale Bedrohung.

    "Die meisten Leute sind schon sensibilisiert wegen der vielen Störfälle in Frankreich, die nicht veröffentlicht werden."

    Der Trierer Bischof, Stephan Ackermann fordert die Abschaltung von Cattenom und seit gestern auch die saarländische CDU. Ministerpräsident Peter Müller.
    "Wir streben die schnellstmögliche Abschaltung de Kernkraftwerkes Cattenom."

    Noch bis vor wenigen Monaten war die Saar-CDU der Auffassung, ein öffentlicher Aufruf gegen Cattenom verbiete sich im Hinblick auf ein ansonsten gut nachbarschaftliches Verhältnis mit Frankreich. Inzwischen aber wurden die Bundesregierung und die französische Staatsregierung aufgefordert, die Sicherheitslage rund um den lothringischen Meiler zum Thema des nächsten deutsch-französischen Gipfeltreffens zu machen.
    Alle im saarländischen Landtag vertretenen Parteien wollen so schnell wie möglich raus aus der Atomkraft. Und nicht wenige, wie der Landesvorsitzende der saarländischen Linken, Rolf Linsler, träumen von einer Renaissance der Kohle.

    "Eine Grube ist noch auf im Saarland, ist noch auf, die Möglichkeit besteht."

    Selbst in den Reihen der Liberalen, die bislang als ausgewiesene Bergbaugegner von sich Reden machten, finden sich Fürsprecher einer Wiederbelebung der heimischen Steinkohleförderung. Der Saarbrücker Kreisvorsitzende der FDP, Hartmut Ostermann schockte seine Partei dieser Tage mit der Einschätzung, der Ausstieg aus dem Bergbau sei ein Fehler und müsse korrigiert. Die Partei reagierte umgehend. Der Fraktionsvorsitzende Christian Schmidt beschwichtigte.

    "Diese Meinung ist nicht mehrheitsfähig weder in der Fraktion noch in der Partei.""

    Und auch der Ministerpräsident stellte in seiner gestrigen Regierungserklärung klar.

    "Wer jetzt so tut, dass es eine Renaissance des Steinkohlebergbaus geben könnte, der macht den Menschen Hoffnungen, die nicht realistisch sind."

    Wenn nicht dem saarländischen Steinkohlenbergbau so bietet die bislang auf drei Monate befristete Abschaltung der überwiegend süddeutschen Atomkraftwerke zumindest den saarländischen Kohlekraftwerken unerwartete Chancen. Der saarländische Kraftwerkspark müsse erhalten bleiben, sagt der CDU Fraktionsvorsitzende, Klaus Meiser.

    "Genau so klar ist, dass die Kohle auch Basis für diese Kraftwerke sein kann, das schreibe ich all jenen ins Stammbuch, die meinen anderes äußern zu müssen."

    Lange Zeit sah es nicht danach aus, als könne das gelingen. Die in die Jahre gekommenen Kohle-Kraftwerke standen öfter still, nachdem bedingt durch die Wirtschaftskrise und die zunehmende Verfügbarkeit regenerativer Energien ausreichend Strom im Angebot war. Das hat sich nun mit der Abschaltung der Atommeiler geändert. Gut für die Saarländer ist, dass ihre Kohlekraftwerke sozusagen auf der richtigen Seite stehen, weil vom Saarland in Richtung Süden, wo die meisten Atomreaktoren abgeschaltet wurden, keine Leitungsengpässe zu befürchten sind.

    Nur die an der Jamaika-Regierung beteiligten Grünen müssen noch davon überzeugt werden, dass wenn schon nicht dem heimischen Bergbau so doch der Kohle wieder eine Chance eingeräumt wird. Von der Idee, die saarländischen Kraftwerke mithilfe der Kohle zu ertüchtigen, hält der Grüne Landesvorsitzende Hubert Ulrich aber herzlich wenig.

    "Gaskraftwerke, ja, Steinkohlekraftwerke, nein!"