Donnerstag, 18. April 2024

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Energieexperte: "Da ist nicht mehr zu rütteln."

Strom wird teurer - um bis zu 70 Euro im Jahr. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen führt dies vor allem auf die Inkonsequenz der Bundesregierung zurück: "Man konnte nicht gleichzeitig die Atomlaufzeiten verlängern und die Solarenergie zu stark kürzen."

Holger Krawinkel im Gespräch mit Holger Krawinkel | 15.10.2010
    Christian Bremkamp: Die Verbraucher wird es kaum freuen, doch die Strompreise in Deutschland werden – das ist seit dem Vormittag sicher – kräftig steigen, um bis zu 70 Euro im Jahr. Grund: Sogenannter Ökostrom ist in der Produktion immer noch teuerer als solcher aus Kohle oder Atomkraft und wird deshalb seit zehn Jahren finanziell gefördert – mithilfe einer Umlage, die jeder zahlen muss. Stichwort: Erneuerbare-Energien-Gesetz.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Holger Krawinkel, er ist Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Guten Tag, Herr Krawinkel.

    Holger Krawinkel: Guten Tag, Herr Bremkamp.

    Bremkamp: Mehrkosten von bis zu 70 Euro im Jahr, da muss ein Verbraucherschützer wie Sie doch laut aufschreien.

    Krawinkel: Ja! Wir machen ja nichts anderes. Wir haben uns ja um die Entwicklung der EEG-Umlage schon seit Anfang des Jahres gekümmert. Damals hat uns noch keiner geglaubt, dass es so teuer wird. Wir wurden dort auch kräftig angegriffen aus der Solarbranche. Inzwischen hat sich das bestätigt. Ich bin auch wirklich entsetzt und die Bundesregierung hat ja alle Möglichkeiten gehabt, diese Entwicklung zumindest abzumildern. Ich kann mich erinnern: Die Bundesregierung ist angetreten, im Januar wollte sie zum 1. April schon die Vergütungssätze um 20 Prozent kürzen. Dann wurde diese Kürzung immer weiter verzögert, verwässert. Am Ende war es dann am 1. Oktober 16 Prozent, und damit hat man natürlich den Boom mit ausgelöst und auch mit zu verantworten.

    Bremkamp: Warum, glauben Sie, hat die Bundesregierung das nicht gemacht?

    Krawinkel: Die Bundesregierung war sozusagen etwas gefangen in ihrer Atomausstiegsdebatte, man will die Laufzeit verlängern, und auf der anderen Seite hat man sich dann wohl nicht getraut, auch noch die Solarenergie weiter zu kürzen. Da war sozusagen das Legitimationspotenzial, wie man so schön sagt, aufgebraucht. Ich glaube, daran liegt das. Man konnte nicht gleichzeitig die Atomlaufzeiten verlängern und die Solarenergie zu stark kürzen.

    Bremkamp: Muss denn wirklich jeder Haushalt im kommenden Jahr mehr bezahlen?

    Krawinkel: Diese Umlage muss jeder Haushalt bezahlen. Jeder Haushalt hat aber immer noch die Möglichkeit, seinen Anbieter zu wechseln und damit natürlich Geld zu sparen. Die Umlage muss er trotzdem bezahlen.

    Bremkamp: Und es gibt keine Möglichkeit, jetzt noch dagegen vorzugehen.

    Krawinkel: Nein! Das ist jetzt für die nächsten 20 Jahre fest. Die Umlage wird sicher irgendwann wieder etwas abnehmen, wenn der Großhandelspreis steigt, aber im nächsten Jahr, in den nächsten Jahren ist das nicht abzusehen. Deswegen wird das so bleiben und es wird wahrscheinlich sogar noch mehr werden.

    Bremkamp: Als Begründung ist zu lesen, die Umlage steigt, weil immer mehr Ökostrom produziert wird. Ich bin kein Ökonom, aber wenn von etwas mehr produziert und verkauft wird, dann steigen in der Regel doch auch die Gewinne. Warum also auch noch höhere Subventionen?

    Krawinkel: Na ja, weil die Subventionen die Gewinne bezahlen. Das ist doch ganz einfach. Für Solarstrom wird zurzeit im Schnitt 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlt. Das gibt bei denjenigen, die die Anlagen betreiben, exorbitant hohe Renditen, und weil man die Renditen nicht eingekürzt hat, müssen natürlich auch die Subventionen steigen.

    Bremkamp: Also macht sich da jemand die Taschen voll?

    Krawinkel: Ja, sicher! Die Solarbranche wird nicht gezwungen, kostengünstig zu produzieren, die werden ja auch von den Chinesen überholt, was die deutschen Hersteller betrifft, und auf der anderen Seite haben diejenigen, die in Solaranlagen investiert haben, auch noch riesige Gewinne zu erwarten. Die Renditen liegen deutlich über zehn Prozent, und das müssen dann sozusagen die Mieter in den Ballungsräumen bezahlen, die sich keine Solaranlagen leisten können.

    Bremkamp: Denn aus der Brennelementesteuer wird ja auch noch mal Geld frei für die alternativen Energieträger?

    Krawinkel: Ja, natürlich! Man könnte auch das, was man aus der Laufzeitverlängerung abgeschöpft hat, jetzt in die EEG-Umlage reinstopfen. Dann hätte man eine Haushaltsfinanzierung. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn es eine Haushaltsfinanzierung des EEG gäbe, dann wäre dieser Spuk ganz schnell vorbei.

    Bremkamp: Gestern war die Atomindustrie der Buhmann, heute die Solarindustrie?

    Krawinkel: Ja! Das ist eben so, weil die Bundesregierung hier keine konsistente Energiepolitik verfolgt. Ich finde, noch viel schlimmer ist ja die Tatsache, dass wir jetzt sieben, acht Milliarden für Solarenergie zahlen müssen über diese Zwangsumlage, und auf der anderen Seite fehlt das Geld im Haushalt für die wichtige Gebäudesanierung. Da wird zusammengestrichen und zusammengekürzt, da gibt es nächstes Jahr maximal eine Milliarde. Gebraucht werden aber fünf Milliarden. Das heißt, das Geld ist da, nur sozusagen im falschen Topf.

    Bremkamp: Aber Sie sagen auch, die Branche kann sich noch nicht selber tragen. Oder ist das falsch? Die könnte sich selber bezahlen?

    Krawinkel: Nein. Der wesentliche Maßstab für die Konkurrenzfähigkeit sind ja die Großhandelspreise. Die liegen bei fünf Cent. Im günstigsten Fall könnte Solarstrom wahrscheinlich im Bereich von 20 Cent heute produziert werden, und dann gibt es immer noch eine Differenz, die gezahlt werden müsste, aber die wäre ja wesentlich niedriger als die Differenz, die wir heute haben. Also zwischen 40 Cent im Durchschnitt und fünf Cent Börsenpreis muss ich eben 35 Cent pro Kilowattstunde als Subvention zuzahlen. Die Vergütung geht zurück, die ist jetzt bei knapp über 30 Cent, aber sie könnte eben noch mal deutlich geringer sein. Deswegen fordern wir auch, die Kürzung, die für 2012 vorgesehen ist – das werden ja wahrscheinlich sogar 21 Prozent sein -, ins Jahr 2011 vorzuziehen, damit eben die Absenkung der Vergütung schneller vor sich geht.

    Bremkamp: Aber an der heute bekannt gewordenen Umlage ist nicht mehr zu rütteln?

    Krawinkel: Da ist nicht mehr zu rütteln. Das hat man gesehen, aber hat es nicht verändern wollen. Wir haben unsere Berechnungen schon Anfang des Jahres vorgelegt, übrigens exakt mit der Zahl 3,5 Cent. Das ist nicht ernst genommen worden und die Regierung ist, finde ich, da besonders verantwortlich.

    Bremkamp: …, sagt Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Krawinkel: Ich danke Ihnen.