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Energiekrise
Ukraine droht Stromnetzausfall

Der Ukraine droht eine Energiekrise. In 40 Tagen könnte der Strom knapp werden. Der Grund: Ein Großteil der für die Energiegewinnung erforderlichen Kohle stammt aus dem von prorussischen Separatisten besetzten Donezbecken. Bisher lief der Handel weiter - doch jetzt blockieren ukrainische Aktivisten den Lieferweg.

Von Florian Kellermann | 17.02.2017
    Überlandstrommasten im Dunklen.
    Mitten im Winter droht der Ukraine eine Energiekrise. (picture alliance / dpa)
    Der Direktor des nationalen ukrainischen Stromkonzerns Ukrenergo hat sich direkt an alle Ukrainer gewandt. In einer Videobotschaft versuchte Wsewolod Kowaltschuk, die Gemüter zu beruhigen:
    "Wir haben noch 800.000 Tonnen Kohle. Das heißt, dass unser Stromnetz im Notstands-Modus, der gerade verhängt wurde, noch mindestens 40 Tage lang stabil bleiben wird. Der Endverbraucher wird nichts bemerken. Wir können garantieren, dass selbst, wenn die Minustemperaturen anhalten, es bis 15. oder 20. März nicht zu spürbaren Einschränkungen kommen wird."
    Suche nach alternativen Energiequellen
    Trotzdem: 40 Tage sind nicht viel, die der Ukraine bleiben, um die Katastrophe abzuwenden. Deshalb laufen die Vorbereitungen für den Ernstfall auf Hochtouren. Der Notstand, den die Regierung verhängt hat, bedeutet: Die Energiebetriebe in den einzelnen Bezirken müssen, wo möglich, alternative Energiequellen ausschöpfen. Und sie müssen mit Fabriken vereinbaren, dass diese einen Teil ihrer Produktion in die Nacht verlegen, um die Kraftwerke zwischen 8 und 20 Uhr, also zu den Spitzenzeiten, zu entlasten.
    Nach einer Sitzung des Nationalen Verteidigungsrats erklärte Energieminister Ihor Nasalyk:
    "Wir haben auch über die Stahlindustrie gesprochen, die auf die Kohle angewiesen ist. Wir überlegen nun, ob wir den Rohstoff aus anderen Ländern einführen können. Infrage kommen unter anderem Südafrika und China."
    Die Ukraine gewinnt rund ein Drittel ihres Stroms aus Kohle, genauer: aus der hochwertigen Anthrazitkohle. Doch die liegt vor allem im Donezbecken tief unter der Erde - dort, wo seit zweieinhalb Jahren prorussische Separatisten das Sagen haben. Dass diese, mit russischer Unterstützung, Krieg gegen die Ukraine führen, hat dem Handel keinen Abbruch getan.
    "Eintweder haben wir Krieg, oder wir treiben Handel"
    Nun aber blockieren einige Dutzend Ukrainer die Eisenbahnverbindung in das Donezbecken - auf der Seite der Frontlinie, die von der Ukraine kontrolliert wird. Die meisten von ihnen sind Veteranen des Kriegs, Angehörige von Freiwilligenbataillonen. So auch der Sprecher der Blockierer Serhij Akimowytsch:
    "Es ist doch zynisch und niederträchtig, wenn unsere Machthaber täglich Verletzte und Gefallene beklagen und gleichzeitig 100 Güterzüge über die Frontlinie fahren. Entweder haben wir Krieg, oder wir treiben Handel. Wir unterstützen damit unsere Gegner, wir finanzieren ihren Kampf gegen uns."
    Die ganze Ukraine diskutiert heute über dieses Argument. Dagegen spreche, dass eine Blockade die Bewohner des Donezbecken nur noch weiter von der Ukraine entfremde, meint der ukrainische Präsident Petro Poroschenko:
    "Diese Leute blockieren in Wahrheit nicht die besetzen Gebiete. Sie blockieren die Ukraine, unseren Kampf, der die territoriale Souveränität wieder herstellen soll. Das ist wohl ihr Ziel: diese Gebiete von der Ukraine abzutrennen. Ich sagen ihnen: Nicht ihr habt diese Gebiete für die Ukraine gewonnen, ihr habt nicht das Recht, sie herzugeben."
    Wenig beeindruckt
    Die Aktivisten hat diese Ansprache kaum beeindruckt. Sie schließen aus, dass sie ihre Blockade beenden, falls nicht wenigstens - das ist ihre Mindestforderung - die im Separatistengebiet gefangen gehaltenen ukrainischen Soldaten freigelassen werden.